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Ziegen, die auf Männer starren? - Auch Nutztiere wissen, wann sie beobachtet werden

Archivmeldung vom 16.07.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.07.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Harm Michaelis / pixelio.de
Bild: Harm Michaelis / pixelio.de

Nutztiere ändern ihr Verhalten in Abhängigkeit von der Aufmerksamkeit des Menschen. Zu diesem Ergebnis kommt der Biologe Christian Nawroth, der in seiner Doktorarbeit am Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg untersucht, zu welchen höheren Erkenntnisleistungen diese Tiere fähig sind.

In Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Nutztierbiologie Dummerstorf (Mecklenburg-Vorpommern) führte er Versuche mit Zwergziegen durch, die bisher Primaten vorbehalten waren. In der Fachzeitschrift „Animal Cognition“ wurde der Artikel in Anspielung auf eine amerikanische Filmkomödie unter dem Titel „Goats that stare at men“ soeben veröffentlicht.

Zwergziegen reagieren deutlich auf die Aufmerksamkeit des Menschen. In den Versuchen, die Christian Nawroth durchführte, waren sie zum Beispiel weniger aktiv und starrten länger, wenn der Experimentator seinen Kopf von den Tieren abgewandt hatte oder ihnen sogar den Rücken zudrehte. „Das deutet darauf hin, dass Zwergziegen die Rolle eines Menschen, und hier speziell dessen Aufmerksamkeitszustand ihnen gegenüber, im Kontext der Futtergabe interpretieren können“, sagt Nawroth. Durch weitere Tests, in welchen den Ziegen verschiedene menschliche Zeige- und Kopfgesten die Position einer versteckten Futterbelohnung anzeigten, konnte darüber hinaus nachgewiesen werden, dass Zwergziegen zwar in der Lage sind, zwischen verschiedenen Kopforientierungen eines Menschen zu unterscheiden, jedoch die Blickrichtung des Menschen alleine nicht als Informationsquelle bei der Futtersuche nutzen können.

Diese vermeintlich einfachen Erkenntnisse sind neu und nützlich. „Aufbauend auf dem Wissen über die kognitiven Fähigkeiten von Nutztieren kann deren Haltung verbessert und ihr Wohlbefinden gesteigert werden. Fehlende Kenntnisse über ihr kognitives Potenzial können sowohl zu einem falschen Umgang mit den Tieren als auch zu fehlerhaften Planungen im Stall führen“, erklärte Nawroth das Ziel seiner Untersuchungen am Lehrstuhl für Tierhaltung und Nutztierökologie bei Prof. Dr. Eberhard von Borell an der Universität Halle.

Für die Untersuchung wurden aus dem Bestand des Leibniz-Instituts für Nutztierbiologie, an dem Wissenschaftler bereits seit mehreren Jahren das Lernverhalten von Nutztieren untersuchen, zwölf weibliche Zwergziegen (Capra hircus) mit einer bisher vorrangig bei Primaten und noch niemals bei Nutztieren verwendeten Versuchsanordnung getestet. Ein Experimentator präsentierte - unerreichbar für das Tier - ein Futterstück hinter einem Gitter. Anschließend nahm er für die Dauer von 30 Sekunden verschiedene Kopf- und Körperhaltungen ein, mit denen ein unterschiedlicher Grad an Aufmerksamkeit gegenüber dem Tier ausgedrückt werden sollte. Erst danach gab er dem Tier das Futter durch das Gitter.

Wurde in ähnlichen Versuchen bei Primaten in diesem Zeitraum meistens die Anzahl und Dauer von so genannten Bettelgesten zur Interpretation der Aufmerksamkeit des Menschen gemessen, musste bei den Zwergziegen auf andere Verhaltensparameter zurückgegriffen werden. Die Wissenschaftler untersuchten, wie intensiv die Ziegen eine Erwartungshaltung der kommenden Futtergabe in ihrem Verhalten anzeigten – entweder durch gesteigerte Aktivität vor dem Gitter [Video 1] oder in einer Art Alarmstellung, in welcher die Tiere reglos auf die Futterbelohnung „starrten“ [Video 2].

Auf diese ersten Ergebnisse aufbauend soll nun in weiterführenden Studien am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie geklärt werden, inwiefern Zwergziegen über ein tatsächliches Verständnis der Aufmerksamkeitszustände anderer Individuen verfügen oder ob das gezeigte Verhalten ausschließlich auf komplexe Lernvorgänge zurückführbar ist. Ersteres konnte bisher nur bei Primaten und einigen Vogelarten nachgewiesen werden. „Die Ergebnisse des Projekts legen nahe, dass domestizierte Nutztiere offensichtlich zu höheren Erkenntnisleistungen befähigt sind, als dies bisher vermutet wurde“, so Nawroth.

Quelle: Leibniz-Institut für Nutzierbiologie (FBN) (idw)

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