Antarktis lüftet ihre Geheimnisse
Archivmeldung vom 08.10.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittUnter den Gletschern der Antarktis liegt ein weitverzweigtes Netz gigantischer Kanäle. Zu diesem Schluss kommt, laut einem Bericht von Boris Pawlischtschew bei Radio "Stimme Russlands", eine gemeinsame Untersuchung mehrerer britischer Universitäten. Die Forscher zweifeln nicht daran, dass sich diese Ströme auf irgendeine Weise auf den Umfang der Gletscherschicht und die Veränderungen des Wasserspiegels im Weltozean auswirken.
Pawlischtschew weiter: "Die Untersuchungen waren dem schwimmenden Filchner-Ronne-Schelfeis gewidmet. Es ist Teil der festen Eisplatte, die ins Weddell-Meer abrutscht. Die erhöhte Aufmerksamkeit für diese Gletscher rührt von der zunehmenden Verringerungen ihrer Fläche in den letzten Jahren her. Wie sich herausstellte, schmolz das Eis wegen warmer Strömungen, die es von unten auswaschen. Die Infrarotsensoren des NASA-Satelliten Terra und Flugzeugradare haben Flüsse ausgemacht, die sich vom Festland aus Hunderte Kilometer unter den Gletschern hinziehen und in den Ozean münden. Nach ihrer Stärke und Höhe sind sie mit dem Eiffelturm vergleichbar.
Die Wissenschaftler nehmen an, dass die Kanäle die Ströme von Schmelzwasser fortsetzen, die unter dem kontinentalen Teil der Antarktis entstehen. Beim Abgang vom Kontinent mischen sich die Ströme nicht mit dem Meereswasser. Süßwasser ist leichter als Salzwasser, es steigt nach oben, gleitet die untere Gletscherfläche entlang und schmilzt dort einen Fluss hinein. Nach Ansicht der Autoren der Entdeckung hängt von diesen Flüssen die Stabilität der Meeresgletscherfelder ab.
Russische Glaziologen haben schon lange vermutet, dass es solche Ströme geben muss, sagt Valeri Lukin, der stellvertretende Direktor des Arktis- und Antarktis-Forschungsinstituts des Russischen Wetterdienstes.
„Dass unter dem Gletscherwassersystem Kanäle existieren, wurde schon Ende der 1960er Jahre
festgestellt. Unser Wissenschaftler Igor Sotikow hat das mögliche Volumen des schmelzenden Eises an der unteren Oberfläche des Kontinental-Gletschers theoretisch errechnet. Er nahm an, dass das Wasser, das sich an der unteren Oberfläche des Gletschers durch seine Reibung am Felsuntergrund und durch den großen Druck bildet, diese Untergletscher-Wassersysteme hervorruft. Sie können nur in den Ozean abfließen.“
Nach den Worten von Valeri Lukin hängt das Schmelzen des kontinentalen Eispanzers nicht von der Temperatur der Außenwelt ab.
„Es hängt von der Stärke des Drucks ab, die mit der Dicke des Gletschers zusammenhängt. Und von
der Geschwindigkeit der Bewegung des Gletschers über den Felsuntergrund. Je größer die ist, desto größer ist die Reibungskraft, und dadurch schmilzt die untere Gletscheroberfläche. Aber das hat nichts mit einer globalen Erwärmung zu tun.“
Also haben auch die Flüsse unter dem Meeresteil der Gletscher nichts mit dem globalen Klima zu tun. Sie wurden von ganz anderen Ursachen hervorgerufen, darunter von der Wärme im aufgeheizten Erdmantel. Doch weil man jetzt weiß, wohin sie fließen und wo sie in den Ozean münden, wird es leichter sein, eine Karte der warmen Strömungen um die Antarktis zu erstellen. Und das heißt, dass
man das Verhalten des äußeren Teils der Meeresgletscher und der abgespaltenen Eisberge besser prognostizieren kann.
Die Wissenschaftler haben noch immer keine Antwort auf die Frage gegeben, warum das Schmelzen des Eises erst in den letzten Jahren stärker geworden ist, wenn es doch schon immer Untereisströmungen gegeben hat. Doch ihre Untersuchung hat die Theorie darüber bekräftigt, dass das hydrologische System der Antarktis weitaus komplexer ist, als es früher scheinen wollte."
Quelle: Text Boris Pawlischtschew - „Stimme Russlands"