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Umfrage: Sind Hobbyangler Tierquäler?

Archivmeldung vom 27.06.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.06.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Die Mehrheit der Bevölkerung findet die Hobbyfischerei akzeptabel.
Quelle: Foto: IGB/Alexander Schwab (idw)
Die Mehrheit der Bevölkerung findet die Hobbyfischerei akzeptabel. Quelle: Foto: IGB/Alexander Schwab (idw)

Die meisten Deutschen glauben, dass Fische Schmerzen empfinden können. Dennoch akzeptiert ein Großteil der Bevölkerung das Angeln aus moralischer Sicht, insbesondere wenn es zur Nahrungsbeschaffung oder zur Gewässerhege erfolgt. Auch das vom Angler selbstentschiedene Zurücksetzen von großen, entnahmefähigen Fischen nach dem Fang aus ökologischen Gründen hält das Gros der Bevölkerung für unproblematisch. Das und vieles mehr ergab eine repräsentative Umfrage zur Einstellung der Bevölkerung in Deutschland zum Tierschutz in der Angelfischerei, die vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) gemeinsam mit der Humboldt-Universität vorgelegt wurde.

Ein Hecht wird zurückgesetzt.
Quelle: Foto: IGB/Thomas Klefoth (idw)
Ein Hecht wird zurückgesetzt. Quelle: Foto: IGB/Thomas Klefoth (idw)

Rund 7 % der Deutschen angeln regelmäßig in ihrer Freizeit. Zugleich ist die Angelfischerei durch das Tierschutzgesetz streng reglementiert. Vor allem das Angeln ohne sogenannten vernünftigen Grund ist tierschutzrechtlich verboten, wenn dadurch Fischen Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Doch der Teufel steckt im Detail. So gibt verschiedenste Ansichten über die guten Gründe, die das Hobbyangeln legitimieren. Zudem ist sich die Wissenschaft bezüglich der Schmerz- und Leidensfähigkeit von Fischen uneinig. Dr. Carsten Riepe (IGB) und Prof. Dr. Robert Arlinghaus (IGB und Humboldt-Universität zu Berlin) bilden mit Hilfe ihrer nun publizierten repräsentativen Umfrage erstmals die Stimme der Bevölkerung in Deutschland zum Thema Angeln und Tierschutz ab. Die wichtigsten Ergebnisse können auf Basis von über 1000 zufällig in ganz Deutschland ausgewählten Befragten folgendermaßen zusammengefasst werden:

1. Angeln ist positiver besetzt als die Freizeitjagd

Nur ein Fünftel der Deutschen lehnt das Angeln aus moralischen Gründen ab. Für die Mehrzahl der Befragten (61 %) ist das Angeln als Freizeitbeschäftigung positiv oder neutral besetzt. Ein Angelverbot würde mehrheitlich nicht unterstützt werden. Im Vergleich dazu wird die Jagd deutlich negativer bewertet.

2. Fische können Schmerzen empfinden, aber wohl begründetes Angeln wird akzeptiert

Die meisten Befragten glauben, dass eine Forelle Schmerz empfinden kann. Auch sind über 40 % der Deutschen der Meinung, dass das Angeln für Fische schmerzhaft ist. Dennoch findet die große Mehrheit der Bevölkerung die Hobbyfischerei akzeptabel, insbesondere wenn sie zur Nahrungsbeschaffung (62 % Zustimmung) oder als ökologische Hegemaßnahme (69 % Zustimmung) erfolgt. Die ethische Bewertung des Angelns orientiert sich dabei vor allem an der Intention des Fischenden und weniger daran, was dem Fisch an der Angel passiert. 88 % der Befragten finden es moralisch völlig akzeptabel, Fisch zu essen.

3. Es besteht kein besonders dringender Bedarf zur Verbesserung des Tierschutzes beim Hobbyangeln

Tierschutz ist ein wichtiges Thema in der Gesellschaft. Doch wird von der Mehrheit der Bevölkerung (74 %) kein dringender Bedarf gesehen, den Tierschutz in der Freizeitfischerei zu verbessern. Eine Verbesserung des Tierschutzes wird in anderen Bereichen der Mensch-Tier-Interaktion, wie z.B. in der Versuchstierhaltung oder in der Landwirtschaft, als viel wichtiger empfunden.

