Europäische Chemikalienreform: Fauler Kompromiss hinter verschlossenen Türen
Archivmeldung vom 01.12.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.12.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Greenpeace haben den Kompromiss zur europäischen Chemikalienreform REACH, der gestern Nacht zwischen Vertretern des Europäischen Parlaments und des EU-Ministerrats ausgehandelt wurde, scharf kritisiert.
"Diese Vereinbarung ist ein
fauler Kompromiss auf dem Rücken von Verbrauchern und Umwelt. Wenn
das Parlament diesem Deal Mitte Dezember zustimmt, wird es kaum eine
Verbesserung gegenüber der jetzigen Gesetzeslage geben. Menschen und
Natur werden weiter durch gefährliche Chemikalien belastet", sagte
Patricia Cameron, Chemikalienexpertin des BUND.
BUND und Greenpeace kritisieren vor allem die negative Rolle des
Bundeskanzleramtes, das massiv Einfluss auf die Verhandlungen in
Brüssel nimmt. "Bundeskanzlerin Merkel lässt sich von
Chemieunternehmen wie BASF instrumentalisieren. Sie sorgt brav dafür,
dass Deutschland sämtliche Versuche blockiert, die Industrie zum
Ersatz aller gefährlichen Chemikalien zu verpflichten. Die
wirtschaftlichen Interessen der Chemiebranche sind ihr wichtiger als
der Schutz der Verbraucher vor Chemiegiften", sagte Stefan Krug von
Greenpeace.
Der Kompromiss sieht vor, dass krebserregende,
fortpflanzungsschädliche und andere gefährliche Chemikalien selbst
dann weiter vermarktet und in Alltagsprodukten verwendet werden
dürfen, wenn Alternativen vorhanden sind. Die Hersteller würden diese
Stoffe angeblich "adäquat kontrollieren", somit bestehe keine Gefahr
für Menschen und Umwelt. Eine adäquate Kontrolle sei aber
illusorisch, wie zahlreiche Studien und regelmäßig auftretende
Chemieskandale bewiesen. "In Deutschland hergestellte Industriegifte
tauchen überall dort auf, wo sie nichts zu suchen haben - im Blut von
Babys und Erwachsenen, in der Muttermilch, in Lebensmitteln, im
Trinkwasser, sogar im Fettgewebe von Eskimos und Eisbären", so Krug.
Laut Kompromiss sollen lediglich langlebige, sich in der Natur und
im Menschen anreichernde Chemikalien ersetzt werden, wenn es
Alternativen gibt. Verbrauchern sollen zudem Informationen nur über
eine beschränkte Anzahl von Chemikalien zugänglich sein. "Der
Industrie wird auch künftig erlaubt, entscheidende Sicherheitsdaten
zu ihren Chemikalien zurückzuhalten. Es ist skandalös, dass BASF,
Bayer & Co weiter Chemikalien in Umlauf bringen, ohne über Risiken
und Nebenwirkungen zu informieren", sagte Patricia Cameron.
Der BUND und Greenpeace fordern die Mitglieder des Europäischen Parlaments auf, den derzeitigen Kompromiss im Sinne des Umwelt- und Gesundheitsschutzes nachzubessern. So müssten Unternehmen durch die Pflicht, alle gefährlichen Stoffe zu ersetzen, Anreize erhalten, in die Entwicklung sicherer Alternativen zu investieren. Für Gesundheitsschäden bei der Anwendung von Endprodukten müssten zudem die Hersteller haftbar gemacht werden.
Quelle: Pressemitteilung BUND