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Greenpeace-Studie: Staatsanwaltschaften verfolgen Tierschutzverstöße unzureichend

Archivmeldung vom 04.09.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.09.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Korrupte Richter: Statistisch sind 1% aller Menschen kriminell. Somit auch 1% aller Richter, Polizisten, Politiker, Ärzte, Verwaltungsangestellten, etc. Wer kann sie stoppen? (Symbolbild)
Korrupte Richter: Statistisch sind 1% aller Menschen kriminell. Somit auch 1% aller Richter, Polizisten, Politiker, Ärzte, Verwaltungsangestellten, etc. Wer kann sie stoppen? (Symbolbild)

Bild: Eigenes Werk /OTT

Häufig verletzen Staatsanwaltschaften ihre Ermittlungs- und Verfolgungspflichten, wenn sie Verfahren wegen tierschutzrechtlicher Verstöße einstellen. Zudem wird sogenannten Nutztieren in staatsanwaltschaftlichen Einstellungsbescheiden eine Leidensfähigkeit weitestgehend abgesprochen. Zu diesem Ergebnis kommt Greenpeace in einer Studie, die dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" exklusiv vorliegt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Mannheimer Strafrechtsprofessor Jens Bülte, der ca. 40 Einstellungsbescheide von Staatsanwaltschaften untersucht hat.

Die Umweltorganisation hatte beispielhaft staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren in Tierschutzsachen von einer darauf spezialisierten Rechtsexpertin untersuchen lassen. Es ging hierbei um Verfahren, in denen die Ermittler jeweils die Verfahren eingestellt hatten. Es handelte sich um Betriebe in Gebieten mit intensiver Tierhaltung. An dieser Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften äußert die Organisation massive Kritik. Die Staatsanwaltschaften verletzten ihre Ermittlungs- und Verfolgungspflichten. Rechtsstaatliche Grundsätze würden umgangen und so tierschutzwidrige Zustände manifestiert. Greenpeace hatte Einstellungsbescheide bezüglich angezeigter Rechtsverstöße in mehreren Betrieben in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und in Thüringen prüfen lassen.

Ein Beispiel für die geäußerte Kritik ist ein Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Gera. Es geht dabei um eine große Ferkelzuchtanlage in Thüringen. Dieser Betrieb war bereits 2013 wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz angezeigt worden. Seitdem läuft ein Ermittlungsverfahren, bisher ohne Ergebnis. Allerdings - der Betrieb bekam Auflagen, musste die Stallungen teilweise umbauen.

Ende 2017 zeigte Greenpeace den Betreiber erneut wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz an. Die Organisation hatte Bildmaterial vorgelegt, auf dem Sauen in zu engen Kastenständen zu sehen sind. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren im Mai 2018 ein. Der Staatsanwalt begründet die Einstellung unter anderem damit, dass der Unternehmer sich bezüglich der Unrechtmäßigkeit der Haltungsform geirrt habe. Er habe also nicht gewusst, ob eine solche Haltungsform zulässig sei oder nicht.

Gegenüber "Report Mainz" äußerte sich der Betreiber so: Er bemühe sich stets, die Gesetze einzuhalten. Sollte der Gesetzgeber Veränderungen wünschen, werde man dem nachkommen. Für Greenpeace ist die Einstellung des Verfahrens unverständlich. Die Organisation hat jetzt die Staatsanwaltschaft Gera wegen Untätigkeit angezeigt.

Greenpeace-Sprecherin Stephanie Töwe sieht in diesem und auch in anderen Fällen ein Muster: "Da zeigt sich ganz eindeutig, dass dieser Fall in Gera eben kein Einzelfall ist, sondern es ist sehr erkennbar, dass es bei den Staatsanwaltschaften ein Argumentationsmuster gibt, was sich ähnelt, und dass ganz oft eben nicht objektiv weiterermittelt wird, sondern sofort eingestellt wird."

Greenpeace ließ insgesamt acht Einstellungsbescheide in Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz untersuchen. Ein Beispiel: In einem Betrieb wurden Ferkel durch Aufschlagen auf den Boden getötet. Der Staatsanwalt geht davon aus, dass die Ferkel durch das Aufschlagen auf den Boden wahrscheinlich erheblich und langanhaltend litten. Dies sei jedoch durch die Bilder nicht zweifelsfrei zu belegen. Ob die Tiere ohne vernünftigen Grund getötet wurden, könne er nicht beurteilen. Auch dieses Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.

Für den Mannheimer Strafrechtsprofessor Jens Bülte ist diese Argumentation nicht nachvollziehbar. Er erklärt im Interview mit "Report Mainz": "Also zu sagen, ich kann das nicht feststellen, da macht die Staatsanwaltschaft es sich sehr leicht. Wenn die Tötung des Tieres zu einem erheblichen Leiden führt - selbst wenn die Tötung als solche möglicherweise aus einem vernünftigen Grund geschieht - bleibt das eine Straftat."

Der Strafrechtler hat unabhängig von der Greenpeace-Studie rund 40 staatsanwaltschaftliche Einstellungsbescheide untersucht. Sein Fazit: "Es kam in keinem einzigen Fall zu einer Anklage. Von sieben oder acht Bescheiden kann ich sagen, dass sie grobe juristische Fehler aufweisen. Ich glaube, dass Straftaten nicht so verfolgt werden, wie sie verfolgt werden müssten. Die Staatsanwaltschaft hat bei einem Anfangsverdacht zu ermitteln. Und im Tierschutzstrafrecht wird der Anfangsverdacht bei Unternehmen viel höher gehängt, die Hürden viel höher gehängt als in anderen Bereichen der Kriminalität. Und wenn dann ermittelt wird, dann werden diese Ermittlungen nach meinem Empfinden, nach meinen Recherchen nicht ernsthaft betrieben in vielen Fällen."

Die Hamburger Rechtsanwältin Davina Bruhn ergänzt: "Die Auswertung der Einstellungsbescheide erweckt den Eindruck, Staatsanwaltschaften würden nicht als neutraler Vertreter der staatlichen Strafverfolgung tätig werden, sondern ihre eigenen Wertvorstellungen bzw. (unbewusst) die wirtschaftlichen Interessen der Agrarlobby über das geltende Recht stellen."

Quelle: SWR - Das Erste (ots)

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