Bilanz 2005: Viel Zeit verloren beim Umwelt- und Klimaschutz
Archivmeldung vom 22.12.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt"In der Umweltpolitik wurde 2005 viel Zeit verloren", so bilanziert Angelika Zahrnt, Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), das zurückliegende Jahr: "Klimaerwärmung, Flächenversiegelung und Artensterben gingen ungebremst weiter.
Zugleich gab es bis zu den Neuwahlen eine lange
Pause des politischen Stillstands. Und seitdem signalisiert die neue
Bundesregierung leider nichts Gutes: Bundeskanzlerin Merkel und
Verkehrsminister Tiefensee weihen Autobahnen ein ohne das geringste
Interesse an einer umweltgerechten Verkehrspolitik zu zeigen.
Agrarminister Seehofer will die verstärkte ökologische Ausrichtung
der Landwirtschaft umkehren und Wirtschaftsminister Glos die
Handelsbarrieren für Entwicklungsländer beibehalten. Auf diese Weise
werden die Weichen nicht in Richtung mehr Nachhaltigkeit gestellt."
2005 gelte bereits jetzt als das heißeste, stürmischste und
trockenste Jahr seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen. In
den zurückliegenden zwölf Monaten seien weltweit 13 Millionen Hektar
Tropenwald vernichtet und rund 20000 seltene Tier- und Pflanzenarten
ausgelöscht worden. Allein in Deutschland wurden 2005 etwa 30000
Hektar Fläche neu versiegelt und über 800 Millionen Tonnen
Kohlendioxid in die Atmosphäre entlassen. In der Europäischen Union
hätten im gleichen Zeitraum 400000 Tonnen Feinstaub aus dem Verkehr
und rund eine Million Tonnen gefährlicher Chemikalien die Gesundheit
der Menschen zusätzlich belastet.
Das für 2005 anvisierte Ziel, die Kohlendioxidemissionen im
Vergleich zu 1990 um 25 Prozent zu reduzieren, habe Deutschland um
fast zehn Prozent verfehlt. Verantwortung dafür trage sowohl die
Kohl- als auch die Schröder-Regierung. Hoffen lasse jedoch das
stärkere globale Interesse am Klimaschutz - eine Folge der
verheerenden Hurrikans wie "Katrina" und der schweren
Überschwemmungen in Europa. Anfang Dezember habe Bundesumweltminister
Sigmar Gabriel auf dem Weltklimagipfel in Montreal mit seinem
Eintreten für zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen eine erste
Bewährungsprobe bestanden.
Von Bundesagrarminister Horst Seehofer könne man Ähnliches leider
nicht sagen. Im Zuge des Gammelfleischskandals habe er vor allem
seine Vorgängerin Renate Künast angegriffen und ein
Verbraucherinformationsgesetz gefordert, das seine Partei bisher
immer blockiert habe. Wenig hilfreich seien auch seine Ausfälle gegen
die ökologische Landwirtschaft gewesen. Die neue Bundesregierung
dürfe die bereits beschlossene Verbesserung der Haltungsbedingungen
für Legehennen nicht wieder abschaffen. Stattdessen müsse sie dafür
sorgen, dass alle landwirtschaftlichen Nutztiere tiergerecht gehalten
würden.
Zahrnt: "Beide große Volksparteien und auch die Bundesregierung
werden jetzt von früheren Umweltministern geführt. Von Angela Merkel
und Matthias Platzeck hört man aber bisher nichts dazu, wie die
natürlichen Lebensgrundlagen besser geschützt werden sollen. Auf
keinen Fall dürfen Parteien und Bundesregierung die ökologischen
Innovationen vernachlässigen. Es geht hier auch um neue Arbeitsplätze
- beim Ausbau regenerativer Energien, bei der Umsetzung von
Klimaschutzmaßnahmen und bei der Fortführung der Agrarwende."
Lichtblicke seien Anfang 2005 das Inkrafttreten des
Kyoto-Klimaschutz-Abkommens und der Start der UN-Initiative zum
Schutz des Wassers gewesen. Zu den wenigen Highlights des Jahres
gehöre die Sicherung von 125000 Hektar ehemals militärisch oder von
der Braunkohleindustrie genutzter Flächen für den Naturschutz.
Pluspunkte seien auch neue Gesetze zur Hochwasservorsorge und zur
Sicherung gentechnikfreier Lebensmittel. Wenn jedoch die
Gentechnik-Gläubigkeit von Bundeskanzlerin Merkel und Agrarminister
Seehofer zum Maßstab der Politik werde, drohe der Landwirtschaft
schwerer Schaden. Auch bei der Reform des Chemikalienrechts sei noch
nicht klar, ob die Gesundheit der Menschen am Ende besser geschützt
werden könne. Im bisherigen Gesetzgebungsverfahren habe
Bundeskanzlerin Merkel keine gute Rolle gespielt und sich an der
Abschwächung der Schutzstandards beteiligt.
Im kommenden Jahr will der BUND neben den Themen Gentechnik und
Tierhaltung sein Hauptaugenmerk auf die Durchsetzung einer wirksamen
Klimaschutzpolitik legen. Weitere Schwerpunkte für 2006 seien die
Sicherung der Biotopkette "Grünes Band" entlang der früheren
deutsch-deutschen Grenze und der 20. Jahrestag der Atomkatastrophe
von Tschernobyl. Die Erinnerung an den bisher größten Reaktorunfall
werde die Risiken der Atomtechnologie erneut deutlich machen und
zeigen, wie unverantwortlich jene Politiker aus CDU/CSU und FDP
handeln, die eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke
fordern.
Quelle: Pressemitteilung BUND