Beitrag von Bakterienresten zur Bodenfruchtbarkeit bisher unterschätzt
Archivmeldung vom 03.12.2012
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtÜberreste von abgestorbenen Bakterien haben für die Böden weltweit eine viel größere Bedeutung als bisher angenommen. Etwa 40 Prozent der mikrobiellen Biomasse werde in organische Bodenbestandteile umgewandelt, schreiben Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der Technischen Universität Dresden, der Universität Stockholm, des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie und der Leibniz-Universität Hannover im Fachblatt "Biogeochemistry". Bisher gab es keine derartigen quantitativen Aussagen zum Anteil der mikrobiellen Biomasse.
Es wurde angenommen, dass die organischen Bestandteile des Bodens größtenteils aus zerfallenem Pflanzenmaterial stammen würden, das in Huminstoffe umgewandelt wird. Diese These konnten die Wissenschaftler im Laborexperiment und Feldversuch nun widerlegen. Offenbar wird das leicht biologisch abbaubare Pflanzenmaterial zunächst in mikrobielle Biomasse überführt und erst danach zur organischen Bodensubstanz.
Organische Bodenbestandteile stellen den größten Anteil an terrestrisch gebunden Kohlenstoff in der Biosphäre dar. Sie haben deshalb nicht nur eine große Bedeutung für die Fruchtbarkeit der Böden und die Erträge der Landwirtschaft. Sie sind auch einer der Schlüsselfaktoren, die die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre kontrollieren. Je nachdem wie diese Ressource gemanagt wird, kann der Klimawandel daher gebremst oder beschleunigt werden.
Im Labor hatten die Wissenschaftler zunächst in einem Inkubationsexperiment Modell-Bakterien mit dem stabilen Isotop 13C markiert und in Bodenmaterial eingebracht, das aus dem Langzeitexperiment „Ewiger Roggenbau“ in Halle/Saale stammt. Nach 224 Tagen Inkubationszeit wurde der Verbleib des Kohlenstoffs der Bakterien bestimmt. „Als Ergebnis fanden wir Reste von Bakterienzellwänden in Größen bis 500 x 500 Nanometern überall in unseren Bodenproben. Solche Fragmente wurden auch schon in anderen Studien beobachtet, aber nie weitergehend diskutiert und quantifiziert“, erklärt Prof. Matthias Kästner vom UFZ. Offenbar wird die Anlagerung der Reste von Bakterienzellwänden von Peptiden und Proteinen aus den Zellen unterstützt, die in höherem Maße als andere Zellbestandteile im Boden verbleiben und dafür sorgen, dass sich auf den mineralischen Bodenbestandteilen ein Film aus organischen Molekülen bildet, in dem der Kohlenstoff der abgestorbenen Bakterien gespeichert wird.
Wenn die Fragmente der abgestorbenen Bakterienzellwände austrocknen, dann verlieren sie ihre gummiartigen Eigenschaften und können hart wie Glas werden. Wird der Boden später wieder feucht, können Sie dann jedoch unter Umständen keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen – eine wichtige Voraussetzung, um von anderen Bakterien wieder abgebaut werden zu können. Dies wäre die einfachste Erklärung für die Beständigkeit von theoretisch leicht abbaubaren Kohlenstoffverbindungen im Boden. „Dieser neue Ansatz erklärt viele Eigenschaften der organischen Bodenbestandteile, die früher widersprüchlich erschienen“, so Matthias Kästner. Auf die Idee gekommen waren Kästner und sein Team durch frühere Untersuchungen in den 1990er Jahren zum Abbau des Schadstoffs Anthracen in belasteten Böden von Gaswerksstandorten. Bei Isotopenanalysen zeigte sich damals, dass Kohlenstoffrückstände gebunden waren, die von Bakterien stammen könnten. Mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) begannen sie, ab 2000 im Rahmen von zwei Schwerpunktprogrammen diese Spur zu verfolgen.
Nach dem Laborexperiment folgte die Überprüfung der These im Freiland. Im Sommer 2009 nahmen die Forscher Bodenproben im Vorfeld des Dammagletschers im Schweizer Kanton Uri. Im Lauf der letzten 150 Jahre ist dieser Gletscher um insgesamt rund einen Kilometer Länge geschrumpft. Zurück blieb Granitgestein, das von Lebewesen mit einer Bodenentwicklung einhergehend langsam wieder besiedelt wurde. Auf Pionierpflanzen wie Moose und Gräser folgten Sträucher und später auch Bäume, wenn sich hier Boden neu gebildet hat. Nicht nur für Klimaforscher, sondern auch für Ökologen ist der Dammagletscher deshalb inzwischen zu einem wichtigen Freilandlabor geworden, in dem verschiedenste Studien laufen. Der untersuchte Boden der Proben war zwischen 0 und 120 Jahren alt und erlaubte so Einblick in die Prozesse der frühen Bodenentwicklung. Bei den darauf folgenden Untersuchungen mittels Rasterelektronenmikroskopie am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen zeigte sich auch hier, dass mit dem Alter der Böden die Bedeckung der Mineralpartikel im Boden mit einem Film aus Rückständen von Bakterienzellwänden zugenommen hatte. These und Laborergebnisse konnten also im Freiland bestätigt werden. Möglich wurden diese neuen Erkenntnisse nicht zuletzt durch Fortschritte in der Rasterelektronenmikroskopie, die es inzwischen erlaubt, solche winzigen Bodenbestandteile besser zu erkennen und auszuwerten.
Der überwiegende Teil des Eintrags an Pflanzenrückständen in fruchtbare Böden wird also schnell von Mikroorganismen wie Bakterien verarbeitet, was zu mehr Bakterien und damit auch zu mehr absterbenden Bakterien führt. Das führt wiederum zu mehr organischem Material im Boden. „Auch wenn der größte Teil des organischen Kohlenstoffs in den Ökosystemen definitiv primär von Pflanzen produziert wird, so konnten wir zeigen, dass dieser große Teil der organischen Materials tatsächlich aus abgestorbenen Bakterien und Pilzen besteht. Das unterstreicht die Bedeutung, die Bakterien die Organismen in jedem Boden spielen“, fasst Matthias Kästner zusammen. Dazu kommt die Bedeutung für das globale Klima: Der Abbau dieses organischen Materials führt unter anderem zu Mineralisationsprodukten wie dem Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Schätzungen aus Großbritannien zufolge entspricht die Menge an CO2, die durch den Abbau von organischem Material in den Böden Englands und Wales pro Jahr in die Atmosphäre entweicht, der Größenordnung, um die die Treibhausgasemissionen dort pro Jahr reduziert wurden. Ohne Bodenschutz kann es folglich keine spürbaren Fortschritte beim Klimaschutz geben.
Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ (idw)