Fernwärme für den Golfstrom? - Strömungen des Indischen Ozeans wirken bis nach Europa -
Archivmeldung vom 28.04.2011
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtVielen Europäern ist die Bedeutung des Golfstromsystems für das relativ milde Klima bekannt. Weit weniger geläufig ist die Fernwirkung von Meeresströmungen im Indischen Ozean bis in unsere Breiten. In einem Übersichtartikel, der am 28. April in der renommierten Fachzeitschrift Nature erscheint, hat ein internationales Wissenschaftlerteam unter Beteiligung des Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) den Kenntnisstand über die Bedeutung des Agulhasstroms für das Klima zusammengefasst.
Der Agulhasstrom - wie der Golfstrom - eine der stärksten Strömungen im Weltozean, fließt im Indischen Ozean entlang der südafrikanischen Küste. Südwestlich von Kapstadt vollzieht er eine abrupte Kehrtwende zurück in den Indischen Ozean. Dabei schnüren sich alle drei bis vier Monate mächtige Wirbel von mehreren 100 km Durchmesser, die Agulhasringe, vom Hauptstrom ab. Diese bringen warmes und salzreiches Wasser aus dem Indischen Ozean in den Atlantik und bilden somit ein Schlüsselelement der weltweit verbundenen Meeresströmungen. Ein Teil des Wassers aus dem Indischen Ozean landet auch im Nordatlantik und kann über den Golfstrom auch Auswirkungen auf unser Klima haben.
„Es klingt ein wenig abenteuerlich, dass Strömungen um Südafrika einen Einfluss auf unsere Breiten haben“, gibt der Mitautor der Studie, Privatdozent Dr. Arne Biastoch vom IFM-GEOMAR, zu. Dennoch sei seit langem bekannt, dass dem Agulhasstrom eine wichtige Rolle für den Nachschub salzreichen Wassers in den Atlantik zukommt. Nachdem Biastoch schon mehrere Schlüsselarbeiten zu dem Thema publiziert hat, wurde in der jetzt veröffentlichten Studie das weltweit vorhandene Wissen verschiedener Forschergruppen zusammengetragen. Neben Simulationen mit Ozeanmodellen benutzten die Forscher aktuelle sowie paläoozeanographische Messdaten, um dieses Phänomen und seine Einflüsse auf den Atlantik möglichst genau zu beschreiben. Dabei standen vor allem durch den Klimawandel bedingte Änderungen im Fokus, die zu einem erhöhten Zustrom von Wasser aus dem Agulhasstrom in den Atlantik führen könnten. Warum ist das so? Normalerweise begrenzen die westlichen Winde im südlichen Ozean den Wasseraustausch zwischen dem Indischen Ozean und dem Atlantik. Die zunehmende Erwärmung führt auch zu einer Verlagerung des Westwindbandes nach Süden, wodurch sich der Korridor für einströmendes Wassers südlich von Afrika verbreitert. Modellsimulationen deuten auf eine Verstärkung dieses Trends hin.
Das so zusätzlich in den Atlantik eingebrachte Wasser wird entlang der brasilianischen Küste nordwärts transportiert, bis es schließlich im Bereich der Karibik seinen Weg in das Golfstromsystem findet. Dort eingespeist könnte das warme und sehr salzreiche Wasser aus dem Indischen Ozean dem durch verstärkte Niederschläge und Eisschmelze bedingten Aussüßungstrend im Nordatlantik entgegenwirken. Dieser wird in Zusammenhang mit einer möglichen Abschwächung des Golfstroms in Verbindung gebracht. „Wir vermuten, dass die Zufuhr aus dem Süden eine entscheidende Rolle in den Übergängen zwischen Eis- und Warmzeiten gespielt hat“, so Dr. Biastoch. „Die Fernwirkung des Agulhasstroms zeigen weiterhin sehr anschaulich die Komplexität der Wechselwirkungen in unserem Klimasystem und die weltweiten Verbindungen der Ozeanströmungen“, resümiert Biastoch.
Quelle: Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, Kiel