"Whirlpool" am Nordseeboden
Archivmeldung vom 01.11.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMit dem Tauchboot JAGO konnten Meeresforscher des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) erstmals auf den Grund eines Gaskraters in der Nordsee abtauchen. Mit einer Reihe von videogeführten Langzeitobservatorien gelang es den Wissenschaftlern ferner, Methanaustritte in der mittleren und nördlichen Nordsee zu dokumentieren und zu beproben.
Das Forschungsschiff ALKOR des IFM-GEOMAR kehrt am Dienstag, den 31.10.06 unter
der Fahrtleitung von Dr. Olaf Pfannkuche mit aufregenden Forschungsergebnissen
von einer Reise in der Nordsee zurück. Ein wissenschaftlicher Höhepunkt der
Ausfahrt waren Tauchgänge in einen 20m tiefen Krater, der 1990 als Folge eines
missglückten Ölbohrversuchs entstanden war. Beim Anstechen eines großen, flachen
Gasreservoirs hatte sich damals ein so genannter "Blowout" ereignet, eine
Bezeichnung aus der Erdölindustrie für das unkontrollierte Entweichen von Gas
oder Öl. Die Eruption schuf einen Krater im Durchmesser von 75m auf dem Boden
der Nordsee.
Während Gasaustritte auf dem Meeresboden normalerweise kein
Gas direkt in die Atmosphäre entlassen, zeigten ein breiter Blasenteppich und
eine stark gekräuselte Meeresoberfläche einen unmittelbaren Fluss von Methan in
die Atmosphäre an. Mit dem bemannten Tauchboot JAGO gelang es den Kieler
Wissenschaftlern erstmals, direkt in den geheimnisvollen Krater, aus dem ein
ständiger Strom von Gasblasen aufsteigt, hinabzutauchen. Der starke Gassausstoß
erschwerte ein Eintauchen in das 20 m tiefe Loch. Doch nicht nur am Meeresgrund,
auch an der Oberfläche hatte die Mannschaft der ALKOR alle Hände voll zu tun,
das Schiff auf Position zu halten. "Es war eine echte Herausforderung, gegen die
aufsteigenden Strömungen anzukommen", kommentierte Tauchbootpilot Jürgen Schauer
vom IFM-GEOMAR die ungewöhnliche Mission. Beim Abtauchen wetteiferte das
Forschungstauchboot mit einem großen Schwarm an Seelachsen, die in dieser
Vertiefung Schutz und Nahrung finden.
Am Boden des Kraters tat sich vor
den Augen der Forscher ein atemberaubendes Szenario auf. Aus drei Hauptquellen
und zahlreichen Nebenquellen schoss das Gas mit hohem Druck aus dem Boden und
formte bizarre Blasenwirbel. Daneben gab es ca. 10 weitere Quellen
unterschiedlicher Stärke. Der Kraterboden war in zwei, etwa 6 Meter breite
Becken unterteilt und mit Steinen und Schalen von abgestorbenen Islandmuscheln
bedeckt. Zahlreiche Blumentiere und andere Organismen besiedeln den Hartboden.
An den langsamer strömenden Gasaustritten haben sich weiße schwefel-oxidierende
Bakterienmatten gebildet. "Es war ein Tauchgang in eine andere Welt", beschreibt
der Meeresforscher Dr. Peter Linke seine Erlebnisse. Trotz der Schwierigkeiten
gelang es dem Forscherteam aus Kiel, ein anspruchsvolles Beprobungsprogramm
durchzuführen.
Die erste Erkundung des "Blowouts" zeigt neue Perspektiven für die Langzeitbeobachtung von Gasaustritten in der Nordsee mit Hilfe von verankerten Instrumenten auf.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.