Jagd: Über Schädlingsbekämpfer, Füchse und Wildschweine
Archivmeldung vom 26.05.2021
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.05.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićIm Folgenden möchten wir Ihnen unsere Sicht auf einige Behauptungen von der Jägerseite darlegen. Die halten sich nämlich gerne für Artenschützer und Wildbestandsregulierer, behaupten Sie müssten anstelle "natürlicher Feinde" in den Fuchsbestand oder den der Wildschweine eingreifen. Nur als Schädlingsbekämpfer wollen sie sich nicht sehen.
1. Jagdverbände behaupten "Jäger sind keine Schädlingsbekämpfer"
Spätestens mit den ersten Drückjagden in den 1980er Jahren hat sich das Bild des Jägers grundlegend gewandelt. Die bis dahin weitgehend noch tierschutzkonforme Ansitzjagd auf das Reh oder die Wildsau war auf einmal nicht mehr das Non-Plus-Ultra. Insbesondere von den Staatsforsten und von manchem Waldbesitzer wurde nun die Parole "Wald-vor-Wild" ausgegeben. Den Waldbesitzern ging es jetzt darum, möglichst viele Hirsche und Rehe zu schießen. Die hat man nämlich schon damals als Waldschädlinge gebrandmarkt.
Von den Jagdverbänden kam diesbezüglich kein oder nur zaghafter Widerstand. Als im Jahr 2021 das Bundesjagdgesetz - mit dem Ziel noch mehr Rehe zu erschießen - novelliert werden sollte, hieß es zwar noch einmal z.B. vom Bayerischen Jagdverband, dass man sich entschieden (!) dagegen verwehre, dass Jäger in diesem Zusammenhang zu Schädlingsbekämpfern degradiert werden sollten. Dabei ist Bayern seit Mitte der 1980er Jahre ein Vorkämpfer für genau diese wildtierfeindliche Ideologie.
Spätestens mit der nahenden Afrikanischen Schweinepest im Jahr 2018 hat es der Deutsche Jagdverband dann wohl auch weitgehend widerstandslos akzeptiert, dass Wildschweine ganzjährig, ohne Schonzeit und ohne Rücksicht auf führende Elterntiere bejagt werden. Es sind noch nie so viele führungslose Frischlinge in den Winter- und Frühjahrsmonaten verhungert, wie in den letzten Jahren. Zwar sind die Jäger Maulhelden, wenn sie - wie ein Ex-Präsident des Deutschen Jagdverbandes - behaupten: "Aber eins muss klar sein, wir Jäger sind keine Schädlingsbekämpfer," Fakt ist aber, dass Jagdverbände über ihre Organe weiter dazu anstacheln, noch mehr Wildschweine zu erlegen, dass sie jeden Streckenrekord bejubeln und dass sie es sind, die die Jägerschaft zu Schädlingsbekämpfern degradiert.
Lesen Sie auch: Arme Sau - Tierschutz wird bei der Wildschweinjagd grob vernachlässigt
2. Jäger behaupten "Jagd sei Artenschutz"
Fakt ist, dass die Artenvielfalt nach Jagdverboten deutlich zunimmt. Jagdfreie Gebiete zeigen das. So ist im Kanton Genf, wo seit 1974 die Hobbyjagd abgeschafft ist, die Anzahl überwinternder Wasservögel so hoch wie nie zuvor.
Die Jagd hingegen will vor allen Dingen jagdbare Arten wie Rebhuhn, Fasan oder Feldhase erhalten. Natürliche Feinde wie Fuchs, Waschbär oder Marder hingegen werden von der Jagdlobby als Schädlinge gebrandmarkt und brutal bejagt. Aber dieser "Artenschutz" ist leicht zu durchschauen: Im Jagdjahr 2019/20 weist die Jagdstrecke hierzulande 1.877 Rebhühner aus, 108.081 Fasane und über 230.945 Feldhasen. Apropos Jagdstrecke, die sah vor 15 Jahren noch so aus: 11.745 Rebhühner, 445.267 Fasane, 552.882 Feldhasen. Fällt Ihnen etwas auf? Obwohl in diesen 15 Jahren etwa sechs Millionen Füchse plus Marder, plus Dachse, plus Waschbären u.a. gekillt wurden, ist der Bestand der zu schützenden Arten extrem zurückgegangen. In der Fläche kann die Jagd niemals zum Artenschutz oder gar zur Artenvielfalt auch nur beitragen.