4. Gegenwärtig bereits verbotene Praktiken wie Wettangeln und der Einsatz lebender Köderfische sind nicht akzeptiert, Put-and-Take-Angeln und die Verwendung von Setzkeschern sind hingegen okay.

Die hierzulande verbotenen Formen des Wettangelns ohne Verwertungsabsicht und die Verwendung lebender Köderfische werden von der Mehrheit der Befragten rigoros abgelehnt. Gleiches gilt für das ebenfalls unerlaubte, nicht waidgerechte Töten von Fischen durch Erstickenlassen. Beim Put-and-Take-Angeln besetzen die Betreiber kommerzieller Angelteiche schlachtreife Fische, welche Kunden für ein Entgelt wieder herausangeln können. Auch diese Praktik ist in Deutschland aus Tierschutzsicht kritisch diskutiert. Tatsächlich aber hat die Mehrheit der Befragten kein Problem damit (51 % finden es völlig akzeptabel, 29 % stehen der Praktik neutral gegenüber, 20 % lehnen dies ab). Ganz ähnlich verhält es sich mit der Verwendung von Setzkeschern. Diese werden eingesetzt, um gefangene Fische lebend im Gewässer zu halten, bis sie weiter verwertet werden. Ihr Einsatz wird von der Mehrheit der Bevölkerung als unproblematisch angesehen.

5. Ökologische Gründe rechtfertigen Catch-and-Release entnahmefähiger Fische

Als Catch-and-Release-Angeln (Fangen und Zurücksetzen) bezeichnet man eine Angelpraxis, bei der Fische, die groß genug und legal entnahmefähig sind, nach dem Fang wieder in das Gewässer zurückgesetzt werden. Da in Deutschland das Angeln vor allem mit dem vernünftigen Grund der Verzehrabsicht toleriert wird, gibt es in einigen Bundesländern die Regelung, dass prinzipiell entnahmefähige Fische nach dem Fang entnommen werden müssen. Mit anderen Worten: Es herrscht ein Entnahmegebot und ein Zurücksetzverbot. Die Mehrzahl der Bürger steht einem selektiven Zurücksetzen aus ökologischen Gründen nach Selbstermessen des Anglers jedoch positiv gegenüber – zum Beispiel, um kleinen Fischen das Heranwachsen in den Bestand zu ermöglichen (78 % Zustimmung) oder um große Laichfische für den Bestand zu erhalten (65 % Zustimmung). Gesellschaftlich weniger akzeptiert ist es, wenn das Zurücksetzen zur Selbstprofilierung genutzt wird, beispielsweise um anderen Anglern den Wiederfang zu ermöglichen. 56 % der Befragten finden dies verwerflich. Doch auch ein totales Zurücksetzen aller Fische wird nur von 40 % der Bevölkerung abgelehnt. Die Gesellschaft hat damit eine moderatere Einstellung zum Catch-and-Release als viele Veterinär- und Fischereibehörden oder zahlreiche Tierschutz- und Angelfischereiverbände.

Insgesamt zeigt die Studie, dass Gesetzgeber, Behörden und Angelverbände das Tierschutzgesetz in vielen Fällen gemäß der allgemeinen Bevölkerungsmeinung zum Angeln in Deutschland auslegen. Doch gibt es auch überdenkenswerte Bestimmungen. Insbesondere die gegenwärtig weitverbreitete Entnahmepflicht ist für den Bestandsschutz aus ökologischen Gründen kontraproduktiv. Eine liberalere Regelung, die selektives Zurücksetzen von ökologisch bedeutsamen großen Fischen ermöglicht, würde aus Sicht der Bevölkerung grünes Licht erhalten und auch den Beständen zu Gute kommen.

Die Ergebnisse dieser repräsentativen Bevölkerungsbefragung sind in der Reihe „Berichte des IGB“ unter dem Titel „Einstellungen der Bevölkerung in Deutschland zum Tierschutz in der Angelfischerei" erschienen. Der Bericht steht unter www.besatz-fisch.de zum Download bereit. Insgesamt wurden 1043 zufällig ausgewählte Personen ab 14 Jahren befragt. Die Antwortquote aller ausgewählten Personen betrug über 72 %. Die Datensammlung und -auswertung wurde durch die am IGB angesiedelten Projekte Adaptfish (gefördert im Rahmen des Pakts für Innovation und Forschung durch die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gemeinschaft) sowie Besatzfisch (gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung) ermöglicht.

Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V. (idw)

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