Deutsche Umwelthilfe kritisiert EU-Richtlinienvorschlag zu Fahrzeuglärm
Archivmeldung vom 13.12.2011
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtEU-Kommission legt Vorschlag zur Minderung von Fahrzeuggeräuschen vor - DUH nennt Entwurf "halbherzig" und fordert angesichts Millionen vom Straßenlärm betroffener Bürgerinnen und Bürger strengere Grenzwerte - Kommunen müssen beim Kampf gegen Fahrzeuggeräusche unterstützt werden - Richtlinienüberarbeitung auch zur Festlegung eines verbesserten Typprüfzyklus nutzen
Der in der vergangenen Woche veröffentlichte Entwurf einer neuen EU-Fahrzeuglärmrichtlinie schöpft heute bereits vorhandene Möglichkeiten zur technischen Lärmreduzierung nicht aus. Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) begrüßte zwar grundsätzlich die erste Überarbeitung der Lärmrichtlinie seit zwanzig Jahren, kritisierte den Vorschlag der EU-Kommission jedoch gleichzeitig als halbherzig. Die Umweltschutzorganisation forderte die Bundesregierung auf, sich im Zuge der noch andauernden Verhandlungen über den Vorschlag für einen "ambitionierten, wirksamen und zeitgemäßen Lärmschutz" einzusetzen.
Verkehrslärm ist das am weitesten verbreitete Umweltproblem in der EU. Allein in Deutschland sind 13 Millionen Bürgerinnen und Bürger von gesundheitsschädlichem Straßenverkehrslärm in ihrem Wohnumfeld betroffen - europaweit sind es sogar 200 Millionen Menschen. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Verschärfung der Grenzwerte für Lärmemissionen von Fahrzeugen kam erst nach jahrelangen Verzögerungen zustande. Die Richtlinie sieht nun über einen Zeitraum von fünf Jahren nach Inkrafttreten eine Lärmreduzierung für Pkw in zwei Stufen vor. Bis voraussichtlich 2013/14 muss die Geräuschentwicklung um zwei Dezibel gesenkt werden, drei Jahre später noch einmal um zwei weitere Dezibel. Unter Berücksichtigung der ebenfalls im Zuge der Revision geplanten Verbesserung der Typprüfungsmessmethode dürfen neue Fahrzeugtypen ab 2017 nur noch 68 dB(A) emittieren.
"Der Kommissionsvorschlag sollte zur Grundlage haben, was heute technisch möglich ist. Sonst führt er sich - angesichts der Dimension des Lärmproblems - schon vor seinem Inkrafttreten selbst ad absurdum", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Bereits heute erreicht ein Viertel der europäischen Neufahrzeuge den für 2017 vorgesehenen Grenzwert. Das Nachsehen hätten die von Verkehrslärm betroffenen Millionen Bürgerinnen und Bürger, die weiterhin dem Straßenlärm ausgesetzt blieben, aber auch Städte und Gemeinden, die alternative Lärmschutzmaßnahmen vornehmen und bezahlen müssten.
Das Bundesverkehrsministerium selbst hatte 2009 in seinem nationalen Verkehrslärmschutzpaket Minderungsziele festgelegt. Danach sollte der Straßenverkehrslärm bis 2020 um 30 Prozent bzw. 5 Dezibel in hochbelasteten Gebieten sinken. Dies ist nach Angaben des Ministeriums nur möglich, wenn strenge Grenzwerte für Fahrzeuge gelten. Die Reduktion von Lärm an der Quelle ist unstrittig die kostengünstigste und effizienteste Möglichkeit, um dem Problem Lärm zu begegnen. Die DUH sieht deshalb vor allem die Automobilbranche in der Pflicht, die notfalls mit Hilfe entsprechender Verordnungen zum Bau leiserer Fahrzeuge gezwungen werden müsse. Ergänzende Maßnahmen wie Lärmschutzwände, -fenster oder Ähnliches können nach Überzeugung der DUH nur als Notmaßnahmen helfen, um kurzfristig Abhilfe vor Verkehrslärm an vielbefahrenen Straßen zu schaffen. Die Kosten hierfür trügen die chronisch klammen Kommunen.
"Mit dem derzeit verhandelten Kommissionsvorschlag würden die deutschen Minderungsziele klar verfehlt", erläuterte Dorothee Saar, die Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH. Sie forderte die Bundesregierung auf, sich im Sinne ihrer eigenen Ziele zum Lärmschutz von 2009 in die EU-Debatte einzuschalten und auch auf einen straffen Zeitplan zu achten. Saar erinnerte daran, dass die Bundesregierung sich im Vorfeld der EU-Lärmschutzdebatte sogar für eine Erhöhung der Lärmgrenzwerte für übermotorisierte Pkw eingesetzt hatte. Sie warnte die Regierung in Berlin, "sich beim Lärmschutz erneut zum Handlanger der PS-Fraktion unter den Autoherstellern zu machen".
Die Revision der Fahrzeuglärmrichtlinie wird neben der Einführung neuer Grenzwerte auch für eine Überarbeitung der Prüfvorgaben für die Typzulassung genutzt. Dabei verweist die Kommission in ihrem vorliegenden Vorschlag für die neue Messmethode auf, nach Überzeugung der DUH unzureichende, Vereinbarungen hin, die in einer vorbereitenden Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen in Genf getroffen worden waren. "Wir fordern alle Beteiligten auf, jetzt auch die Chance für eine wirkliche Verbesserung des Typprüfzyklus für Geräusche zu nutzen", sagte Resch. Nur so könne sichergestellt werden, dass die bestehenden Schlupflöcher gestopft und eine realitätsnahe Typprüfung für die Zukunft entwickelt werde. Auf dem Prüfstand gemessene Lärmreduktionen müssten eins zu eins auch auf der Straße ankommen.
Quelle: Deutsche Umwelthilfe e.V.