Mehr dazu: Artenschutz mit der Flinte, Fuchsjagd ist kein Artenschutz
3. Jäger behaupten "Jagd reduziere Wildtierbestände und verhindere die Ausbreitung von Krankheiten"
Fakt ist, dass die Jagd nur die Bestände der Tierarten reduziert, die gefährdet oder stark gefährdet sind. Dazu gehören in Deutschland zum Beispiel die Rebhühner und die Feldhasen. Andere Wildtierarten wie etwa Füchse, Waschbären oder Wildschweine gleichen Verluste durch die Jagd durch mehr Nachwuchs und durch Zuwanderung aus. Jungtiere sind jedoch für Krankheiten besonders anfällig und schleppen sie bei der Reviersuche in andere Gebiete ein. So trägt die Jagd dazu bei, dass sich Krankheiten wie Räude oder Staupe oder der Befall mit dem Fuchsbandwurm sogar stärker ausbreiten. Das war so schon der Fall während der Tollwut ab de 1960er Jahren. Man dachte, durch die Jagd die Tollwut ausmerzen zu können. Erst spät hat man erkannt, dass die Jagd vielmehr zur Verbreitung der Krankheit führte. Erst durch Impfköder konnte man die Tollwut besiegen.
Zahlreiche Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass durch die Jagd letztlich nur die Sozialstrukturen von Fuchs, Waschbär und Co. zerstört und das Durchschnittsalter der Population gesenkt wird. Der Kanton Genf zeigt seit 1974, dass auch ohne Jagd der Bestand der Wildtiere nicht signifikant zunimmt. In Luxemburg ist die Fuchsjagd seit 2015 verboten, ohne dass der Fuchsbestand sich erhöht hat.
Mehr dazu: Fuchsjagd und Fuchsbandwurm , Jagd und Räude
4. Jäger behaupten, sie jagen Füchse, weil die "keine natürlichen Feinde haben"
Fakt ist, dass Füchse zwar natürliche Feinde haben - Wolf, Luchs, Uhu, Steinadler -, Füchse aber nur einen unerheblichen Anteil an deren Speiseplan ausmachen. Viele Füchse werden zudem Verkehrsopfer.
Fakt ist aber auch, dass sich die Bestände von Füchsen und anderen Beutegreifer selbst regulieren, ohne Überhand zu nehmen. Aktuellstes Beispiel ist das seit 2015 geltende Fuchsjagdverbot in Luxemburg: Die Zahl der Füchse ist bis dato nicht wesentlich angestiegen, weshalb das Fuchsjagdverbot guten Gewissens von Jahr zu Jahr verlängert wird. Hier hat man übrigens auch festgestellt, dass seit dem Fuchsjagdverbot der Befall der Füchse mit dem Fuchsbandwurm abgenommen hat. Im Kanton Genf werden Füchse seit 1974 nur in Ausnahmefällen gejagt und dennoch gibt es auch dort nicht zu viele Füchse.
Mehr dazu in unserem Artikel: Fuchsjagd wegen fehlender natürlicher Feinde?
5. Jäger behaupten, Jagd reduziere das Risiko des Bandwurmbefalls von Füchsen
Fakt ist zunächst einmal, dass die durch den Fuchsbandwurm übertragene Krankheit "alveoläre Echinokokkose" extrem selten ist. Deutschlandweit gibt es gemäß Robert-Koch-Institut durchschnittlich etwas über 30 Neuerkrankungen pro Jahr. Wahrscheinlicher ist es da, bei einem Jagdunfall zu Schaden zu kommen oder im Lotto einen Sechser zu haben. Die alveoläre Echinokokkose ist in Europa eine der seltensten Zoonosen (von Tieren übertragene Krankheit) überhaupt.
