Sendemast mit Ast
Archivmeldung vom 16.06.2004
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Freigeschaltet durch Michael DahlkeWer sein Grundstück für einen Mobilfunk-Mast zur Verfügung stellt, kriegt gutes Geld - und Ärger mit den Nachbarn. Ob wegen des Aussehens oder aus Sorge um die eigene Gesundheit: Die Antennen sind extrem unbeliebt.
Alle wollen mit dem Handy telefonieren - aber die Sendemasten mag niemand haben. Strahlend schön sind sie nämlich nicht gerade, und als ungesund umstritten. Deshalb werden sie verkleidet: als Baum, Kamin oder Kruzifix.
Wer sein Grundstück für einen Mobilfunk-Mast zur Verfügung stellt, kriegt gutes Geld - und Ärger mit den Nachbarn. Ob wegen des Aussehens oder aus Sorge um die eigene Gesundheit: Die Antennen sind extrem unbeliebt. Darum haben clevere Mast-Macher die Camouflage für sich entdeckt und verkleiden die Sender als Baum oder Bootsmast.
Bitte nicht fällen, ich bin eine Antenne
"Es kommt immer wieder vor, dass diverse Ämter bitten, ob man die Masten nicht angenehmer gestalten kann", sagt Josef Skuk, Geschäftsführer der Industrieanlagenbau GmbH im österreichischen St. Stefan. Sein Unternehmen baut Masten, die wie Bäume aussehen, "Nadel- und Laubbäume, wir haben beides im Programm". Für "um die 25.000 Euro" kommt dann kein hässlich-grauer Sende-Spargel in die Landschaft, sondern ein durchschnittlich 30 Meter hohes Baum-Imitat.
Auch die Masten-Fabrik Kaal im niederländischen Oss und die britische Firma Francis & Lewis (FLI) in Waterwells sind Baumschulen der besonderen Art. Kaal bietet schnell wachsende Masten ("Aufstellung innerhalb eines Tages") und die Briten versprechen: "Der FLI Cypress Tree gleicht einem echten Baum von der Borke bis hin zu den begrünten Ästen."
Friedhofshalle als Sendestation
Macht sich sicher gut, aber nicht auf dem Dach. Auch ein Bootsmast ist zu Lande eher ungeeignet. Deshalb stellt Skuk mit seiner Industrie-Anlagenbau auch Kamin-Attrappen her - und sogar Kreuze für Kirchen.
Heimlich oder nur ästhetisch?
Himmlische Hilfe fürs Handy - da sind die Netzbetreiber aber ohnehin vorsichtig. "Das mögen die Kirchen eigentlich nicht so gerne", erklärt Susanne Satzer-Spree, Sprecherin von Vodafone. Und Norbert Minwegen von T-Mobile West vermutet: "Dagegen würde sich doch jeder Christ wehren."
Wehren tun sich jedenfalls die Mobilfunk-Unternehmen. Denn dass die Masten Tarnung tragen, diene allein der besseren Optik oder dem Denkmalschutz. Und nicht dem Versteckspiel, sonst sägten die Netzbetreiber am Mast, auf dem sie selber sitzen. "Wir bauen ja nicht klammheimlich, sondern in Abstimmung mit den Kommunen", betont Satzer-Spree. Und Minwegen erklärt, die phantasievolle Gestaltung entstehe deshalb, "weil die Städte Verordnungen haben, die zum Beispiel für die Kölner Altstadt vorschreiben: Die Antenne muss wie ein Schweizer Kamin sein."
Kleine Antennen - kein Problem
Dagegen sagt Hans Ulrich-Raithel vom privaten Münchener Umweltinstitut: "Das Verstecken von Mobilfunkmasten in Kaminen geschieht häufig wegen Anwohnerprotesten." Skuk meint zu den Bäumen: "Durch die Vielzahl der Antennen ist man vielleicht beunruhigt - und wenn man so besser damit lebt." Der Design-Mast werde aber "immer nur als letzte Option verwendet".
Kleinantennen an Fassaden oder auf Litfasssäulen seien gang und gäbe, sagen die Mobilfunk-Sprecher. Eine Handy-Eiche oder D-Netz-Buche hätten allerdings weder T-Mobile noch Vodafone in Betrieb. Diese Tarnung wäre sowieso noch nicht vollkommen: Der Mast wirft im Herbst nicht die Blätter ab.
Rafael Heilin