Exakte Warnungen vor Tornados sind nicht möglich
Archivmeldung vom 05.08.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.08.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittTornados wie in der vorletzten Nacht im nordfranzösischen Hautmont gehören weltweit zu den folgenreichsten Wettergefahren. Immer wieder sind wie jetzt in Frankreich Opfer zu beklagen und entstehen große Sachschäden. In den vergangenen Jahren haben auch in Deutschland Tornados für Schlagzeilen gesorgt.
Dramatische Fälle wie im Sommer 2004 in Micheln oder im März 2006 in
Hamburg schufen in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die
Gefahren dieser Unwetter. Auch am gestrigen Morgen gab es in Birkenau
in Südhessen Wetterschäden, die möglicherweise einem Tornado
zugeordnet werden können. Um Menschenleben zu retten und Schäden zu
vermindern weist der Deutsche Wetterdienst (DWD) in seinem
Warnmanagement frühzeitig auch auf Tornadorisiken hin. Tornados
treten vor allem in der sommerlichen Gewittersaison auf. Sie sind
sehr kleinräumig und haben oft nur eine Lebensdauer von wenigen
Minuten. Deshalb sind grundsätzlich keine exakten Warnungen vor
Tornados möglich, so Andreas Friedrich, Tornadobeauftragter des
nationalen Wetterdienstes.
Ein Tornado ist mit einer horizontalen Ausdehnung von meist wenigen
hundert Metern so klein, dass er weder vom Wetterradar noch von
Satelliten erkannt werden kann. Auch die engmaschigsten Wet
tervorhersagemodelle mit einer Auflösung von zwei bis drei Kilome-
tern - wie sie der DWD nutzt - können Tornados nicht vorhersagen.
Deshalb versuchen die Meteorologen den Tornados indirekt auf die
Spur zu kommen. Friedrich: Mit unseren ganz Deutschland abdeckenden Wetterradars versuchen wir die als Auslöser von Tornados
bekannten rotierenden Gewitterwolken zu erfassen. Uns liegen alle
fünf Minuten aktuelle Radarbilder für ganz Deutschland vor.
Warnhinweise auf Tornadorisiken bis zu 18 Stunden im Voraus
Prognostizieren die Wettervorhersagen für Tornados typische Gewitterwolken und Windverhältnisse, verbreitet der DWD in seinen regionalen Warnlageberichten Hinweise auf Tornadorisiken. Gewarnt wird
maximal 18 Stunden im Voraus. Die Berichte können im Internetangebot des DWD unter www.dwd.de/warnungen abgerufen werden.
Um vor unmittelbar drohenden Tornados warnen zu können, reichen
Radarinformationen nicht aus. Entscheidend sind direkte Beobachtungen von dünnen, rotierenden Wolkenschläuchen, die noch nicht den
Erdboden erreicht haben, oder von ausgebildeten Tornados. Denn sind
bei Gewittern solche Erscheinungen bereits aufgetreten, besteht in
den folgenden 15 bis 60 Minuten höchste Tornadogefahr. Liegt dem DWD
eine Augenbeobachtung rechtzeitig vor und wird eine rotierende
Gewitterwolke durch das aktuelle Radarbild bestätigt, gibt der DWD
sofort eine Unwetterwarnung mit Hinweis auf aktuelle Tornadogefahr
heraus. Dies erfolgte zum Beispiel vergangenen Freitag für die
Region Bamberg aufgrund einer Augenbeobachtung und des Radarbilds.
Die Warnung geht direkt an die Katastrophenschutzbehörden und die
Medien. Gewarnt wird für einzelne Landkreise. Friedrich: Wenn
unsere Warnung vor Ort sofort weitergegeben wird, können gefährdete
Gebiete noch rechtzeitig alarmiert und Leben gerettet werden -
obwohl oft nur wenige Minuten zum Handeln bleiben.
Angesichts der großen Bedeutung von Augenbeobachtungen für die
Warnung vor Tornados arbeitet der DWD eng mit dem Verein Skywarn
Deutschland e.V. zusammen. Dessen geschulte Sturmjäger geben ihre
Unwetterbeobachtungen per Handy an den DWD weiter. Auch die Polizei,
Feuerwehren sowie Rettungs- und Hilfsorganisationen unterstützen als
Unwettermelder den DWD. Alle Bürger können ihre
Unwetterbeobachtungen unter www.dwd.de/unwettermeldung in einen
Meldebogen eintragen und an den DWD senden. Sie liegen dann sofort
bei den Meteorologen zur Auswertung auf dem Tisch.
Rotierende Gewitterwolken können Tornados erzeugen
Obwohl Meteorologen seit Jahrzehnten Tornados erforschen, ist immer
noch nicht eindeutig geklärt, wie sie entstehen. Eine bekannte
Voraussetzung für die Entstehung starker Tornados sind seltene, um
eine vertikale Achse rotierende Gewitterwolken. Diese sogenannten
Superzellen haben einen Durchmesser von 20 bis 30 Kilometern. Hinzu
kommen muss eine bodennahe Wolkenuntergrenze der Superzelle sowie
eine Zunahme der Windgeschwindigkeit und eine Änderung der
Windrichtung vom Boden bis in etwa sechs Kilometer Höhe. Erst dann
herrschen geeignete Voraussetzungen für die Entstehung von Tornados.
Allerdings erzeugen höchstens zehn Prozent aller Superzellen
Tornados. Sehr kurzlebige und meist deutlich schwächere Tornados
treten in Deutschland auch unabhängig von Superzellen auf. Durch
starke Änderungen der Windgeschwindigkeit und der Windrichtung bis
in etwa ein Kilometer Höhe können sich solche Tornados auch unter
normalen Schauerwolken bilden.
Schwächere Tornados, die nur geringere Schäden verursachen, bleiben
in vielen Fällen heute noch unentdeckt. Der DWD schätzt, dass in
Deutschland mehrere Dutzend Fälle pro Jahr auftreten. Stärkere
Tornados mit großer Zerstörungskraft sind in Deutschland selten. Im
Mittel rechnen die Meteorologen mit etwa zehn Fällen im Jahr. Ob die
Zahl der Tornados in Deutschland zugenommen hat, ist laut DWD
aufgrund der Dunkelziffern in der Vergangenheit nicht nachweisbar.
Die Zukunftsszenarien der Klimaforscher weisen darauf hin, dass es in Deutschland bis zum Jahr 2050 im Sommer zunehmend längere Trocken- oder Hitzeperioden geben könnte - häufig unterbrochen durch heftige Kaltlufteinbrüche mit schweren Unwettern. Friedrich: Diese Szenarien sprechen nicht generell für eine Zunahme von Tornados in Deutschland, da lange Trockenperioden das Tornadorisiko mindern. Kommt es allerdings im Sommer zu immer heftigeren Gewittern, wächst das Risiko sehr zerstörerischer Tornados.
Quelle: DWD