Die Befallsrate der Füchse mit dem Fuchsbandwurm durch die Jagd zu reduzieren ist quasi unmöglich. Eine aktuelle Studie aus 2017 des französischen Forschers Comté und seiner Kollegen belegt erneut, dass durch die Fuchsjagd die Befallsrate der Füchse erhöht und somit durch die Jagd das Risiko für den Menschen am Fuchsbandwurm zu erkranken sogar steigt. Dagegen geht die Befallsrate der Füchse in Luxemburg zurück, dort wird der Rotfuchs seit 2015 nicht mehr bejagt. Im Rahmen eines Feldversuches mit Wurmkuren am Starnberger See konnte der Befall mit dem Bandwurm allerdings gegen Null gebracht werden.
Mehr dazu in unserem Artikel: Intensive Fuchsjagd ist ein Krankheitsrisiko für Menschen
6. Jäger behaupten, durch die hohe Wildschweindichte steige das Risiko der Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest (ASP)
Fakt ist, dass in Deutschland niemand verlässlich sagen kann, wie viele Wildschweine es hierzulande gibt. . Von einer hohen Wildschweindichte zu sprechen ist also rein subjektiv. Als riskante Einschleppungswege für die ASP sieht das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) vor allen Dingen die illegale Einfuhr von infizierten Schweinen und von tierischen Nebenprodukten aus Osteuropa. Auch andere indirekte Übertragungswege (Fahrzeuge, kontaminierte Ausrüstungsgegenstände einschließlich Jagdausrüstung, landwirtschaftlich genutzte Geräte und Maschinen, Kleidung) sind ein Risiko. Die Wildschweindichte hat keine Auswirkung auf das Risiko der Einschleppung der ASP. Auch dort wo - wie in 2020/21 in Brandenburg und Sachsen bereits Wildschweine mit der Afrikanischen Schweinepest infiziert sind, bestätigt das FLI, dass die intensive Jagd sogar zu einer weiteren Verbreitung des Virus beiträgt.
Mehr dazu in unseren Artikeln über die Afrikanische Schweinepest
7. Jäger behaupten, Jagd reduziere den Bestand der Wildschweine
Fakt ist, dass sich Wildschweinbestände allein durch jagdliche Maßnahmen nicht reduzieren lassen. Das zeigt die Entwicklung der Zahl der erschossenen Wildschweine der letzten 40 Jahre und das belegt eine Studie der Europäischen Behörde für Nahrungsmittelsicherheit (EFSA) aus 2014.
Das, was Landwirtschaftsminister landauf landab propagieren, nämlich eine noch intensivere und tierquälerische Wildschweinejagd als bisher schon, ist nicht zielführend. Die Reproduktion von Wildschweinen ist kompensatorisch. Das bedeutet, dass zum Beispiel Verluste durch die Jagd durch mehr Nachwuchs kompensiert werden (einzelne Sauen bekommen mehr Jungtiere und diese beteiligen sich dann auch schon bald an der Vermehrung). Dass die Wildschweinejagd nicht funktioniert zeigen auch die Streckenzahlen: Im Jagdjahr 2016/17 zählte die Jagdstrecke über 589 Tausend Wildschweine, 2017/18 waren es über 836 Tausend, im Folgejahr fast 600 Tausend und in 2019/20 über 880 Tausend. Unabhängig von der Wildschweindichte ist die Hauptursache der Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest immer menschliches Handeln.
- Mehr dazu in unseren Artikeln über die Afrikanische Schweinepest
8. Kann man den Bestand der Wildschweine um 70 Prozent reduzieren, wie der Bauernverband das fordert?
Fakt ist, dass der Bauernverband, der diese unsinnige Forderung gestellt hat, überhaupt keine Kenntnis des aktuellen Bestands von Wildschweinen in Deutschland hat. Das weiß allerdings auch sonst keine Behörde. Nicht einmal der Deutsche Jagdverband. In "Die Zeit" vom 18.2.2018 wird der Lobbyverband mit seiner Schätzung von etwa 300.000 Wildschweinen in Deutschland quasi ausgelacht. Im gleichen Jagdjahr wurden letztlich über 836.000 Schwarzkittel getötet. In einem FAZ-Interview ist der ehemalige Präsident des Deutschen Jagdverbands, Hartwig Fischer, für 2017 noch von einem Bestand von 900.000 Tieren ausgegangen.
