Klima, Umwelt und Vegetation im westafrikanischen Sahel
Archivmeldung vom 02.07.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtBreiten sich die Wüsten der Erde unaufhaltsam aus? Oder dringt grüne Vegetation in die bisherigen Wüstengebiete ein? Der westafrikanische Abschnitt der Sahelzone, die sich am südlichen Rand der Sahara vom Atlantik bis zum Roten Meer erstreckt, hat in den letzten Jahren Anlass für die unterschiedlichsten Prognosen gegeben. Extreme Dürreperioden in den 1970er und 1980er Jahren galten als Indiz dafür, dass sich die Wüstengebiete der Erde vergrößern. „Desertifikation“ lautete das Schlagwort. Seit ungefähr zwei Jahrzehnten ist jedoch ein Anstieg der Niederschläge im westafrikanischen Sahel zu beobachten. Daher wird oft pauschal die Auffassung vertreten, dass „die Wüste ergrünt“.
Vor dem Hintergrund dieser Kontroverse hat ein internationales Forschungsteam um Dipl.-Geogr. Martin Brandt an der Universität Bayreuth die Entwicklung im westafrikanischen Sahel genauer untersucht. Hoch- und grobauflösende Satellitenaufnahmen sowie eine Vielzahl von Messergebnissen aus den letzten Jahrzehnten ermöglichten Rückschlüsse auf Klima- und Vegetationstrends; Feldforschungen förderten regionale und lokale Besonderheiten zutage. Dabei stellte sich heraus: Eine einheitliche Entwicklung gibt es im westafrikanischen Sahel nicht. Denn nicht allein das Klima, sondern insbesondere die unterschiedlichen Formen der Landnutzung – Landbau, Forstwirtschaft oder Dorfbau – sind wesentlich dafür verantwortlich, wie die Landschaft dort heute aussieht und welche Ressourcen sie den Menschen bietet.
Im Fachjournal „remote sensing“ berichten die Forscher aus Bayreuth, Frankreich, Spanien und dem Senegal über ihre Ergebnisse. „Das Handeln der Menschen vor Ort, beispielsweise der nachhaltige Anbau ausgewählter Grünpflanzen oder die Aufforstung von Wäldern, kann das Gesicht einer Landschaft erheblich beeinflussen“, erklärt Martin Brandt. „Solche Initiativen und Maßnahmen aus der lokalen Bevölkerung sind von großräumigen klimatischen Trends viel weniger abhängig, als man bisweilen angenommen hat. Deshalb sollte sich die Umwelt- und Klimaforschung nicht einseitig von pauschalen Schlagworten wie ‚Desertifikation‘ oder ‚Greening Sahel‘ leiten lassen.“
Regionale Unterschiede durch Land- und Forstwirtschaft –
Fallstudien in Mali und im Senegal
Aufgrund einer Serie von Satellitenaufnahmen, die in einer dichten zeitlichen Abfolge entstanden sind, konnte die Forschergruppe feststellen, dass die Vegetationsdichte im westafrikanischen Sahel von 1982 bis 2010 zugenommen hat. Im Senegal und im westlichen Mali ist diese Entwicklung besonders ausgeprägt. Dabei gibt es unverkennbare regionale Unterschiede hinsichtlich der Pflanzen, die sich im Laufe der Zeit vermehrt haben: Es handelt sich dabei nicht nur um wildwachsende Bäume, Sträucher oder Gräser, sondern vor allem auch um Kulturpflanzen, die infolge land- oder forstwirtschaftlicher Maßnahmen gedeihen konnten. Insgesamt fällt auf, dass in den Ländern Westafrikas – mit Ausnahme Gambias und der Elfenbeinküste – die Waldbestände deutlich zurückgegangen sind, obwohl die Vegetationsdichte insgesamt angestiegen ist.
