Herbizide werden nach Dürre schlechter abgebaut
Archivmeldung vom 02.09.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.09.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHitzerekorde und anhaltende Trockenheit wie in den Sommern 2003 und 2006 lassen nicht nur Pflanzen vertrocknen, auch Böden können dauerhaft geschädigt werden. Dies stellten Wissenschaftler des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit fest, die in einem Langzeitversuch die Fähigkeit von Böden untersuchen, das Herbizid Isoproturon abzubauen.
"Wir haben seit 1997 vier Böden im Freiland unter Beobachtung", erklärt Dr.
Reiner Schroll (Institut für Bodenökologie), "grundsätzlich ging es dabei um die
Frage, wie sich Isoproturon als Modellsubstanz für Pestizide in
unterschiedlichen Böden verhält".
Bis zum Sommer 2003 baute einer dieser
Böden Isoproturon besonders effektiv ab: die im Boden lebenden Mikroorganismen
mineralisierten innerhalb von etwa zwei Monaten bis zu 60 Prozent des
aufgebrachten Isoproturons. Nach der Trockenheit im Sommer 2003 brach die
Abbaukapazität dieses Bodens jedoch dramatisch ein. Insbesondere in den obersten
Zentimetern fand nur noch ein sehr geringfügiger Abbau statt.
"Trockenheit und Hitze führten zu tief greifenden Veränderungen in der
Zusammensetzung der mikrobiellen Lebensgemeinschaft, die auch durch langzeitiges
Wiederanfeuchten des Bodens vor den Untersuchungen nicht rückgängig gemacht
werden konnten", erklärt Schroll den drastischen Rückgang. Dabei sank zum einen
die absolute Zahl an Mikroorganismen, zum anderen änderte sich die
Artenzusammensetzung: Offensichtlich wurden gerade die Bakterien, die
Isoproturon abbauen, so stark geschädigt, dass sie im Oberboden praktisch
ausgestorben waren. Bis heute erholte sich der Boden nicht vollständig: Erneute
Untersuchungen im April 2006 ergaben eine Abbaukapazität von nur 15 Prozent des
aufgebrachten Isoproturons. "Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig
Langzeitexperimente sind", betont Schroll, "nur durch den Vergleich der
Abbaukapazität mehrerer Jahre fielen uns die Veränderungen auf".
Damit
ein Vergleich der Abbaukapazität über Vegetationsperioden hinaus überhaupt
möglich ist, müssen die verschiedenen Böden unter identischen Klima-Bedingungen
untersucht werden. Insbesondere der Boden-Wassergehalt spielt eine zentrale
Rolle, da er einerseits die Versorgung der Mikroorganismen mit Luft-Sauerstoff
beeinflusst und andererseits die Zufuhr mit Nährstoffen und abzubauenden
Chemikalien wie z.B. Pestiziden bestimmt. In Laborversuchen wurden daher alle
Bodenproben vor den Untersuchungen angefeuchtet. Für die mikrobielle Aktivität
ist nicht der absolute Wassergehalt entscheidend, sondern die Wasserspannung,
d.h. die Kraft, mit der das Wasser im Boden festgehalten wird. Allerdings war
bisher nicht bekannt, bei welcher Wasserspannung der optimale Abbau von
Substanzen zu erwarten ist und so musste dieser Wassergehalt empirisch für jeden
Boden einzeln bestimmt werden.
Bei diesen Untersuchungen machten die
GSF-Wissenschaftler eine weitere sehr interessante Entdeckung: "Unabhängig von
der Bodenart und abzubauender Substanz entfaltete sich die jeweils maximale
mikrobielle Abbau-Aktivität immer bei einer Wasserspannung von -0.015 Megapascal
- der Wert scheint eine Naturkonstante zu sein", betont Schroll. Bei dieser
Wasserspannung muss z.B. von den Bodenmikroorganismen lediglich ein Sog von etwa
0,15 Millibar aufgewendet werden, um Wasser aus dem Boden aufzunehmen -
Mikroorganismen lieben eine feuchte Umgebung.
Die Ergebnisse Schrolls
sind z.B. besonders umweltrelevant für den Ballungsraum München, da einer der
untersuchten Böden ein typischer Ackerboden ist, der für weite Bereiche der
Münchner Schotterebene repräsentativ ist. Wenn Herbizide hier nicht mehr
entsprechend abgebaut werden, können sie leichter nach unten verlagert werden
und eventuell ins Trinkwasser gelangen. Pflügen könnte dem entgegen wirken: Da
die tieferen Bodenschichten durch die Dürre nicht so stark beeinträchtigt
werden, hilft es unter Umständen, den Boden zu durchmischen und so entsprechende
Mikroorganismen wieder in den oberen Bodenbereichen anzusiedeln. "Denkbar wäre
bei sehr stark geschädigten Böden auch das gezielte Einbringen geeigneter
Mikroorganismen", erklärt Schroll, "beide Maßnahmen sind allerdings
arbeitsintensiver und etwas teurer als die Minimalbodenbearbeitung, die sich in
der Landwirtschaft zunehmend durchsetzt.
Wenn die Klimaschwankungen mit
ihren verschiedenen Auswirkungen jedoch noch weiter zunehmen - und dies lassen
Schätzungen von Kollegen sehr stark vermuten - dann muss von Seiten der
Forschung und der Landwirtschaft mit entsprechenden Gegenmaßnahmen reagiert
werden. Der Klimawandel ist leider eine Tatsache und diesem müssen wir uns
stellen."
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.