Man kann sich der Zahl der Wildschweine in Deutschland aber annähern. Die höchste bekannte Verringerung einer Wildschweinpopulation gelang in einem eingezäunten spanischen Jagdgebiet von 723 ha (Boadella et al., 2012). Trotz aller Ungewissheit hinsichtlich der Bestandmessung ging man von einer Reduzierung um 56,8 % aus. Bezogen auf eine Fläche wie Deutschland, entspricht die aktuelle Reduzierung der Zahl der Wildschweine vielleicht 40 %. Das hieße, es gab während der vergangenen vier Jagdjahre etwa 1,4 bis 2,2 Million Wildschweine in Deutschland. In den kommenden drei Jahren müsste man also - um die 70 %-Quote zu erfüllen - pro Jahr jeweils zwischen 1,1 und 1,6 Millionen dieser intelligenten Tiere abschießen - was illusorisch ist. Im Mittel der letzten 10 Jahre wurden pro Jahr etwa 620.000 Schwarzkittel niedergemetzelt.
- Mehr dazu in unseren Artikeln über die Afrikanische Schweinepest
9. Der Deutsche Jagdverband behauptet "Fallenjagd sei tierschutzgerecht"
Der Deutsche Jagdverband behauptet ja auch, die Jagd sei tierschutzgerecht - was sie in sehr vielen Fällen nicht ist. Fakt ist, dass Fallenjagd nicht tierschutzkonform ist. Auch legal aufgestellte Totschlagfallen fangen nicht selektiv, sondern gehen mit einem hohen Verletzungsrisiko einher für alle Tierarten, die sich Zugang zum Fangbunker verschaffen können.
Lebend fangende Fallen bedeuten Angst und Stress für das gefangene Tier - während des Aufenthalts im Fanggerät, während der Entnahme mit einem Schieber (mit dem z.B. der Fuchs unsanft in einen Fangkorb geschoben wird) und während der Hinrichtung im Fangkorb. Wie das Beispiel der Tötung einer Hauskatze, die Anfang 2021 in einer Falle in Bayern gefangen wurde, zeigt, ist es nicht immer der erste Schuss, der das Tier tötet.
Besonders brutal ist auch Jagd auf Fuchswelpen mittels Jungfuchsfallen. Die Jungtiere werden - bevor sie verhungern oder gekillt werden, bis zu sechs Tage von jeder Versorgung durch die Elterntiere abgeschnitten. Auch verhindert der Fallenjäger die Möglichkeit, dass die Welpen von der Fähe ausgegraben werden.
- Mehr dazu: Fallenjagdund Jungfuchsfallen
10. Jagdverbände behaupten, Jagd diene der Lebensmittelgewinnung
Ja, aus Reh, Hirsch oder Wildschwein kann man durchaus gute Lebensmittel gewinnen. Dieses Argument verwenden die Jagdverbände gerne, um der Jagd ein positives Image zu verpassen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn Fakt ist, dass von den etwa sechs bis sieben Millionen Tieren, die im Rahmen der Jagd jedes Jahr auf der Strecke bleiben, 50 Prozent überhaupt nicht verwertet werden. Etwa 3,5 Millionen Tiere landen bei der Tierkörperbeseitigung oder werden weggeworfen.
Das betrifft nicht nur Füchse, Dachse oder Wasservögel, es trifft auch auf einen Großteil der eingangs genannten Paarhufer (Schalenwild) zu. Viele Wildtiere werden auf Gesellschaftsjagden auch im Rahmen von u.E. nicht tierschutzkonformen Jagdmethoden getötet. Das Fleisch dieser Rehe oder Wildschweine ist nicht oder kaum verwertbar, weil es mit Stresshormonen durchsetzt ist und bitter schmeckt. In Süddeutschland ist immer noch ein hoher Anteil der Wildschweine radioaktiv verseucht. Der Grund dafür sind - 35 Jahre nach Tschernobyl - die hohen Bodenbelastungen mit Cäsium-137.
- Weitere Details in unserem Artikel: Über die Hälfte der Jagdstrecke wird nicht verwertet
Quelle: Wildtierschutz Deutschland e.V. (ots)