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Kieler Atomaufsicht beklagt gravierende Sicherheitsmängel im Notstromsystem des AKW Brunsbüttel

Archivmeldung vom 15.01.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.01.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die vom Stromkonzern Vattenfall Europe beim Bundesumweltministerium beantragte Laufzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Brunsbüttel an der Elbe ist aus rechtlichen Gründen unmöglich und wegen ungelöster Sicherheitsprobleme des über 30 Jahre alten Siedewasserreaktors unverantwortlich. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) vor der morgigen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig hingewiesen.

Der Umweltorganisation wurde anonym ein 25 Seiten umfassender Bericht aus Schleswig-Holstein zugespielt, der gravierende Sicherheitsmängel in der Notstromversorgung des Atomkraftwerks ausweist, die bis heute nicht abgearbeitet sind. Verfasser des Projektberichts sind vier Experten der Reaktorsicherheitsabteilung der Kieler Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD), die für die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein zuständig ist. Die Überprüfung des Notstromsystems hatte Trauernicht in der Folge des schweren Störfalls im schwedischen Vattenfall-Reaktor Forsmark I im Juli 2006 in Auftrag gegeben. Er wurde bereits im November 2006 fertig gestellt.

Zentrales Problem in Brunsbüttel ist die mangelnde Trennung der Notstromstränge des Reaktors und der ihnen zugeordneten Not- und Nachkühlsysteme - im Technikerjargon ist von einem außergewöhnlich "hohen Vermaschungsgrad" die Rede, der nur unter großem zeitlichen und finanziellen Aufwand behoben werden könne. Das Notkühlsystem eines Atomkraftwerks soll im Fall eines Ausfalls der regulären Kühlung sicherstellen, dass der Reaktor kontrolliert heruntergefahren werden kann und die nach der Abschaltung weiter entstehende so genannte Nachwärme abgeführt wird. Andernfalls würde der Reaktorkern schmelzen, es käme zum Super-GAU. Notwendig wäre nach den Vorschlägen der Autoren des Berichts unter anderem die "Errichtung eines neuen Notstromgebäudes". Der Umbau würde nach Schätzungen der Experten etwa zwei Jahre in Anspruch. Für die "technische Anpassung des Anlagenzustands an die Anforderungen des derzeit gültigen Regelwerks" wird sogar ein "Realisierungszeitraum" von vier Jahren angesetzt.

"Der Siedewasserreaktor in Brunsbüttel stellt seit vielen Jahren das größte Sicherheitsrisiko in Norddeutschland dar", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Es sei "vollkommen unverantwortlich", dass Vattenfall ausgerechnet für dieses Atomkraftwerk eine Laufzeitverlängerung beantragt habe, die nach der Ablehnung durch den Bundesumweltminister nun auch noch gerichtlich eingeklagt werden solle. "Wir fragen die Vattenfall-Verantwortlichen und Ministerin Trauernicht, welche Konsequenzen bis heute aus den mehr als ein Jahr zurückliegenden gravierenden Erkenntnissen über die Sicherheitsdefizite im Notstromsystem des Atomkraftwerks Brunsbüttel gezogen wurden".

Baake forderte die Vattenfall-Verantwortlichen eindringlich auf, ihre Pläne zur Laufzeitverlängerung des Altreaktors aufzugeben. Andernfalls werde die "Welle der Stromkunden, die Vattenfall den Rücken kehren und sich Ökostrom-Versorgern zuwenden, weiter anschwellen".

In einem Schreiben an Trauernicht fragt Baake die Kieler Sozialministerin, ob sie beabsichtige, "Vattenfall ein Wiederanfahren (des derzeit abgeschalteten) Reaktors zu gestatten, ohne dass vorher alle in dem Bericht aus Ihrem Haus aufgezeigten Sicherheitsmängel beseitigt worden sind.

Baake erinnerte auch daran, dass die seit Juli 2001 - also seit sechseinhalb Jahren - andauernde Periodische Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) des Brunsbüttel-Meilers nach den Worten der Ministerin bis "Ende des Jahres 2007 komplett abgeschlossen sein" sollte (Pressemitteilung des Sozialministeriums vom 18. Juli 2007). Bisher wurde der Vollzug dieses Versprechens vom Kieler Ministerium nicht bestätigt.

Vattenfall habe seit dem Brunsbüttel-Krümmel Desaster im Sommer 2007 offenbar nichts dazu gelernt. Es sei "unerträglich, dass der Konzern gegen den Wortlaut des Atomgesetzes versuche, Stromkontingente aus dem gerichtlich gestoppten AKW Mülheim-Kärlich auf Brunsbüttel zu übertragen", sagte Baake. Im Atomausstiegsgesetz der rot-grünen Bundesregierung sind die Reaktoren, auf die Kilowattstunden aus Mülheim-Kärlich theoretisch übertragen werden können, in einer Fußnote ausdrücklich aufgeführt. Brunsbüttel gehört nicht dazu. Dieser Regelung hatten die Atomkraftwerksbetreiber seinerzeit in der Vereinbarung über den Atomkonsens zugestimmt.

Quelle: DUH

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