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Können Pflanzen sich an Trockenzeiten erinnern? Vergleichende Untersuchungen an Wiesengräsern

Archivmeldung vom 19.05.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.05.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Gewöhnlicher Glatthafer im Ökologisch-Botanischen Garten (ÖBG) der Universität Bayreuth. Foto: Prof. Dr. Anke Jentsch; zur Veröffentlichung frei.
Gewöhnlicher Glatthafer im Ökologisch-Botanischen Garten (ÖBG) der Universität Bayreuth. Foto: Prof. Dr. Anke Jentsch; zur Veröffentlichung frei.

Können Pflanzen sich an extreme Trockenheit erinnern und sich daher besser schützen, wenn sie erneut unter Wassermangel leiden? Sind sie womöglich noch in derselben Vegetationsperiode in der Lage, aus der Erinnerung an extreme Trockenheit zu lernen? Auf ein solches kurzzeitiges Erinnerungs- und Lernvermögen bei einigen Pflanzenarten weisen neue Forschungsergebnisse hin, die in der Zeitschrift "Environmental and Experimental Botany" vorgestellt werden. Zu den Autoren gehören Anke Jentsch, seit März 2011 Professorin für Störungsökologie an der Universität Bayreuth, und ihre Doktorandin Julia Walter am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig.

Simulationen extremer Trockenheit im Ökologisch-Botanischen Garten der Universität Bayreuth

Trockenzeiten werden infolge des weltweiten Klimawandels auch in Mitteleuropa künftig häufiger eintreten. Wie schnell können Pflanzen auf solche sich wiederholenden Extremereignisse reagieren? Das Forschungsteam in Bayreuth und Leipzig ist dieser Frage am Beispiel des Gewöhnlichen Glatthafers nachgegangen, eines in Europa weit verbreiteten Wiesengrases. Gräser, die im Frühsommer – also zu Beginn einer Vegetationsperiode – einen extremen Wassermangel überlebt haben, wurden daraufhin untersucht, ob sie Schutz- und Anpassungsreaktionen zeigen, wenn sie im Spätsommer desselben Jahres erneut einer Trockenperiode ausgesetzt sind.

Für derartige Forschungen bieten die Versuchsflächen im Ökologisch-Botanischen Garten der Universität Bayreuth besonders günstige Voraussetzungen. Sie werden in zahlreichen Projekten dafür genutzt, extreme Wetterereignisse wie Dürre, Starkregen und Spätfrost oder Klimatrends wie Erwärmung und Winterregen zu simulieren. Dadurch lassen sich im Hinblick auf künftig zu erwartende Klimaveränderungen deren voraussichtliche Folgen für die Pflanzenwelt beobachten.

Daher haben Anke Jentsch und ihr Team im April 2007 junge Glatthaferpflanzen in röhrenförmige Behälter eingesetzt und unter natürlichen Umweltbedingungen aufgezogen. Einigen dieser Pflanzen haben sie dann im Juni 2009 jede Wasserzufuhr vorenthalten – und zwar über einen Zeitraum von 16 aufeinander folgenden Tagen. Während dieser künstlichen Trockenperiode wurde jedoch eine Vergleichsgruppe von Glatthaferpflanzen konstant bewässert. In den Folgemonaten erhielten alle Gräser dann wieder die gleiche intensive und regelmäßige Bewässerung. Im Juli wurden sie beschnitten, der weitaus größte Teil ihrer Biomasse wurde dabei abgeerntet. Ein wichtiger Aspekt: Die nach der Ernte wieder austreibenden Blätter waren in allen Fällen neu gebildete pflanzliche Organe, die selbst noch keine Dürreerfahrungen gemacht haben. Im September 2009 begann eine erneute künstliche Trockenperiode. Diesmal mussten beide Gruppen 16 Tage lang ohne Wasser auskommen.

Anhaltspunkte für ein "Erinnerungsvermögen" von Pflanzen in Bezug auf extreme Klimaereignisse

Der Vergleich zwischen den beiden Pflanzengruppen am Ende der zweiten Trockenperiode förderte einige signifikante Abweichungen zutage. Bei den Gräsern, die bereits im Juni eine Trockenperiode überstanden hatten, war der Anteil der lebenden Biomasse an der Gesamtheit der Biomasse um 7% höher als bei den Gräsern, die im September erstmalig einer Trockenperiode ausgesetzt waren. Dies legt den Schluss nahe, dass die der Trockenheit ausgesetzten Gräser während der darauf folgenden Sommermonate Schutzreaktionen ausgebildet haben, die bei einem wiederholten Wassermangel dem Abbau lebender Biomasse entgegenwirken.

Analysen bezüglich der Photosynthese, also der Umwandlung von Lichtenergie in chemische Energie, bestätigen diese Annahme. Denn auch in dieser Hinsicht lassen sich deutliche Unterschiede zwischen beiden Gruppen feststellen. In den Gräsern, die im September zum zweiten Mal eine Trockenperiode erleben, laufen einige photosynthetische Prozesse weniger intensiv und nicht mit größtmöglicher Effizienz ab. Offenbar führt die Erfahrung früheren Wassermangels dazu, dass Pflanzen deutlich weniger Lichtenergie aufnehmen und verwerten als die noch unerfahrenen Pflanzen der Vergleichsgruppe.

Welche biochemischen Prozesse diesen Schutz- und Abwehrreaktionen zugrunde liegen, liegt derzeit noch im Dunkeln. "Fragen nach der physiologischen oder molekularen Basis der von uns beobachteten Verhaltensweisen lagen zunächst außerhalb unserer Untersuchungen", erläutert Anke Jentsch. "Doch jetzt entstehen spannende weiterführende Forschungsfragen, nachdem wir Anhaltspunkte dafür gefunden haben, dass Pflanzen so etwas wie ein Erinnerungsvermögen in Bezug auf extreme Klimaereignisse besitzen. Schon wenige Wochen später – noch innerhalb derselben Vegetationsperiode – sind sie imstande, in neu gebildeten Organen Schutzreaktionen auszubilden. Diese Zusammenhänge wollen wir seitens der ökologischen Forschung an der Universität Bayreuth weiter aufklären."

Schutzreaktionen auf kurzzeitige Dürreperioden: nicht immer nur von Vorteil

Die an den Gräsern beobachteten Reaktionen, die die Folgen extremer Trockenheit abschwächen könnten, sind übrigens nicht uneingeschränkt positiv zu bewerten. "Der verbesserte Lichtschutz und die herabgesetzten Photosynthese-Leistungen, die wir bei wiederholter Trockenheit nachweisen konnten, erleichtern den Gräsern zwar das Überleben während relativ kurzer Perioden des Wassermangels," erklärt Julia Walter, die jetzt ihre Promotion an der Universität Bayreuth fortsetzt. "Bei länger anhaltenden und häufigeren Hitze- und Dürreperioden, mit denen wir infolge des globalen Klimawandels durchaus zu rechnen haben, können sich derartige Schutzreaktionen jedoch auch nachteilig auswirken. Sie können, um ein Beispiel zu nennen, insbesondere den Biomassezuwachs der Pflanzen herabsetzen."

Quelle: Universität Bayreuth

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