Klimawandel unter Satellitenbeobachtung - TU-Wissenschaftlerin erforscht Meeresspiegelveränderungen
Archivmeldung vom 05.03.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtSeit 1993 steigt der Meeresspiegel durchschnittlich um 3,1 Millimeter pro Jahr. Langzeitmessungen seit Anfang des 20. Jahrhunderts belegen zudem eine deutliche Beschleunigung des Anstiegs. Überflutungen und Landverluste sind nur einige der gravierenden Folgen. Die Geodätin Dr.-Ing. Luciana Fenoglio-Marc erforscht die Veränderung des Meeresspiegels und deren Ursachen mithilfe von Satellitenmessdaten.
Der menschliche Einfluss verändert die Strahlungsbilanz der Atmosphäre durch den Eintrag von Kohlendioxid (CO2), Methan und weiteren Gasen und bewirkt einen Temperaturanstieg und als Folge einen deutlichen Anstieg des Meeresspiegels.
Traditionell werden Meeresspiegelveränderungen über Pegelstand-messungen erfasst. Einige dieser Datenaufzeichnungen reichen zurück bis ins 19. Jahrhundert und liefern wichtige Erkenntnisse über die Entwicklung des Wasserstandes. Seit 1991 kann die Oberfläche der Ozeane global und um ein Vielfaches präziser über die Satellitenaltimetrie bestimmt werden. Satelliten senden hierbei ein Signal an die Meeresoberfläche und empfangen dessen Reflektion. Über die gemessene Laufzeit und die Position des Satelliten auf seiner Bahn kann die Meereshöhe errechnet werden. Während Pegelstanddaten Aufschluss über eine lokale Veränderung relativ zum Land bieten, können mittels Satelliten Daten in einem global einheitlichen Bezugssystem erfasst werden.
Dr.-Ing. Luciana Fenoglio-Marc, Wissenschaftlerin am Fachgebiet Physikalische Geodäsie und Satellitengeodäsie des Fachbereichs Bau- und Unweltingenieurwissenschaften der TU Darmstadt, setzt mit ihrer Forschung an diesem Verfahren an. Ihre Arbeit basiert auf Altimeterbeobachtungen in Verbindung mit Positionierungs- und Schwerefeldsatellitendaten. Ihr Ziel ist es, die Veränderung des Meeresspiegels mittels Satellitengeodäsie zu untersuchen und dessen Ursachen zu verstehen, um Messverfahren, Simulationen und Prognoseverfahren zu verbessern.
Schutz vor steigendem Wasserstand
Mit einem Anstieg des mittleren Meeresspiegels um jährlich etwa 3,1 Millimeter seit 1993 ist eine deutliche Zunahme im Vergleich zu vorherigen Messungen festzustellen, die einen Anstieg um etwa ein bis zwei Millimeter pro Jahr belegen. Ein weiterer globalen Meeresspiegelanstieg von 30 bis 70 Zentimetern bis Ende des 21. Jahrhunderts wird vom Weltklimarat IPCC in dessen 5. Report (IPCC AR5, 2013) unter der Annahme eines Szenarios mit mittleren Raten für die Erderwärmung vorhergesagt. Der Anstieg erfolgt nicht gleichmäßig, einige Regionen werden stärker als andere davon betroffen sein. Daraus können Überflutungen von Küstenregionen und steigende Grundwasserspiegel resultieren – eine Prognose, die eine zuverlässige Datenlage für den Umgang mit den daraus entstehenden Gefahren unerlässlich macht. Vor allem für tiefliegende Küstengebiete wie die deutsche Nordseeküste oder Inseln in den Tropen wird ein Anstieg erhebliche Anpassungen im Küstenschutz erfordern.
Fenoglio-Marc hat in ihren Forschungsprojekten zunächst Altimeterdaten in Küstennähe verbessert und mit lokalen geodätischen Messungen abgeglichen. Durch neue Analyseverfahren der Radarechos wurde der Einsatzbereich der Altimetrie wesentlich erweitert. In Kooperation mit der European Space Agency (ESA), der European Organisation for the Exploitation of Meteorological Satellites (EUMETSAT) und in engem Austausch mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BFG) und dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) konnte so eine Vielzahl an Daten wie Pegelstände, Windgeschwindigkeit und Wellenhöhen in der deutschen Bucht mit den Satellitendaten in Bezug gesetzt werden. „Dieser Datenaustausch ist ein großer Vorteil für die Analyse, Kalibrierung und Interpretation der Ergebnisse. Ein so reibungsloser Austausch ist nicht selbstverständlich und in vielen Fällen leider global nicht möglich“, so Fenoglio-Marc. Die Kombination von verschiedenen Altimeter-Missionen und Messungen aus den vergangenen Jahrzehnten erfordert ein hohes Maß an Anpassung der gewonnenen Daten und Berücksichtigung der jeweiligen Umgebungseinflüsse. „Dies kann nur in einer internationalen Zusammenarbeit wie die Climate Change Initiative der ESA, an der wir uns beteiligen, erreicht werden“ so Fenoglio-Marc. Dadurch kann eine deutliche Verbesserung in der Anbindung der Altimeterdaten an die Pegelstandmessungen erzielt werden – immer noch eine der größten Herausforderung der Altimetrie.
Ursachen für Meeresspiegelanstieg
Neben der Verbesserung der Altimeterdaten und der Quantifizierung des Meeresspiegelstandes stand für Fenoglio-Marc zudem die Frage nach den Ursachen der Veränderungen im Fokus ihrer Arbeiten.
Der globale Temperaturanstieg im Zuge des Klimawandels führt unter anderem zu einer Volumenzunahme des erwärmten Wassers und zu einem Massezuwachs durch abschmelzende kontinentale Eismassen. In beiden Fällen steigt der Meeresspiegel. Insgesamt sind zwischen 1993 und 2010 laut IPCC Report etwa 35 Prozent des Meeresspiegelanstiegs auf eine thermische Ausdehnung zurückzuführen, während etwa 45 Prozent auf Eisschmelze schließen lassen. Für weitere 20 Prozent ist noch unklar, inwieweit weitere Ursachen wie kontinentale Wasserspeicherung beteiligt sind.
Mithilfe eines weiteren Satellitenverfahrens, der Satellitengravimetrie, können Masseänderungen der Ozeane erfasst werden und zusammen mit den Ergebnissen der Altimetrie zeigen, welche Ursache des Meeresspiegelanstiegs in den jeweiligen Untersuchungsgebieten zugrunde liegt.
Fenoglio-Marc hat in einem neuen Ansatz im Rahmen eines Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eine direkte Abschätzung der Masseänderungen des Mittelmeers auf Grundlage von Daten der Satelliten-Gravimeter-Mission GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment) vorgenommen. Ihre Ergebnisse zeigen Masseveränderungen als Ursache des Meeresspiegelanstiegs von jährlich etwa 2,1 Millimetern seit 1993 im Mittelmeer. Das Programm erforderte einen integrierten Lösungsansatz, der nur durch disziplinübergreifende Datenanalysen und Modellbildungen erreicht werden konnte.
Eine grundlegende Erkenntnis bestätigt sich in den Forschungsarbeiten von Fenoglio-Marc immer wieder: Interdisziplinäre Studien und die zuverlässige Integration von Messergebnissen und Verfahren sind entscheidend, um Meeresspiegelveränderungen interpretieren und deren Ursachen bestimmen zu können.
Quelle: Technische Universität Darmstadt (idw)