Tausende Meeresschildkröten müssen zu Ostern in Südamerika sterben, weil man sie für Fisch hält
Archivmeldung vom 10.04.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittStatt Schokohasen und Eiern kommt in Südamerika zu Ostern eine fragwürdige Delikatesse auf den Tisch: Meeresschildkröten. Die ohnehin durch Meeresverschmutzung, Souvenirjagd, Beifang und Nestplünderei vom Aussterben bedrohten Tiere werden in der Karwoche zu Tausenden geschlachtet.
Der Grund:
Sie gelten als Fisch und damit als in der Fastenzeit erlaubte Speise.
Allein in Mexiko landen in der Woche vor Ostern geschätzte 10.000
Schildkröten in den Töpfen, so eine aktuelle Untersuchung des WWF.
Eigentlich sind der Fang und das Töten von Meeresschildkröten
entlang der amerikanischen Pazifikküste streng verboten. Doch die
Reptilien sind ein einträgliches Geschäft: Fischer verkaufen das
Fleisch für umgerechnet einen Euro pro Kilogramm; eine
Meeresschildkröte bringt nach WWF-Recherchen bis zu 260 Euro ein. Für
viele Mexikaner sind Schildkröten eine kulinarische Spezialität. Für
Schildkrötensuppe oder -Steak zahlen sie in Restaurants zwischen zehn
und 18 Euro.
"Dieser Brauch basiert auf dem Missverständnis, dass
Meeresschildkröten kein rotes Fleisch haben und somit Fische sind",
erklärt WWF-Artenschutzexperte Stefan Ziegler. Für die sieben
Meeresschildkrötenarten, die alle auf der Roten Liste der vom
Aussterben bedrohten Arten stehen, ist das fatal. "1986 gab es im
Ostpazifik noch etwa 91.000 Lederschildkröten, heute sind es nur noch
2.500", sagt Ziegler. "Weltweit sind viele Schildkrötenbestände in
den letzten zehn Jahren um mehr als 80 Prozent geschrumpft. Die
Urzeitwesen schwimmen seit über 100 Millionen Jahren in den
Weltmeeren, wir Menschen schaffen es, sie in wenigen Jahrzehnten
auszurotten."
Appelle von Naturschützern verhallten bislang erfolglos. "Erst
eine offizielle Erklärung der katholischen Kirche, dass das Fleisch
von Meeresschildkröten keine Fastenspeise ist, könnte das Leben von
Tausenden Meeresschildkröten retten und einen wichtigen Beitrag zur
Bewahrung der Schöpfung leisten", sagt der WWF-Artenschützer. Die
Fastengebote der katholischen Kirche untersagen seit fast 1.500
Jahren den Genuss von Fleisch. Um den Speiseplan aufzupeppen, war es
auch in Deutschland bis ins 18. Jahrhundert Sitte, in der Fastenzeit
Schildkröten zu essen. Auch Fischotter, Biber, Seehunde, Walrosse und
Sumpfhühner erklärte man zu diesem Zweck kurzerhand zu Fischen.
Weitere Informationen unter www.wwf.de/schildkroeten
Quelle: Pressemitteilung WWF World Wide Fund For Nature