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Warum die Spermien von Fruchtfliegen riesig sind

Archivmeldung vom 28.05.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.05.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Drosophila-Fruchtfliegen bei der Paarung
Quelle: Bild: Stefan Lüpold, UZH (idw)
Drosophila-Fruchtfliegen bei der Paarung Quelle: Bild: Stefan Lüpold, UZH (idw)

Die Fruchtfliege Drosophila bifurca ist bloss wenige Millimeter gross, produziert aber knapp sechs Zentimeter lange Spermien. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Universität Zürich liefert nun erstmals eine schlüssige Erklärung für die Evolution solcher Riesenspermien. Einerseits können grössere Spermien ihre kleineren Konkurrenten aus dem Geschlechtstrakt der Weibchen verdrängen – ein Wettbewerbsvorteil bei der Befruchtung der Eier. Andererseits steigt durch den häufigen Partnerwechsel der Weibchen der Fortpflanzungserfolg grösserer Männchen, da diese mehr der längeren Spermien produzieren als kleinere Artgenossen.

Im Tierreich sind Spermien meist deutlich kleiner als Eier, so können viel mehr von ihnen produziert werden. Viele kleine Spermien erhöhen in der Regel die Wahrscheinlichkeit für den Fortpflanzungserfolg. Denn paaren sich Weibchen mit mehreren Männchen, nimmt mit steigender Anzahl die Konkurrenz unter den Spermien von unterschiedlichen Männchen zu, um die wenigen Eier zu befruchten. Diese Spermienkonkurrenz kurbelt wiederum die sexuelle Selektion nach der Paarung an – also die Auslese der besten unter den Spermien im weiblichen Sexualtrakt.

Es ist daher sehr erstaunlich, dass die Männchen gewisser Tierarten nur sehr wenige, dafür sehr grosse Spermien herstellen. «Rekordhalter ist Drosophila bifurca: Obwohl die Fruchtfliege bloss wenige Millimeter gross ist, erreichen ihre Spermien eine beeindruckende Länge von knapp sechs Zentimetern», sagt Stefan Lüpold, Evolutionsbiologe an der Universität Zürich. Solche Beispiele widersprechen jedoch dem gängigen Verständnis sexueller Selektion. Denn je weniger Spermien um die Befruchtung eines Eies wetteifern, desto geringer wird der Selektionsdruck auf die Spermien, erfolgreicher zu sein als die Konkurrenten. Werden wie bei der Fruchtfliege bloss ein paar wenige Spermien an die Weibchen übertragen, müsste die Selektion abgeschwächt oder gar unterbunden werden – und damit auch die Evolution länger werdender Spermien.

Sexuelle Selektion wirkt auf die Spermienlänge besonders stark

Nun liefert eine Studie in der Zeitschrift «Nature» unter der Federführung von Stefan Lüpold erstmals eine Erklärung für die Entwicklung solcher Riesenspermien. Zusammen mit Scott Pitnick und weiteren Wissenschaftlern der Syracuse University und der George Washington University in den USA konnte er zeigen, dass bei Fruchtfliegen die sexuelle Selektion auf die Spermienlänge besonders stark wirkt. Dazu kombinierten die Wissenschaftler experimentelle, quantitative genetische und vergleichende Untersuchungen von geschlechtsspezifischen Eigenschaften in verschiedenen Drosophila-Arten.

Dabei zeigte sich, dass einerseits verschiedene Merkmale und Abläufe der Spermienaufnahme, -speicherung und -nutzung im weiblichen Geschlechtstrakt längere Spermien bevorzugen. Doch je länger die Spermien werden, desto kleiner wird deren Anzahl. So müssen sich die Weibchen öfter paaren, um die Befruchtung ihrer Eier sicherzustellen. Bei jeder Paarung kommt wiederum die sexuelle Selektion durch Spermienkonkurrenz ins Spiel. «Zum Beispiel können bei Fruchtfliegen längere Spermien ihre kürzeren Konkurrenten recht erfolgreich aus dem weiblichen Geschlechtstrakt verdrängen und gewinnen so einen Vorteil im Wettstreit um die Eier. Die sexuelle Selektion begünstigt also längere Spermien», erläutert Stefan Lüpold.

Weibchen bevorzugen grössere Männchen mit mehr Spermien

Andererseits wird die Spermienlänge durch die weiblichen Präferenzen vor der Paarung beeinflusst. Kleine Männchen können weniger in die Spermienproduktion investieren und haben dadurch ihre Spermienreserven bereits nach wenigen Paarungen aufgebraucht. Nur die von den Weibchen bevorzugten grossen und gesunden Männchen können trotz der erhöhten Energiekosten für längere Spermien auch mehr davon produzieren. Dadurch profitieren nur sie von den häufigeren Paarungsmöglichkeiten. Dank des erhöhten Fortpflanzungserfolgs können sich die Gene für längere Spermien in der Population ausbreiten, was letztlich zu immer längeren Spermien führt. Durch diesen Zusammenhang kann die sexuelle Selektion aufrechterhalten oder gar verstärkt werden, auch wenn letztlich nur wenige Spermien um die Befruchtung wetteifern.

Diese neuen Erkenntnisse zeigen, dass das allgemeine Verständnis der sexuellen Selektion erweitert werden muss. Spermien unterliegen letztlich ähnlichen Prozessen wie andere männliche Geschlechtsmerkmale – beispielsweise Hörner, um Rivalen abzuschrecken, und Körperschmuck, um Weibchen anzuziehen. «Im Vergleich zu diesen und zahlreichen anderen grossen Geschlechtsmerkmalen sind die Spermien der Fruchtfliegen das wohl extremste Beispiel im Tierreich», findet Erstautor Stefan Lüpold. Bei Drosophila bifurca sind sie etwa zwanzig Mal so lang wie die Männchen selbst und werden daher aufgerollt in kleine Knäuel übertragen.

Quelle: Universität Zürich (idw)

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