Spinnenreitende Insektenlarve in Bernstein entdeckt
Archivmeldung vom 05.04.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.04.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtEin Forscher des Museums für Naturkunde Berlin hat in Baltischem Bernstein die Insekten-Larve einer Fanghafte entdeckt, die sich von Spinneneiern ernährt und Huckepack auf einer Spinne sitzt, bis diese einen Kokon baut. Dieser besondere Fund weist das außergewöhnliche Verhalten erstmals bei Fossilien nach und zeigt, dass es bereits vor mehr als 44 Millionen Jahren entstanden ist.
Fanghafte (Mantispidae) sind eine exotische Gruppe von Netzflüglern (Neuroptera), die dank ihrer Fangvorderbeine wie kleine Gottesanbeterinnen aussehen. Diese Ähnlichkeit ist aber nur oberflächlich und ein Lehrbuchbeispiel für mehrfache Evolution ähnlicher Organe (Konvergenz).
Die meisten Fanghafte zeigen ein sehr ungewöhnliches Verhalten ihrer Larven. Diese ernähren sich ausschließlich von Spinneneiern oder Spinnenlarven, die sie in den Kokons von Wolfsspinnen und Verwandten aussaugen. Um solche Kokons zu finden, setzen manche Fanghafte eine besondere Strategie ein: Die Erstlingslarven sind sehr agil und schaffen es, ein Wolfsspinnenweibchen zu besteigen. An Bord der Spinne verbleiben sie solange, bis diese einen Kokon spinnt, in den die Larve danach eindringt. Dann kann die Spinnenmahlzeit beginnen. Die späteren Larvenstadien der Fanghafte sind dann madenartig und fressen sich bis zur Verpuppung fett. Solche spinnenreitenden Larven von Fanghaften können sogar die Häutung von Spinnen überstehen, indem sie sich in die Buchlungen der Spinnen zurückziehen und abwarten.
Dr. Michael Ohl vom Museum für Naturkunde in Berlin ist es nun gelungen, einen solchen „Spinnenreiter“ in Baltischem Bernstein nachzuweisen. Die Larve der Fanghafte sitzt auf dem Rücken einer Sackspinne (Clubionoidea) und wartet darauf, dass die Spinne einen Kokon baut.
Dieser Fund ist nicht nur ungewöhnlich, weil es die erste fossile Larve einer Fanghafte überhaupt ist, sondern auch, weil dies der direkte Nachweis für die Existenz einer besonderen Verhaltensstrategie vor 44 Millionen Jahren darstellt. Nur selten lässt sich Verhalten bei Fossilien nachweisen. Und nicht zuletzt ist dies auch der erste Nachweis von Fanghaften aus dem Baltischen Bernstein überhaupt.
Quelle: Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin