Deutsche Umwelthilfe verlangt Akteneinsicht zu "Entbuschungen" an der Elbe
Archivmeldung vom 31.01.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDie Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) bezweifelt die Darstellung des niedersächsischen Umweltministers Hans-Heinrich Sander (FDP), wonach es keine neue Praxis bei den Abholzaktionen in der Kernzone des Biosphärenreservats "Niedersächsische Elbtalaue" gebe.
Mit Hilfe des niedersächsischen Umweltinformationsgesetzes
(NUIG) will die DUH deshalb jetzt ihre Vermutung klären, dass Sander
die Kreisverwaltungen in Lüneburg und Lüchow-Dannenberg erst unter
dem Druck der EU-Kommission aufforderte, vor neuen Abholzaktionen
Verträglichkeitsprüfungen entsprechend den Vorschriften der
Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Richtlinie der EU durchzuführen. Sander
hatte in den vergangenen Tagen mehrfach - zuletzt über seine
Sprecherin in der Lüneburger Landeszeitung vom 30. Januar -
suggeriert, es gebe keine entsprechende neue Anweisung. Am heutigen
Mittwoch (31.1.) stellte die Organisation dem Umweltministerium
deshalb ihr "Umweltinformationsbegehren" zu, indem sie Einsicht in
entsprechende Unterlagen im Zusammenhang mit den
"Entbuschungsaktionen" an der Elbe einfordert.
"Die Dementis von Herrn Sander passen nicht zu den in unseren
Augen unmissverständlichen Äußerungen aus der Kreisverwaltung
Lüneburg", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. "Wir freuen
uns, dass die Arbeiten an der Elbe derzeit ruhen. Noch besser wäre
es, wenn sie in Zukunft - falls überhaupt notwendig - nur noch in
Übereinstimmung mit den Naturschutzbestimmungen der EU durchgeführt
würden." Baake erinnerte daran, dass sich die Beschwerde der DUH,
die bei der EU erste Schritte für ein Vertragsverletzungsverfahren
gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgelöst hatte, exakt gegen die
niedersächsische Praxis richtete, Abholzaktionen ohne erkennbare, in
der FFH-Richtlinie aber zwingend vorgeschriebene vorherige
Verträglichkeitsprüfungen durchzuführen. "Waren Sanders demonstrative
Kettensägen-Aktion im November sowie weitere auf einen Erlass von
Sander hin durchgeführte Abholzungen rechtswidrig und versucht der
Minister dies nun über eine nachträgliche Änderung der Abholzpraxis
zu vernebeln, dann hat er ein Problem", so Baake.
Als Reaktion auf eine im Dezember eingereichte Beschwerde der
Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) verlangt die Generaldirektion
Umwelt in einem so genannten "Botschafterschreiben" Auskunft über
Ort, Ausdehnung und Umstände der bereits durchgeführten und damals
angekündigten Abholzungen ufernaher Auwälder auf einem etwa 25
Kilometer langen niedersächsischen Elbabschnitt. Die Kommission will
prüfen, ob Sander, als er Ende November den Auwäldern an der Elbe
persönlich mit der Kettensäge zu Leibe rückte, gegen zwingendes
europäisches Naturschutzrecht verstieß. Insbesondere will die
Kommission wissen, ob dieser Eingriff sowie vorhergehende, auf dem
Sander-Erlass beruhende Eingriffe in ein Schutzgebiet zur Erhaltung
europäisch bedeutsamer Lebensräume sowie seltener Tier- und
Pflanzenarten vorher auf ihre zwingende Notwendigkeit hin geprüft
wurden.
In der vergangenen Woche hatte die Lüneburger Landeszeitung
berichtet, die Abholzaktionen seien nach einer "neuen Forderung des
Landes Niedersachsen" vorerst gestoppt worden. Künftig solle vor
jeder Abholzaktion geprüft werden, "ob sich diese mit der
Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen
Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen an der Elbe
vertrage." Ein Mitarbeiter der Kreisverwaltung Lüneburg erklärte laut
dem Bericht wörtlich: "Die Auflage haben wir aktuell auf den Tisch
bekommen. Wir betreten Neuland." Gestern (30.1.) zitierte die
Landeszeitung demgegenüber eine Sander-Sprecherin mit den Worten:
"Der Rückschnitt kann weiterlaufen wie bisher". Dagegen erklärte die
Sprecherin des Landkreises Lüneburg, es seien "zurzeit keine
Maßnahmen vorgesehen und auch keine weiteren terminiert".
"Die Situation an der niedersächsischen Elbe wird immer konfuser,
wir versuchen mit unserem Antrag auf Akteneinsicht Licht in das
Dunkel zu bringen", sagte Frank Neuschulz, der Leiter Naturschutz der
Deutschen Umwelthilfe. Die DUH verlange rechtlich saubere Verfahren,
wenn im Einzelfall tatsächlich in den natürlichen Bewuchs der
Elbtalaue eingegriffen werden müsse. Vorrangig sei für die DUH aber
ein nachhaltiger und stromübergreifender Hochwasserschutz, zu dem
auch Deichrückverlegungen gehörten. Neuschulz: "Natürlich geht
Biberschutz nicht vor Menschenschutz, aber die Holzhacker-Methoden
eines Umweltministers bleiben in der Kernzone eines
Biosphärenreservats vollkommen fehl am Platz. Effektiver
Hochwasserschutz sieht anders aus."
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe e.V.