Algen in der Dunkelheit - Überlebensstrategie entschlüsselt
Archivmeldung vom 17.03.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn den Weltmeeren wimmelt es von einzelligen Algen, die im Sonnenlicht Photosynthese betreiben. Man weiß schon länger, dass die besonders häufigen Kieselalgen (Diatomeen) auch im dunklen Meeresboden überleben können, wo weder Photosynthese noch Atmung mit Sauerstoff möglich sind. Jetzt berichten Wissenschaftler vom Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie im angesehenen Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences davon, wie dieses Kunststück funktioniert. Die Diatomeen atmen in der Dunkelheit mit einem Salz, dem Nitrat, anstelle von Sauerstoff.
Obwohl die Photosynthese betreibenden Winzlinge oft nur wenige
Hundertstel Millimeter groß sind, kommen sie in so großer Anzahl in
unseren Weltmeeren vor, dass sie für etwa 40% der marinen
Primärproduktion, also dem Aufbau von Biomasse mittels Sonnenlicht und
Kohlendioxid, verantwortlich sind. Oft bilden sie riesige schwimmende
Algenblüten an der Meeresoberfläche oder bräunlich-grünliche Rasen auf
dem Meeresboden. Diatomeen (Kieselalgen) können aber auch ohne Licht und
Sauerstoff überleben, z.B. im Meeresboden. Die Wissenschaftler Anja
Kamp, Dirk de Beer, Jana L. Nitsch, Gaute Lavik und Peter Stief vom
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen haben
verschiedene Diatomeen-Arten im Labor kultiviert, um zu erforschen,
welche Stoffwechselwege den kleinen Algen das Überleben in der
Dunkelheit ermöglichen. Die Forscher fanden heraus, dass es einen
Zusammenhang gibt zwischen dem Nitrat, das eine Diatomeen-Zelle
speichert und deren Überlebensfähigkeit ohne Licht und Sauerstoff. Je
mehr Nitrat die Zelle zur Verfügung hatte, desto länger konnte sie im
Dunkeln, also auch ohne Möglichkeit selber Sauerstoff durch
Photosynthese zu bilden, überleben. In Experimenten mit der
kaffeebohnenförmigen Diatomee Amphora coffeaeformis konnten sie
beweisen, dass die einzelligen Algen in der Dunkelheit mit Hilfe des
gespeicherten Nitrats atmen. Innerhalb nur eines Tages verbrauchen sie
dabei den größten Teil des gespeicherten Nitrats und wandeln es zu
Ammonium um, das von der Zelle ausgeschieden wird. Das wichtigste
Ergebnis der Bremer Max-Planck-Forscher ist, dass die Zellen das Nitrat
im Dunkeln nur zur Atmung und nicht, wie im Sonnenlicht, zum Aufbau von
Biomasse verwenden. Anja Kamp sagt: „Wir schließen aus dem schnellen
Verbrauch von Nitrat und dem Ausbleiben des Zellwachstums, dass die
Nitratatmung bei Diatomeen ein Prozess ist, der lediglich ein
Ruhestadium einleitet und nicht über einen längeren Zeitraum
aufrechterhalten wird.“
Bei Bakterien ist die Nitratatmung nichts Ungewöhnliches, denn viele der
am Max-Planck-Institut untersuchten Bakterien sind in der Lage, mit
Nitrat, Sulfat oder Eisen zu atmen. Überraschend ist aber, dass auch
Algen, also Organismen mit einem Zellkern, Photosynthese und
Nitratatmung betreiben können. Die Ergebnisse sind jetzt in dem
angesehen interdisziplinären Journal Proceedings of the National Academy
of Sciences publiziert worden.
Quelle: Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie