In einem der größten Fälle von Umweltkriminalität in Deutschland, dem PFT-Skandal, stehen von Donnerstag an in Paderborn sechs Angeklagte vor Gericht.
Archivmeldung vom 07.01.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittProzessbeginn in einem der größten Fälle von Umweltkriminalität in Deutschland: Im PFT-Skandal müssen sich von Donnerstag an sechs Angeklagte vor dem Landgericht Paderborn verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, aus Industriemüll, der die giftige Chemikalie PFT enthielt, Bio-Dünger hergestellt zu haben. Äcker und Gewässer wurden verseucht. In NRW waren vor allem Felder in den Kreisen Soest und Paderborn betroffen. Der Prozess soll bis Ende des Jahres dauern. Das berichtet das Bielefelder Westfalen-Blatt.
Den Angeklagten werden Boden- und Gewässerverunreinigung im besonders schweren Fall sowie unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen vorgeworfen. Sie sollen giftigen Industriemüll, der PFT (perfluorierte Tenside) enthielt, geliefert und in den inzwischen insolventen Firmen GW Umwelt in Borchen (Kreis Paderborn) und Terravital in Bleicherode (Thüringen) zu 250 000 Tonnen Biodünger verarbeitet haben. PFT steht in Verdacht, krebserregend zu sein. Der angebliche Bio-Dünger wurde an Landwirte verkauft und auf weit mehr als 1000 Felder in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen ausgebracht. Die verunreinigten Felder und Gewässer mussten aufwändige saniert werden, schreibt die Zeitung. Von den Ackerflächen gelangte PFT über angrenzende Bäche in die Möhne und von dort in die Ruhr. Das damals vom Wasserwerk Möhnebogen gewonnene Trinkwasser war für die Ernährung von Säuglingen und zum regelmäßigen Verbrauch für Schwangere nicht mehr verwendbar. Zudem sollen giftige Klärschlämme an Bauern aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern abgegeben worden sein. Der 41 Jahre alte Geschäftsführer der Firmen GW Umwelt und Terravital, Ralf W. (41), sieht sich zudem Schadensersatzforderungen des Landes NRW, des Hochsauerlandkreises, der Stadtwerke Arnsberg und des Ruhrverbandes in Höhe von mehr 3,7 Millionen Euro ausgesetzt, berichtet das Westfalen-Blatt. Der Hochsauerlandkreis fordert 2,5 Millionen Euro für die Sanierung einer Fläche in Brilon-Scharfenberg, die Stadtwerke Arnsberg für neue Filteranlagen im Wasserwerk Möhnebogen 1,2 Millionen Euro. Für diese Investition seien 38 000 Kunden durch die Erhöhung des Wasserpreises zur Kasse gebeten worden, sagte Stadtwerkegeschäftsführer Ulrich Midderhoff der Zeitung. Das Landgericht Arnsberg habe die Entscheidung in diesem Zivilprozess zurückgestellt, bis im Strafprozess ein Urteil falle. Dies trifft auch auf den Schadenersatz für aufwändige Messungen in Höhe von 75 000 Euro zu, den der Ruhrverband (Eigentümer von acht Talsperren und 70 Kläranlagen) angemeldet hat, schreibt das Westfalen-Blatt. Der Hochsauerlandkreis hat insgesamt sieben Verfahren gegen Ralf W. angestrengt. Nach ersten Beschlüssen des Verwaltungsgerichtes Arnsberg werde über die entsprechenden Zahlungsbescheide in Höhe von 2,5 Millionen Euro jetzt in der Berufungsinstanz, dem Oberverwaltungsgericht Münster, entschieden, sagte Kreissprecher Martin Reuther der Zeitung. 80 Prozent der 2,5 Millionen Euro habe das Land NRW bezahlt. Die Summe von 2,5 Millionen Euro könne sich noch erhöhen, da die laufenden Kosten bislang nur für fünf Jahre berechnet worden seien. Außer Ralf W. stehen in Paderborn der Betriebsleiter der Firma GW Umwelt, Martin A. (41), ein Mitglied des Vorstandes (35), zwei Produktmanager (42 und 52 Jahre alt) und eine 31-jährige Mitarbeiterin der belgischen Firma Orinso aus Mechelen vor Gericht. Das Verfahren gegen den zunächst ebenfalls angeklagten ehemaligen Rechtsanwalt Eckhard S. (51) aus Brilon wegen versuchter Strafvereitelung ist gegen Auflage eingestellt worden, heißt es in dem Zeitungsbericht. Der Ex-Anwalt muss 40 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Ihm war vorgeworfen worden, Beweismittel versteckt zu haben, um eine Bestrafung seines damaligen Mandaten Ralf W. zu verhindern. Nach der Anklageschrift von Oberstaatsanwalt Oliver Brendel von der Staatsanwaltschaft Bielefeld sollen die Firmen GW Umwelt und Terravital von März 2003 bis März 2006 von dem Unternehmen in Belgien und von zwei Firmen aus den Niederlanden giftigen Industriemüll bezogen und daraus den angeblichen Bio-Dünger »Terrafarm« zur Bodenverbesserung hergestellt haben. Die giftigen Industrieabfälle, die PFT enthielten, sollen als Rückstände aus der Lebensmittelindustrie falsch deklariert worden sein. Für diese illegale Entsorgung soll GW Umwelt vier Millionen Euro kassiert haben.
Quelle: Westfalen-Blatt (ots)