"Science"-Artikel: Forscher aus Halle finden genetische Grundlage für Sozialverhalten bei Bienen
Archivmeldung vom 16.05.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Sozialverhalten von Bienen ist nicht von einem einzigen Gen abhängig, sondern von einem hochkomplexen Zusammenspiel mehrere Genverbunde. Das hat ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Wissenschaftlern der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) herausgefunden. Die Forscher haben zehn Bienen-Genome analysiert und miteinander verglichen, um herauszufinden, ob es gemeinsame genetische Grundlagen für das Sozialverhalten unterschiedlicher Bienenarten gibt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit wurden gestern Abend im renommierten Wissenschaftsjournal „Science“ veröffentlicht.
Für ihre Studie haben die Wissenschaftler aus Europa, Asien und Amerika das Erbgut von zehn Bienenarten verglichen, die unterschiedliche Grade an Sozialverhalten aufzeigen. „Während zum Beispiel einige Wildbienen ihr Leben als Einsiedlerbienen bestreiten, haben andere Bienenvölker hochkomplexe Sozialstrukturen entwickelt, in denen unter anderem eine Arbeitsteilung herrscht", erklärt Prof. Dr. Robin Moritz vom Institut für Biologie der MLU. Die Studie, die am Donnerstagabend in „Science" veröffentlicht wurde, entstand unter Federführung der University of Illinois at Urbana-Champaign und unter Beteiligung zahlreicher internationaler Forschungseinrichtungen, zu denen auch die MLU gehört. Für ihre Arbeit haben die Wissenschaftler fünf bereits entschlüsselte Bienen-Genome verwendet und auch das Erbgut fünf weiterer Bienenarten erstmals sequenziert.
Zur Überraschung der Forscher stellte sich heraus, dass auch bei komplexen sozialen Organisationen nicht immer dieselben Gene aktiv sind. „Es gibt nicht das eine Gen, das Bienen sozial macht", fasst Moritz die Studie zusammen. Stattdessen ließen sich Muster in den regulatorische Netzwerken finden, die für die Aktivität verschiedener Gene zuständig sind. Diese Netzwerke stellen eine Art Verbund mehrerer Gene dar, die zusammen an- oder abgeschaltet werden. Je komplexer die soziale Organisation der Bienen ist, desto größer das Netzwerk an gemeinsam regulierten Genen.
Weiterhin stellten die Forscher fest, dass mit einem zunehmenden Grad der sozialen Organisation die Zahl so genannter Transkriptionsfaktor-Bindestellen zunimmt. Diese Bindestellen sind für die Regulation, also das An- und Abschalten, einzelner Gene notwendig. Auch die Methylierung von Genen nimmt bei komplexen Sozialformen zu. Dabei handelt es sich um einen Mechanismus zur Regulation, der beeinflusst, ob ein Gen aktiviert wird oder nicht.
Die halleschen Biologen um Robin Moritz haben innerhalb des Projekts die verschiedenen Bienen-Genome auf so genannte springende Gene untersucht. „Das sind DNA-Abschnitte, die ihre Position im Genom verändern, also in andere Gene hineinspringen und diese zum Beispiel deaktivieren können", erklärt PD Dr Michael Lattorff, der ebenfalls am Institut für Biologie arbeitet. In sozial komplexeren Bienenarten konnten die Forscher weniger dieser Elemente nachweisen. Ob dies die Ursache für eine komplexe soziale Organisation, oder eine Folge davon ist, ist dabei noch nicht abschließend geklärt. Prof. Dr. Martin Hasselmann von der Universität Hohenheim, ein Alumnus der MLU, war ebenfalls Teil des internationalen Teams. Er beschäftigte sich mit seiner Arbeitsgruppe vor allem mit Genen, die Einfluss auf die Geschlechtsbestimmung der Bienen haben.
Die Arbeitsgruppen von Robin Moritz, Michael Lattorff und Martin Hasselmann waren auch an weiteren Publikationen beteiligt, die im Fachjournal „Genome Biology" erschienen sind. In diesen Studien haben sie sich speziell mit dem Genom der dunklen Erdhummel (Bombus terrestris) und der in Nordamerika beheimateten östlichen Hummel (Bombus impatiens) befasst und deren Genome entschlüsselt. In einer Publikation haben die Forscher das Erbgut der beiden Hummeln mit dem der nah verwandten Honigbiene verglichen. Die andere Veröffentlichung analysiert das Immunsystem von Hummeln und dessen genetische Grundlagen im Hinblick auf deren Sozialverhalten.
Quelle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (idw)