.ausgestrahlt: Baden-württembergische Atomaufsicht verheimlichte mehrere Störfälle
Archivmeldung vom 15.03.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.03.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittLecks im Sicherheitsbehälter, auslaufendes Beckenwasser, Teilausfall der Kühlung der abgebrannten Brennelemente und tagelanger Ausfall der Notkühlsysteme, die Rede ist nicht vom Katastrophenmeiler Fukushima, sondern vom AKW Philippsburg 2. In dem Reaktor, der zu den neuesten in Deutschland zählt, kam es nach Informationen der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt in den vergangenen zwei Jahren zu mindestens drei sicherheitsrelevanten Störfällen.
Alle drei sind in Absprache mit der Aufsichtsbehörde, dem Umweltministerium Baden-Württemberg, bis heute nicht gemeldet worden. Die CDU-geführte Landesregierung vereinbarte vielmehr mit dem AKW-Betreiber EnBW, die Störfälle unter den Teppich zu kehren – offensichtlich, um die Laufzeitverlängerung für die AKW nicht zu gefährden.
Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt: „Die Beispiele zeigen, dass auch die modernsten Atomkraftwerke (Philippsburg-II ging 1984 ans Netz) nicht sicher sind – weil die Menschen, die dort arbeiten, immer wieder Fehler machen. Wäre in jenen Tagen ein Unfall passiert, hätten die Sicherheitssysteme des Reaktors nicht wie vorgeschrieben zur Verfügung gestanden.
Um die Laufzeiten der AKW zu verlängern, war der schwarz-gelben Landesregierung in Stuttgart offenbar jedes Mittel recht – selbst die Gefährdung der Bevölkerung. Anstatt ihre gesetzliche Aufsichtspflicht wahrzunehmen, deckte sie skandalöse Sicherheitsmängel in Philippsburg und die Inkompetenz des AKW-Betreibers EnBW. Sie verhinderte damit auch, dass andere AKW vor demselben Fehler gewarnt werden konnten. Umweltminsterin Gönner und Ministerpräsident Mappus müssen jetzt erklären, warum ihnen längere Laufzeiten für AKW wichtiger als die Sicherheit der Reaktoren sind.“
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Ereignisse:
- Am 19. Juni 2010 verklemmte sich ein Stopfen in einer Abflussleitung
des Brennelementebeckens. Über eine fälschlicherweise offenstehende
Armatur flossen 270.000 Liter Reaktorwasser in das Reaktorgebäude.
Weitere 10.000 Liter flossen durch Entwässerungsleitungen aus dem
Reaktorsicherheitsbehälter hinaus. In der Folge setzte die Kühlung der
im Becken lagernden abgebrannten Brennelemente zur Hälfte aus. Bei einem
weiteren Abfall des Füllstands im Brennelementebecken um nur 6
Zentimeter wäre die komplette Kühlung der im Becken lagernden
Brennelemente ausgefallen.
- Am 19. Januar 2010 fiel die komplette Kühlung der Systeme zur
Notkühlung des Reaktors für drei Tage aus. Bei einem Unfall hätten sich
die Notkühlsysteme daher binnen kurzer Zeit überhitzt und wären nicht
mehr funktionsfähig gewesen. Damit hätte der Reaktor - wie im
Unglücksreaktor Fukushima - nicht mehr gekühlt werden können. Im Falle
etwa eines Flugzeugabsturzes oder anderen schweren Unfalls in dieser
Zeit wäre eine Kernschmelze in Philippsburg wohl nicht mehr zu
verhindern gewesen.
- Am 12./13. Mai 2009 standen über 12 Stunden hinweg mehrere Armaturen
offen, die bei einem Störfall den Austritt von Radioaktivität aus dem
Sicherheitsbehälter verhindern sollen. Die Armaturen waren in dieser
Zeit nicht mehr ansteuerbar. Der Sicherheitsbehälter hatte damit seine
Schutzfunktion verloren; bei einem Störfall wäre Radioaktivität
ungehindert ins Freie gelangt.
Quelle: .ausgestrahlt