Der Geruchssinn der Fruchtfliegen
Archivmeldung vom 24.11.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer Nationale Latsis-Preis 2015 geht an den Biologen Richard Benton für seine Arbeit über den Geruchssinn der Fruchtfliege. Aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht er, wie chemische Signale das Verhalten von Insekten steuern.
Wie Gerüche eine Handlung auslösen, ist eine Grundfrage der Neurowissenschaften. Richard Benton, ausserordentlicher Professor am Centre intégratif de génomique der Universität Lausanne, verfolgt die molekularen Spuren chemischer Signale von der Nase bis ins Hirn von Insekten. In Anerkennung seiner Arbeit verleiht ihm der Schweizerische Nationalfonds im Auftrag der Latsis-Stiftung den Nationalen Latsis-Preis 2015.
Der 38-jähige Wissenschaftler konzentriert sich in seiner Arbeit auf die Fruchtfliege Drosophila melanogaster, die heimische Essigfliege. Er erforscht die molekulare Logik der chemischen Signale, die es den Insekten möglich macht, Verwandte, Partner, Konkurrenten, Beute und Räuber voneinander zu unterscheiden.
Zu diesem Zweck identifiziert er die Rezeptoren in der Nase und die Neuronen im Hirn, die auf Informationen vom Geruchssinn der Insekten reagieren. Benton will genau nachvollziehen, wie eine Substanz in definierte Hirnregion aktiviert und dadurch ein bestimmtes Verhalten herbeiführt.
Parallelen zum Menschen
"Obwohl die Nase der Fruchtfliege viel einfacher ist als unsere, ist die Geruchswahrnehmung von Insekten unserer Wahrnehmung überraschend ähnlich", erklärt Benton. "Das zeigt sich in der Organisation der neuronalen Schaltkreise und wie sie auf Gerüche ansprechen." Die Fruchtfliege bringt uns deshalb auch dem Verständnis von neuronalen Schaltkreisen in einem komplexeren Gehirn näher.
Bentons Forschungsgruppe interessiert sich insbesondere dafür, wie Pheromone erkannt werden. Wie viele andere Tiere setzen Insekten chemische Signale ein, um Wege oder ein Territorium zu markieren und auch um Gefahren zu signalisieren. Der britische Forscher studiert die molekularen Pfade der Wahrnehmung von Pheromonen, um zu erklären, wie diese wichtigen chemischen Signale auch in allerkleinsten Mengen erkannt werden und wie sie entsprechende Reaktionen auslösen.
Benton interessiert sich auch für die Evolution neuronaler Systeme über tausende von Generationen, durch die Tiere ihr Verhalten an eine veränderte Umwelt anpassen. So gibt es zum Beispiel Fruchtfliegenarten, die sich von einer einzigen Art Frucht ernähren. Diese Spezialisierung führt zu Veränderungen in den Genen der Geruchsrezeptoren und der Verknüpfung von Neuronen im Hirn. Durch das Verständnis der genetischen Veränderungen, die hinter den Anpassungen der Struktur und Funktion der neuronalen Kreisläufe stehen, lernen die Forschenden, wie Gehirne funktionieren.
Schädliche Insekten bekämpfen
Die Studien fördern aber nicht nur das neurowissenschaftliche Grundlagenwissen. "Ein kleiner Schritt genügt, um die Grundlagen-forschung meiner Gruppe in der Praxis anzuwenden", sagt Benton.
Mit dem Wissen der molekularen Basis des Geruchssinns, können Forschende das Verhalten von Insekten in der freien Natur beeinflussen. Die Resultate mit der heimischen Fruchtfliege helfen so möglicherweise die eingeschleppte Kirschessigfliege (Drosophila suzukii), die Trauben- und Erdbeerernten beschädigt, zu bekämpfen.
"Die Resultate unserer Forschung können auch zur Bekämpfung menschlicher Krankheiten beitragen."» Malaria, Denguefieber und auch die Schlafkrankheit werden von blutsaugenden Insekten wie Mücken und Tsetsefliegen übertragen, die sich bei der Suche nach Wirten vom Geruchssinn leiten lassen.
Quelle: Schweizerischer Nationalfonds SNF (idw)