Prozess um Atomsubventionen für Hinkley Point C beginnt: Unternehmensbündnis hat Klage gegen EU-Kommission eingereicht
Archivmeldung vom 15.07.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin Bündnis aus Ökostromanbietern und Stadtwerken hat heute beim Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg Klage gegen Subventionen für das geplante britische Atomkraftwerk Hinkley Point C eingereicht. Die zehn Unternehmen aus Deutschland und Österreich gehen damit wie angekündigt juristisch gegen die EU-Kommission vor. Diese hatte die umstrittenen Beihilfen im vergangenen Jahr genehmigt. Das Klagebündnis wirft der Kommission hierbei Rechts- und Verfahrensfehler vor. Zudem befürchten die Kläger, das weit mehr als 100 Milliarden Euro umfassende Subventionspaket für Hinkley Point C könnte zusammen mit weiteren AKW-Projekten den europäischen Energiemarkt massiv verzerren und der riskanten Atomtechnik Wettbewerbsvorteile verschaffen. Die Klageschrift wurde am Morgen elektronisch an das EuG übermittelt. Damit gilt das Verfahren offiziell als eröffnet.
"Wir wollen die Entscheidung der EU-Kommission vom Gericht für nichtig erklären lassen, denn diese maßlosen Atomsubventionen sind aus unserer Sicht eine unrechtmäßige Betriebsbeihilfe. Diese hätte niemals genehmigt werden dürfen", sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy. Zusammen mit dem Hamburger Ökoenergieanbieter ziehen die österreichische oekostrom AG sowie die Stadtwerke Aalen, Bietigheim-Bissingen, Bochum, die Energieversorgung Filstal, Mainz, Mühlacker, Schwäbisch Hall und Tübingen nun vor Gericht. "Wir sehen die Gefahr, dass die europäischen Strommärkte künftig mit hoch subventioniertem Atomstrom geflutet werden könnten und regionale, hocheffiziente und ökologische Stromproduktion aus dem Markt gedrängt wird", sagt Dr. Achim Kötzle, energiewirtschaftlicher Geschäftsführer der Stadtwerke Tübingen. Aus Sicht der Stadtwerke leidet insbesondere die Wirtschaftlichkeit dezentraler Erzeugungsanlagen unter den geplanten Atomsubventionen.
Das Klagebündnis hatte wissenschaftliche Studien beauftragt, denen zufolge sich allein die staatlich garantierten Vergütungen für Atomstrom aus Hinkley Point C auf rund 108 Milliarden Euro summieren. Die geplanten Garantievergütungen sind mit umgerechnet 12 Cent pro Kilowattstunde dreimal so hoch wie der Marktpreis und sollen - angepasst an die Inflation - für 35 Jahre garantiert werden. Diese hohen Subventionen für ein einzelnes AKW beeinflussen durch den grenzüberschreitenden europäischen Stromhandel auch den Markt in Deutschland - mit der Folge, dass die Großhandelspreise für Strom hierzulande sinken. Dies aber führt zu Wettbewerbsnachteilen und Mindererlösen für andere Versorger wie auch für Anbieter von erneuerbaren Energien.
Falls weitere EU-Staaten wie geplant das britische Beihilfemodell für eigene AKW-Projekte übernehmen, könnte diese Preisverzerrung in Deutschland sogar bis zu zwölf Prozent betragen und so zu massiven Verwerfungen auf dem Strommarkt und auch zu höheren Endkundenpreisen führen. Denn die drohende Marktverzerrung führt zu Mehrausgaben für das EEG-System, weil höhere Ausgleichszahlungen fällig werden. Dies belastet besonders Privathaushalte und mittelständische Unternehmen in Deutschland.
"Weder hat die Kommission die weitreichenden Folgen ihrer Subventionsgenehmigung ausreichend analysiert, noch hat sie etwa berücksichtigt, dass es für Hinkley Point C keine Ausschreibung gab und auch kein generelles Marktversagen vorlag, welches Beihilfen überhaupt rechtfertigen würde", sagt Dr. Dörte Fouquet. Die Rechtsanwältin und Partnerin der international tätigen Kanzlei Becker Büttner Held ist ausgewiesene Expertin im Beihilfe- und Energierecht und vertritt die Klagegemeinschaft vor dem Gericht der Europäischen Union. Bereits vor einigen Tagen hat die Republik Österreich eine eigene Klage gegen die Subventionsentscheidung für Hinkley Point C eingereicht. Auch Luxemburg hat juristische Schritte angekündigt.
Die deutsche Bundesregierung weigert sich bisher, ebenfalls gerichtlich gegen die umstrittene Subventionsentscheidung vorzugehen und macht dafür vor allem politische Gründe geltend. "Wer die teure, riskante und wettbewerbsverzerrende Wiederkehr der Atomkraft in Europa einfach hinnimmt, verrät die Energiewende im eigenen Land", sagt Sönke Tangermann von Greenpeace Energy. Mehr als 15.000 Menschen sind deshalb innerhalb weniger Wochen einem Aufruf der Energie-Genossenschaft gefolgt und haben die deutsche Politik per E-Mail, Postkarte oder Online-Petition aufgefordert, ebenfalls juristisch gegen die Subventionsgenehmigung für Hinkley Point C vorzugehen. Greenpeace Energy wird die Postkarten heute an das Bundeswirtschaftsministerium übergeben und Minister Sigmar Gabriel (SPD) damit nochmals zum Handeln auffordern. Die Frist, innerhalb derer Staaten oder Unternehmen gegen die Entscheidung der EU-Kommission klagen können, läuft noch bis 23. Juli.
Quelle: Greenpeace Energy eG (ots)