Forscher der Freien Universität veröffentlichen Erkenntnisse zur Kommunikation von Nachtigallen
Archivmeldung vom 09.05.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer Gebrauch und die Anordnung des Gesangs von Nachtigallen ist Thema von zwei Studien, die kürzlich von Mitgliedern der Arbeitsgruppe Biokommunikation der Freien Universität Berlin publiziert wurden. Pünktlich zum Beginn der diesjährigen Brutsaison der heimischen Singvögel haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um die Juniorprofessorin für Biologie Silke Kipper das Verständnis darüber erweitert, wie die Tiere Nachrichten kodieren sowie austauschen und wie ihre Kommunikation funktioniert.
In der Studie „Singing onstage: female and male common nightingales eavesdrop on song type matching im Fachmagazin „Behavioral Ecology and Sociobiology“ analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, nach welchen Kriterien weibliche und männliche Nachtigallen bei den Gesangsduellen männlicher Artgenossen Präferenzen bilden. Im renommierten Journal „Proceedings of the Royal Society B“ wurde die Studie „The use of network analysis to study complex animal communication systems: a study on nightingale song“ veröffentlicht, in der die langen Gesangssequenzen der Nachtigallen anhand von Netzwerk-Modellen nachvollzogen werden.
Bei den vielfältigen und komplexen Gesangsduellen männlicher Nachtigallen kommt es mitunter zum sogenannten Gesangs-Matching, bei dem ein Vogel eine Strophe singt und sein Kontrahent mit der gleichen Melodie antwortet; manchmal singen beide Tiere sogar gleichzeitig dasselbe. Angesichts von fast 200 verschiedenen Strophen, die jedes Männchen singen kann, ist das Matching kein Zufall, sondern richtet sich vermutlich an Zuhörer, nämlich weibliche und männliche Artgenossen. Für die Studie wurden Gesangs-Interaktionen mit Matchings am Computer und mit zwei weit voneinander entfernten Lautsprechern nachgestellt.
Die Forscher fanden heraus, dass sich Weibchen wie Männchen schneller und verstärkt dem Lautsprecher zuwandten, der den Anführer im Gesangs-Matching darstellte. Die Zuwendung des Weibchens deuteten sie als Paarungsinteresse, die des zuhörenden Männchens als Reaktion auf Aggressions- oder Dominanzverhalten. Fazit ihrer Studie ist, dass in der Erforschung der Kommunikation von Nachtigallen nicht nur die direkt Interagierenden zu untersuchen sind, sondern ebenso die zuhörenden Artgenossen.
Nachtigall-Männchen tragen ihre verschiedenen Strophen – durchschnittlich etwa 180 – nicht geordnet vor. Allerdings ist die Sequenzabfolge nicht zufällig. Die Wissenschaftler vermuteten, dass in der Reihenfolge der Strophen Informationen enthalten sind, ähnlich wie in der Syntax menschlicher Sprache. Sie setzten Gesangsketten in Buchstaben- und Zahlenkombinationen um und berechneten daraus Gesangsnetzwerke. Dieses Vorgehen – eigentlich aus Untersuchungen von komplexen Sozialgefügen oder Logistiksystemen bekannt – ermöglichte eine genaue Analyse der Gesangsnetzwerke und insbesondere der sogenannten „Knoten“ beziehungsweise Übergänge zwischen einzelnen Strophen.
Die Berechnungen wiesen bemerkenswerte Unterschiede zwischen den Nachtigallen auf. Zum Beispiel stellte sich heraus, dass Gesangsnetzwerke mit dem Alter der Männchen zusammenhängen: Ältere Männchen singen ihre Sequenzen geordneter. So können Weibchen anhand der Sequenzordnung ein Männchen bestimmten Alters erwählen. Weiterhin passen Männchen in einem Gesangsduell je nach Muster der ihnen vorgesungenen Strophen oder Knoten ihren Gesang an ihren Kontrahenten an. Das bedeutet, dass sie in einer Interaktion leichter die Führung der gesungenen Strophen übernehmen können.
Insgesamt lassen die Befunde Rückschlüsse auf die Organisation der Verknüpfungen von Strophen im Gehirn der Nachtigallen zu und bieten den Verhaltensbiologen somit einen Zugang zu den neuronalen Grundlagen des Verhaltens der Tiere. Bei beiden Studien setzen die Verhaltensbiologinnen und -biologen der Freien Universität mit Folgeexperimenten an.
Quelle: Freie Universität Berlin (idw)