Wie geht es eigentlich Leierfisch, Petermännchen und Steinpicker?
Archivmeldung vom 06.01.2020
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtEine neu entwickelte Methode zur Bewertung von datenarmen Fischbeständen hat ergeben, dass viele Beifangarten in den Weltmeeren weit unter den international vereinbarten Mindestniveaus liegen und dringend einer nachhaltigen Bewirtschaftung bedürfen. Die Studie eines internationalen Teams von Forschenden unter der Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel wurde kürzlich in der Fachzeitschrift ICES Journal of Marine Science veröffentlicht.
Weltweit geraten viele Fischbestände durch Überfischung, Erwärmung und Verschmutzung zunehmend unter Druck. Mit Hilfe von international abgestimmten Maßnahmen wie Fangmengenbeschränkungen und -verboten oder Ausweisung von Schutzgebieten wird seit einigen Jahren versucht, aktiv gegenzusteuern. Sind diese Maßnahmen ausreichend, um eine nachhaltige Nutzung der Fischbestände langfristig sicher zu stellen? Ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter Führung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der „Sea Around Us“-Initiative an der Universität von British Columbia, Kanada hat nun eine neue, effiziente Prüfmethode entwickelt, um dies besser zu beurteilen. Sie kommen dabei zu dem Schluss, dass eine Reihe von unerwünschten aber regelmäßig beigefangenen Arten weitaus gefährdeter sind, als bisher angenommen.
Die Methode, bekannt als „Abundance Maximum Sustainable Yields“ oder AMSY, benötigt nur einen Bruchteil der sonst erforderlichen Daten zur Abschätzung der Bestandsgröße und des Befischungsgrades: die Größenverteilung der gefangenen Fische und die Fangmenge pro Tag oder Stunde reichen aus. „Unsere Methode verwendet Zufallsverfahren und hohen Rechenaufwand, um die Kombination von Bestandsgröße und Befischung zu finden, die am besten mit den verfügbaren Informationen kompatibel ist“, sagt Rainer Froese, Hauptautor der Studie vom GEOMAR. „Es gibt keine Entschuldigung mehr dafür, die Fischerei nicht so zu managen, dass gesunde Bestände gesunde Fänge produzieren“.
Gegenwärtig sind Größe und Befischungsgrad nur für etwa ein Viertel der weltweit befischten Bestände bekannt, vor allem weil die für die traditionellen Bestandsabschätzungsmethoden erforderlichen Daten fehlen. „Wir haben festgestellt, dass von 38 Beständen, die wir analysiert haben, 24 oder 63 Prozent überfischt werden“, sagte Dr. Froese. „Die meisten von ihnen, wie z.B. der Leierfisch, der Steinpicker oder das kleine Petermännchen, die als Beifang in der Nordsee vorkommen, wurden noch nie bewertet, weil es nicht möglich war, traditionelle Bestandsabschätzungen durchzuführen“.
Die neue „AMSY-Methode“ liefert auch erste Abschätzungen für viele, weltweit kommerziell genutzte Arten. Einige Länder wie Indien und China, die die Ozeane als eine wichtige Proteinquelle betrachten, setzen den AMSY-Ansatz bereits um. Laut Daniel Pauly, dem leitenden Wissenschaftler bei „Sea Around Us“, werde der Fischereisektor dieser Länder von den neuen Analysen sehr profitieren, weil die neuen Methode eine einfache, aber strenge Bewertung der Fischerei ermögliche und gewissenmaßen eine Revolution in der Fischereiwissenschaft darstelle.
Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (idw)