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Wenn Papageien Geschäfte machen: Goffini-Kakadus handeln mit Nüssen

Archivmeldung vom 14.03.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.03.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Die Leiterin des Goffini Labors Dr. Alice Auersperg mit ihren Goffini-Kakadus.
Quelle: Foto: Julia Auersperg (idw)
Die Leiterin des Goffini Labors Dr. Alice Auersperg mit ihren Goffini-Kakadus. Quelle: Foto: Julia Auersperg (idw)

Dem Team um Alice Auersperg vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien ist es in Tauschexperimenten gelungen, die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung bei Kakadus zu beobachten. Die Ergebnisse dieses Forschungsprojektes erscheinen aktuell im renommierten wissenschaftlichen Journal Biology Letters.

Der "Marktplatz" für die Kakadus: Die Hände der Experimenterin enthalten unterschiedliche Futterstücke.
Quelle: Foto: Alice Auersperg (idw)
Der "Marktplatz" für die Kakadus: Die Hände der Experimenterin enthalten unterschiedliche Futterstücke. Quelle: Foto: Alice Auersperg (idw)

Das "Stanford Marshmallow Experiment" sorgte in den 1970er Jahren für erstaunliche Erkenntnisse zu Selbstbeherrschung bei Kleinkindern: Die Kinder wurden vor die Entscheidung gestellt, einen Marshmallow entweder sofort zu essen, oder einige Zeit damit im Raum zu warten und damit einen weiteren Marshmallow als Belohnung zu "erwirtschaften". Die Studie zeigte, dass jene Kinder, die sich für das Warten entschieden, mehr Erfolg im Erwachsenenleben hatten als jene, die die Süßigkeit sofort verspeisten.

In der Kognitionswissenschaft gilt die Fähigkeit, auf eine verspätete Belohnung warten zu können, als höchst anspruchsvolle kognitive Leistung, denn sie setzt nicht nur direkte Impuls-Kontrolle voraus, sondern auch die Fähigkeit, den positiven Wert eines Gewinnes relativ zu dem Einsatz, der mit der gewarteten Zeitspanne einhergeht, zu bewerten. Gleichzeitig muss die Vertrauenswürdigkeit des Gegenübers eingeschätzt werden. Diese Eigenschaften werden als Vorgänger wirtschaftlicher Entscheidungskompetenz betrachtet und konnten im Tierreich bislang selten beobachtet werden. Nur wenige Tiere, typischerweise solche mit großen Gehirnen, können auf den sofortigen Verzehr von Futter für mehr als eine Minute verzichten, um damit "besseres" Futter als Belohnung zu erlangen.

Die Spekulationsgeschäfte der Goffini-Kakadus

ForscherInnen des Departments für Kognitionsbiologie der Universität Wien konnten diese bemerkenswerte Fähigkeit nun erstmals in Goffini-Kakadus, einer Spezies die erst kürzlich für ihre Fähigkeit, Werkzeuge zu bauen und zu benutzen, Schlagzeilen machte, beobachten. "Den Tieren wurde ein Stück Futter angeboten, das sie in den Schnabel nehmen sollten. Sie hatten die Gelegenheit, dieses Futter nach einem länger werdenden Zeitintervall direkt in die Hand des Experimenters zurückzugeben. Wenn es bis dahin noch nicht angeknabbert war, bekam der Vogel dafür entweder anderes Futter, das er noch lieber hatte als das erste, oder eine größere Menge des ersten Futters", erklärt Isabelle Laumer, die die Daten für das Experiment sammelte. "Obwohl wir als erstes Futter Pecannüsse verwendeten – die die Tiere sehr gerne mögen und normalerweise sofort essen würden – haben in diesem Versuch alle 14 Vögel bis zu 80 Sekunden gewartet, um dadurch noch besseres Futter, etwa Cashewnüsse, zu bekommen", berichtet Laumer.

Die Evolution der Selbstkontrolle

Alice Auersperg, Leiterin des Goffin Lab am Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien, sagt: "Die Goffinis handelten erstaunlicherweise wie Wirtschaftsagenten und entschieden sich sorgfältig und flexibel zwischen sofortigen und zukünftigen Gewinnen. Wesentlicher Faktor war dabei nicht nur die Länge der Wartezeit, sondern auch die Wertdifferenz zwischen dem 'Zahlungsmittel' und den zu erwerbenden 'Gütern': Sie tolerierten längere Wartezeiten und tauschten das erste Futter deutlich lieber gegen ihr Lieblingsfutter als gegen eines mit mittlerem Präferenzwert. In einem Kontrollversuch, in dem sie das bessere Futter zuerst bekamen, verweigerten sie den Handel." Ein weiterer Faktor scheint Auersperg bemerkenswert: "Menschen oder Affen hatten in ähnlichen Aufgaben den Vorteil, dass sie das erste Futter in der Hand halten konnten. Die Goffinis mussten das Futter jedoch in ihrem Schnabel aufbewahren – also direkt neben ihren Geschmacksorganen. Stellen Sie sich vor, Sie würden einem Kleinkind ein Keks in den Mund legen und ihm ein Stück Schokolade dafür in Aussicht stellen – und das Kind dürfte über eine Minute nicht an dem Keks knabbern“, schmunzelt sie.

"Bis vor kurzem ist man davon ausgegangen, dass Vögel keinerlei Selbstbeherrschung besitzen", so Thomas Bugnyar, der im Vorfeld ähnliche Studien an Raben und Krähen durchgeführt hat: "Wir konnten aber feststellen, dass Krähenvögel im Experiment auf weiteres Futter warten. Das führte zu Spekulationen über mögliche sozio-ökologische Bedingungen, die die Evolution solcher Fähigkeiten bedingen konnten. Um unsere Annahmen zu testen, brauchten wir kluge Vögel, die nur entfernt mit Rabenvögeln verwandt sind. Papageien dafür heranzuziehen war naheliegend – und die Ergebnisse mit den Goffinis zeigen, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden."

Quelle: Universität Wien (idw)

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