Menschliche Mini-Leber statt Tierversuche
Archivmeldung vom 28.03.2017
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.03.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWissenschaftler der Technischen Universität Dortmund (IfADo) forschen an einer menschlichen Leber im Miniaturformat, an der man zukünftig die Giftigkeit von Substanzen testen könnte. Bisher müssen hierzulande für gesetzlich vorgeschriebene Giftigkeitstest noch über 600.000 Tiere jährlich ihr Leben lassen.
Um mit Verfahren wie diesen einer tierversuchsfreien Zukunft näher zu kommen, fordert der Bundesverband Menschen für Tierrechte eine umfassende Gesamtstrategie für eine tierleidfreie Wissenschaft. Ein ausführliches Interview zum Stand der in-vitro-Leberforschung veröffentlicht der Verband heute auf seiner Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs.
Wie erkenne ich, ob eine Substanz dem Körper schadet? Wie kann ich dies schnell und aussagekräftig mit Modellen auf Basis menschlicher Zellen ohne den Einsatz von Tieren feststellen? Diese Fragen stellt sich eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe der Abteilung Toxikologie unter der Leitung von Prof. Jan Hengstler am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund (IfADo).
Minileber auf Basis menschlicher Zellen
Dazu hat die Nachwuchsarbeitsgruppe, geleitet von Dr. Rosemarie Marchan, gemeinsam mit anderen Forschern, einen Microchip in der Größe eines Handys entwickelt. Dieser enthält unter anderem ein leberähnliches Zellsystem auf Basis menschlicher Zellen. Diese Miniorgane, sogenannte Organoide, leisten Stoffwechselfunktionen wie das echte Organ. Über ein Fließsystem auf dem Chip kann so beispielsweise die Wirkung von Medikamenten auf die Leber und das nachgeschaltete Zweitorgan untersucht werden. Die Forscher interessieren sich besonders für die Leber, weil sie das zentrale Organ des menschlichen Stoffwechsels ist. Sie liefert lebenswichtige Energie und entgiftet den Körper, indem sie Stoffwechselprodukte, Medikamente und Giftstoffe abbaut und ausscheidet. Damit ist die Leber das Organ, an dem die Giftigkeit von Substanzen am besten überprüft werden kann.
Multiorgan-Chip könnte zukünftig Tierversuche ersetzen
Doch was bringt dies den Tieren, die bisher in Giftigkeitstest eingesetzt werden? Im Jahr 2015 starben allein für gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche (1) 630.255 Tiere, dies waren mit 23 Prozent fast ein Viertel aller in Deutschland eingesetzten Tiere. Betroffen waren vor allem Ratten, aber auch Kaninchen, Javaneraffen und Hühner. Doch bevor die Miniorgane Tierversuche ersetzen können, müssen die einzelnen in-vitro Systeme perfektioniert und auf einem Chip zusammengeschaltet werden. Das langfristige Ziel ist es, mit einem Multiorgan-Chip die Physiologie des Menschen simulieren zu können. Der Chip könnte dann zuverlässig Tierversuche ersetzen, mit denen bisher Substanzen über 28 oder 90 Tage oder länger an Tieren getestet werden.
Dringend nötig: Masterplan für eine tierleidfreie Wissenschaft
"Tiere werden solange in Giftigkeitstests leiden und sterben, bis endlich mehr tierversuchsfreie Verfahren wie dieses entwickelt und in die Prüfvorschriften aufgenommen werden. Doch obwohl die Industrie ein großes Interesse an humanspezifischen Verfahren hat, forschen noch zu Wenige an tierfreien Methoden. Um dies zu ändern, muss die Politik endlich einen Masterplan für eine tierleidfreie Wissenschaft vorlegen", fordert Christina Ledermann, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte.
"InVitro+Jobs", das Wissenschaftsportal des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte zur Unterstützung der tierversuchsfreien Forschung, informiert in seiner Reihe "Arbeitsgruppe im Portrait" über Wissenschaftler und ihre innovativen Forschungsprojekte. Im Fokus stehen neu entwickelte Methoden, ihre Evaluation sowie der Ausblick, welche tierexperimentellen Versuchsansätze gemäß dem 3R-Prinzip (reduce, refine, replace) nach Möglichkeit reduziert und bestenfalls abgelöst werden können.
Um sich einen Eindruck zu verschaffen, wie weit die in vitro-Leberforschung derzeit ist, lesen Sie das ausführliche Interviews mit Prof. Dr. med. Jan Hengstler, Leiter der Abteilung Toxikologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund (IfADo) unter: www.invitrojobs.de
Quelle: Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.