"Lichtverschmutzung" in Städten beeinträchtigt Orientierung nachtaktiver Tiere
Archivmeldung vom 31.10.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.10.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtLichtverschmutzung in Städten verringert einer Studie der Freien Universität Berlin und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei zufolge nicht nur die Sichtbarkeit der Sterne, sondern auch die Wahrnehmung von wichtigen Signalen, mithilfe derer sich einige nachtaktive Tierarten orientieren. In klaren, mondbeschienenen Nächten erstreckt sich ein für das menschliche Auge unsichtbares Muster polarisierten Lichts wie ein Kompass über den Himmel.
Die Lichtglocken über Großstädten in der Nacht sind nach Einschätzung der Wissenschaftler verantwortlich dafür, dass nachtaktive Tiere wie beispielsweise einige Käfer, Nachtfalter, Grillen und Spinnen dieses Signal über weite Flächen nicht wahrnehmen können. Dies kann Auswirkungen auf die evolutionäre Entwicklung von Arten haben und Ökosysteme beeinträchtigen. Die Studie der Physiker und Ökologen wurde in der jüngsten Ausgabe des Journal of Geophysical Research veröffentlicht.
„Die Sichtbarkeit des Himmelskompass ist für viele Organismen abhängig vom Grad der Polarisierung“, sagt der federführende Autor der Studie, Dr. Christopher Kyba vom Institut für Weltraumwissenschaften der Freien Universität Berlin. „In einer natürlichen Umgebung liegt der Anteil an polarisiertem Licht in der Regel zwischen 70 und 80 Prozent. Allein durch Aerosole wird dieser Anteil in Berlin auf 55 Prozent reduziert.“ Gemessen wurde mit einer Digitalkamera, die mit einem linearen Polarisationsfilter ausgestattet war. Dabei zeigte sich, dass durch Lichtverschmutzung der Anteil an polarisiertem Licht innerhalb der Stadt weiter auf elf Prozent reduziert wird. Selbst in einer anscheinend dunklen Gegend außerhalb Berlins wirkte sich noch der Einfluss der Stadt mit einem Grad der Polarisierung von 30 Prozent aus. Da die Wissenschaftler die Messungen in klaren Nächten und bei ungewöhnlich hochstehendem Vollmond vorgenommen hätten, seien die Auswirkung der Lichtverschmutzung in normalen Mondnächten vermutlich deutlich schlimmer, erklärt Kyba.
„Der vom Mondlicht erzeugte Himmelskompass wird als wichtiges Navigationssignal für verschiedene Tierarten angesehen“, erklärte der Ökologe Dr. Franz Hölker, Autor der Studie und Leiter des Forschungsprojekts „Verlust der Nacht“. „Wir zeigen in unserer Studie, dass die depolarisierende Wirkung der städtischen Lichtglocken eine besondere Form von Lichtverschmutzung mit globaler Reichweite darstellt.“
Die Forscher stießen bei ihren Messungen auch auf ein unerwartetes Ergebnis: So ist das Himmelsleuchten der Städte selbst teilweise polarisiert. „Wir hatten vermutet, dass das Himmelsleuchten in Nächten ohne Mondlicht nicht polarisiert ist, doch fanden wir einen Anteil an polarisiertem Licht von rund neun Prozent“, sagt Kyba. „Wir vermuten, dass das nach oben gerichtete Licht durch Straßenzüge und Häuserfronten kanalisiert wird.“ Sollte dies zutreffen, dann würde das künstliche Licht in nordamerikanischen Städten, die in Rasterform gebaut sind, noch stärker polarisiert sein.
„Ein einfacher Weg, diese Form von Lichtverschmutzung zu reduzieren, ist die Vermeidung direkter Abstrahlung in den Nachthimmel (ULOR) und unnötiger Lichtemissionen“, sagt Kyba. Er empfiehlt, dass Unternehmen, Kommunen oder Bürger, die Hilfe suchen, bei der Modernisierung ihrer Außenbeleuchtung Kontakt zur International Dark Sky Association aufnehmen.
Die Studie wurde von zwei interdisziplinären Projekten finanziert, MILIEU und „Verlust der Nacht“. Letzteres wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem Ziel gefördert, das Ausmaß von Lichtverschmutzung zu messen und dessen Auswirkungen auf den Mensch und die Umwelt zu erforschen. Auf Grundlage dieser Forschungsergebnisse sollen Lösungsansätze für moderne Beleuchtungskonzepte und nachhaltige Techniken entstehen.
Quelle: Freie Universität Berlin