Niedersachsen: Neues Jagdgesetz weicht Tierschutznormen auf
Archivmeldung vom 03.02.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićIn Niedersachsen plant die rot-schwarze Landesregierung vor der in diesem Jahr anstehenden Landtagswahl noch ein Geschenk an die Jägerschaft: Nachtzielgeräte sollen erlaubt, der "versehentliche" Fang nicht jagdbarer Tiere straffrei gestellt und der Elterntierschutz weiter aufgeweicht werden.
Dazu appelliert das Aktionsbündnis Fuchs vor der letzten Lesung des Gesetzes nochmal an die Abgeordneten des niedersächsischen Landtags:
"Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter,
nachfolgend übersenden wir Ihnen eine Pressemitteilung zur Novellierung des Landesjagdgesetzes. Wir sind davon überzeugt, dass die quasi Aussetzung des Nachtjagdverbotes durch den Einsatz von Nachtsichttechnik ein erheblich störender Eingriff in die Natur ist. Nicht nur den jagdbaren Arten, auch allen anderen Tieren, darunter streng geschützten Tierarten, nimmt die Gesetzesnovellierung einen letzten Rückzugsraum - die Nacht. Ein weiterer faux pas ist die vorgesehene Regelung zum Elterntierschutz, der jede fahrlässige Tötung von zur Aufzucht erforderlichen Elterntiere ungestraft toleriert.
Bitte setzen Sie sich entgegen des Fraktionszwanges dafür ein, dass in Niedersachsen der Tierschutz nicht noch weiter geschwächt wird!"
Mit der Novellierung des Niedersächsischen Jagdgesetzes werden entgegen der Behauptung der Landesregierung Belange des Tier- und Naturschutzes mit Füßen getreten. Schon die bestehenden Ausnahmen vom Nachjagdverbot können zu erheblichen Störungen sowohl von jagdbaren Wildtieren als auch von Individuen der streng geschützten Arten führen. Nun soll Niedersachsen das erste Bundesland werden, in dem nicht nur Wildschweinen, sondern auch Füchsen, Dachsen und anderen Beutegreifern rund um die Uhr mit Nachtsicht- und Nachtzielgeräten nachgestellt werden darf.
Damit wird die ursprüngliche Zielsetzung des Nachtjagdverbots, wenigstens den grundsätzlich tagaktiven Tierarten, wie den Rehen, den Hirschen und dem sogenannten Federwild eine störungsfreie Nachtruhe zu ermöglichen, ad absurdum geführt. Und das wohlbemerkt ohne im Hinblick auf die Reduzierung der Bestände von Wildschweinen, Waschbären oder Marderhunden nachweislich zielführend zu sein.
Geht es nach der aktuellen Jagdnovelle, sollen die für die Aufzucht von Jungtieren erforderlichen Elterntiere außerhalb der von Behörden definierten Setz- und Brutzeiten straffrei getötet werden dürfen, wenn sie für den Jagdausübungsberechtigten nicht "erkennbar für die Aufzucht von Jungtieren notwendig" sind. Da jedoch die tatsächliche Setzzeit etwa bei Füchsen wohl weit über die Zeitspanne hinausgeht, die von zuständigen Behörden festgelegt wird, legalisiert die neue Regelung letztendlich Verstöße gegen den gesetzlich verankerten Elterntierschutz.
Die neuen Regelungen zu der ohnehin höchst umstrittenen und tierquälerischen Fallenjagd erleichtern es Jägern zudem, bei der Tötung nicht jagdbarer Tiere straffrei davonzukommen. So gilt lapidar: "Der unbeabsichtigte Beifang von Tieren (...) gilt als erlaubt." Nachdem die Jägerschaft immer wieder betont hat, dass ihre Fallen selektiv fangen, überrascht dieser Zusatz. Und da es in der Praxis unmöglich sein dürfte, Jägern etwa beim Fang bedrohter Tierarten Vorsatz nachzuweisen, gibt ihnen das quasi eine Carte blanche für die Fallenjagd. Besonders kritisch dürfte das beim Einsatz von in Niedersachsen nach wie vor erlaubten Totschlagfallen sein.
Signifikante Verbesserungen im Sinne des Tierschutzes sucht man im vorliegenden Gesetzesentwurf vergeblich: So sind keinerlei Einschränkungen bei den seit langem von den Tierschutzverbänden kritisierten Jagdpraktiken wie der Baujagd, der Fallenjagd oder der Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Füchsen in sogenannten Schliefanlagen geplant. Es wirkt, als hätte die Jagdlobby den Politikern den Gesetzestext ins Buch diktiert. Womöglich ist das kein Zufall, ist doch Helmut Dammann-Tamke (CDU) sowohl Vizepräsident des Deutschen Jagdverbandes als auch stellvertretender Fraktionsvorsitzender der niedersächsischen CDU.
Das Aktionsbündnis Fuchs und seine rund sechzig Mitgliedsorganisationen verurteilen die geplanten Änderungen des niedersächsischen Jagdgesetzes aufs Schärfste. Wir fordern die Landesregierung dazu auf, den Jagdgesetzentwurf zu verwerfen und stattdessen eine Jagdgesetznovelle auf den Weg zu bringen, die sich am aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand orientiert, und die den Belangen des Tier- und Naturschutzes angemessen Rechnung trägt. Insbesondere ist die Bejagung von Füchsen und anderen Beutegreifern weder wissenschaftlich belastbar begründet, noch überhaupt zielführend. Die willkürliche Jagdausübung auf diese Tierarten ist nicht mehr als reine Lustjagd.
Erläuterungen und Literaturquellen zur Fuchsjagd
Über Wildtierschutz Deutschland e.V.: Wildtierschutz Deutschland wurde 2011 gegründet und setzt sich seitdem gegen tierquälerische Jagdmethoden ein und für eine Reduzierung der jagdbaren Arten auf die Tierarten, für die ein vernünftiger Grund zur Bejagung im Sinne des Tierschutzgesetzes besteht. Außerdem engagiert sich der Verein für die Aufnahme, Versorgung und Auswilderung von in Not geratenen Wildtieren.
Mitbegründer des www.aktionsbuendnis-fuchs.de Mitglied der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht (DJGT)
Quelle: Wildtierschutz Deutschland e.V. (ots)