Die Feldforschungen von Martin Brandt konzentrierten sich auf zwei Regionen im Senegal und in Mali: Das Gebiet um die Stadt Bandiagara im Süden Malis hat in den letzten 50 Jahren eine völlige Umwandlung seiner Vegetation erlebt: Zahlreiche Baum- und Buscharten, welche das Landschaftsbild in den 1960er Jahren noch bestimmten, sind heute ausgestorben. Dürreperioden schädigten die Pflanzen nicht allein durch den unmittelbaren Wassermangel. Weil die Einkommen aus der Landwirtschaft infolge schlechter Ernten sanken, versuchten die Menschen diese Verluste durch das Fällen von Bäumen und den Verkauf des Holzes auszugleichen. Mittlerweile ist jedoch eine vegetationsreiche Kulturlandschaft entstanden – und zwar nicht allein deshalb, weil die Niederschlagsmengen seit zwei Jahrzehnten gestiegen und lange Dürreperioden ausgeblieben sind. „Eine gezielte Aufforstung und die Anpflanzung von Bäumen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen haben das Landschaftsbild wesentlich verändert“, berichtet Martin Brandt und fügt hinzu: „Ohne ein ausgeprägtes botanisches und ökologisches Wissen der lokalen Bevölkerung wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen.“
Den Wandel hin zu einer Kulturlandschaft konnten die Bayreuther Forscher auch in einer weiteren Region feststellen, die sich im Senegal nördlich der Stadt Linguère befindet. Diese Gegend wird hauptsächlich von Nomaden besiedelt, die der Ethnie der Fulbe angehören und eine intensive Weidewirtschaft betreiben. Um ihre Tiere in Trockenzeiten mit Blättern zu ernähren, beschneiden oder fällen sie in trockenen Zeiten Bäume und Sträucher. Gleichwohl haben staatlich geförderte Aufforstungs- und Schutzmaßnahmen dazu geführt, dass die Vegetation seit zwei Jahrzehnten deutlich zugenommen hat und gegenüber Klimaschwankungen anpassungsfähiger geworden ist. Drei besonders widerstandsfähige Baumarten machen in der Region um Linguère heute mehr als 90 Prozent der Baumvegetation aus. „Allein in der unmittelbaren Nähe der Stadt befinden sich eingezäunte Flächen von mindestens 5.000 Hektar, auf denen eine spezielle Akazienart angesiedelt wurde“, so Martin Brandt. Er verweist aber auch auf die unverkennbaren Schäden, die in einigen Gebieten durch eine Übernutzung des Baumbestandes entstanden seien. Diese völlig entwaldeten Böden ließen sich nur schwer regenerieren – ein Beispiel dafür, dass sich Eingriffe des Menschen in die Vegetation zerstörerisch auswirken können, wenn sie nicht mit ökologischer Weitsicht einhergehen.
Eingriffe des Menschen fördern eine differenzierte Kulturlandschaft –
Plädoyer für eine Forschung ohne pauschale Schlagworte
Die jetzt veröffentlichten Forschungsergebnisse widersprechen der These, der westafrikanische Sahel sei infolge eines weltweiten Klimawandels notwendigerweise von einer fortschreitenden Wüstenbildung betroffen. Ebenso aber widerlegen sie die Vorstellung, das „Ergrünen der Wüste“ sei bei steigenden jährlichen Niederschlägen gleichsam ein Selbstläufer. Diese moderate Trendumkehr nach schweren Dürreperioden fördert zwar den Anstieg der Vegetationsdichte. Aber sie bedeutet weder eine Rückkehr zu denjenigen Verhältnissen, die vor diesen klimatischen Extremereignissen existiert haben, noch bewirkt sie automatisch eine flächendeckende Ausbreitung grüner Vegetation. Vielmehr haben anthropogene Faktoren – und umgekehrt auch ihre Abwesenheit – einen entscheidenden Einfluss auf Landschaft und Vegetation. Zielgenaue Maßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft, die sich am wissenschaftlichen Erkenntnisstand orientieren, können die Entstehung einer differenzierten Kulturlandschaft wesentlich voranbringen.
Darin sieht Martin Brandt, der in Kürze seine Promotion an der Universität Bayreuth abschließen wird, auch einen Anlass zur Hoffnung: „Falls die Prognosen des Klimarats der Vereinten Nationen zutreffen, werden sich die Lebensbedingungen in einigen trockenen und halbtrockenen Regionen Westafrikas – vor allem im Bereich der Sahelzone – wieder verschärfen. Geeignete Konzepte für die Land- und Forstwirtschaft und für den Umweltschutz bieten aber eine Chance, sich rechtzeitig solchen Klimaentwicklungen anzupassen und ihre Folgen für den Menschen abzumildern.“
Quelle: Universität Bayreuth (idw)