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Neues von der Venus-Fliegenfalle

Archivmeldung vom 07.09.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.09.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Geöffnete Venus Fliegenfalle (A): Deutlich erkennbar sind die sensorischen Haare, deren Natur in der Ausschnittvergrößerung (B) mittels Raster-Elektronen-Mikroskopie deutlich wird. Berühren potenzielle Beutetiere ein Haar, werden dessen Zellen an einer Soll-Knickstelle gequetscht. Es entsteht ein elektrisches Signal, das sich über die Fallenoberfläche ausbreitet. Folgt kurz darauf ein zweites Signal, klappt die Falle zu. Aus ihren rosettenartigen Drüsenkomplexen (in B erkennbar) setzt die Pflanze dann Verdauungssekret frei. Auf jedem Quadratmillimeter sitzen 60 Drüsen, das macht 37.000 pro Falle. Bilder: Christian Wiese (A), Benjamin Hedrich (B)
Geöffnete Venus Fliegenfalle (A): Deutlich erkennbar sind die sensorischen Haare, deren Natur in der Ausschnittvergrößerung (B) mittels Raster-Elektronen-Mikroskopie deutlich wird. Berühren potenzielle Beutetiere ein Haar, werden dessen Zellen an einer Soll-Knickstelle gequetscht. Es entsteht ein elektrisches Signal, das sich über die Fallenoberfläche ausbreitet. Folgt kurz darauf ein zweites Signal, klappt die Falle zu. Aus ihren rosettenartigen Drüsenkomplexen (in B erkennbar) setzt die Pflanze dann Verdauungssekret frei. Auf jedem Quadratmillimeter sitzen 60 Drüsen, das macht 37.000 pro Falle. Bilder: Christian Wiese (A), Benjamin Hedrich (B)

Klappe zu, Insekt tot: Die Pflanze namens Venus-Fliegenfalle setzt auf einen raffinierten Mechanismus, um kleinerer Tiere habhaft zu werden. Forscher der Universität Würzburg geben aktuell im Magazin PNAS neue Einblicke in die Funktionsweise der Insektenfalle.

In der Natur wächst die Venus-Fliegenfalle nur auf nährstoffarmen Moorböden in den USA. Die Insekten, die sie mit ihren Blättern fängt und verdaut, liefern ihr eine wertvolle Zusatzernährung. Wenn eine Fliege oder Ameise auf den zweigeteilten Blättern der Pflanze herumläuft, registriert die Pflanze diese Berührung, klappt in Sekundenbruchteilen ihre Blätter zusammen und hält so die Beute fest. Wie in einem kleinen „grünen Magen“ sorgen dann Drüsensekrete dafür, dass die Fliege verdaut wird. Die Nährstoffe, die vor allem aus den Proteinen der Beute freigesetzt werden, nimmt die Venus-Fliegenfalle auf, um damit ihr Arsenal an Klappfallen zu vergrößern.

Elektrische, chemische und mechanische Signale

„Schon seit den Zeiten von Charles Darwin versuchen Biologen herauszufinden, wie Sensorik und Biomechanik bei der Venus-Fliegenfalle funktionieren“, sagt Professor Rainer Hedrich. Dem Biophysiker und seinem Team von der Universität Würzburg sind jetzt neue Einblicke gelungen. In der US-Zeitschrift PNAS (Proceedings National Academy of Sciences) beschreiben sie, wie die Venus-Fliegenfalle elektrische, chemische und mechanische Signale miteinander koppelt, um Insekten zu fangen und zu verdauen.

Unterstützt wurden die Würzburger bei ihrer Arbeit vom Göttinger Nobelpreisträger Erwin Neher, einem Experten für Sekretionsvorgänge in tierischen Zellen, und von der Pflanzenhormonspezialistin Bettina Hauser aus Halle.

Berührungshormon regt Verdauung an

Steckt ein Insekt in der Falle fest, versucht es verzweifelt, sich zu befreien. Doch diese mechanischen Reize stimulieren die Falle immer mehr: Sie produziert das Berührungshormon OPDA, das wiederum die Drüsen in der Falle zur Abgabe von Verdauungssekret anregt. Das lässt sich im Experiment zeigen: Verabreicht man den Fallen eine OPDA-ähnliche Verbindung, so schließen sie sich und bilden einen Magen, in dem die Drüsen aktiv werden – ganz ohne Berührungsreize durch Beutetiere.

Stimulation versetzt andere Fallen in Bereitschaft

Weitere Erkenntnis der Forscher: Wird eine Falle vom OPDA-Hormon stimuliert, dann leitet sie dieses chemische Signal an die anderen Fallen weiter. Die werden damit in erhöhte Fangbereitschaft versetzt. Das ist sinnvoll, denn Insekten kommen selten alleine: Wo eine Ameise auftaucht, ist bald mit weiteren zu rechnen.

Stimulierte Fallen antworten zudem mit einer Serie von Aktionspotentialen, also mit einer vorübergehenden Änderung der elektrischen Leitfähigkeit ihrer Zellmembranen. „Von Aktionspotential zu Aktionspotential schließt sich die Falle immer dichter ab. Durch den Überlebenskampf verschlechtern die Opfer ihre Lage zunehmend“, so Hedrich.

Verzicht auf Nahrung bei Trockenheit

Die Abgabe von Verdauungssaft bedeutet für die Venus-Fliegenfalle auch einen Wasserverlust. Wie also reagiert sie bei Trockenheit? Dann macht das Welkehormon Abscissinsäure die Pflanze unempfindlicher gegen Berührungen und unterdrückt die Ausscheidung von wässrigem Sekret, wie die Wissenschaftler festgestellt haben. Bei Wassermangel verzichtet die Fliegenfalle auf Nahrung – sie hungert, um nicht zu verdursten.

Erbgut der Venus-Fliegenfalle entschlüsseln

Hedrichs Schlussfolgerungen: „Das Schließen der Fallen und die Sekretion der Verdauungsflüssigkeit scheinen über verschiedene Signalwege gesteuert zu werden. Die dafür verantwortlichen Gene gilt es dingfest zu machen. Darum arbeiten wir jetzt daran, das Erbgut der Venus-Fliegenfalle zu entschlüsseln.“ Außerdem gelte es herauszufinden, wie die fleischfressende Pflanze einen beutegerechten Verdauungssaft zusammenstellt.

Millionen vom Europäischen Forschungsrat

Die Erforschung der Venus-Fliegenfalle und anderer fleischfressender Pflanzen treibt Hedrich mit einer hochkarätigen Förderung voran. Der Europäische Forschungsrat hat ihm dafür 2,5 Millionen Euro bewilligt. Hedrichs Team besteht aus zehn Bioinformatikern, Molekularbiologen, Chemikern und Biophysikern. Die Forscher wollen das Erbgut der wichtigsten Fallentypen analysieren sowie Gene, die ausschließlich in den Fallen aktiv sind. Aus dem Vergleich verschiedener Pflanzenarten möchten sie Hinweise auf die Evolution dieser speziellen Ernährungsweise gewinnen.

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg

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