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Pflanzen halten sich Pilz-Untermieter nach Bedarf

Archivmeldung vom 17.03.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.03.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Mikroskopischer Ausschnitt einer Arabidopsis thaliana-Wurzel (violett), die mit Pilzgeflecht von Colletotrichum tofieldiae (grün) umgeben ist. Quelle: MPI f. Pflanzenzüchtungsforschung (idw)
Mikroskopischer Ausschnitt einer Arabidopsis thaliana-Wurzel (violett), die mit Pilzgeflecht von Colletotrichum tofieldiae (grün) umgeben ist. Quelle: MPI f. Pflanzenzüchtungsforschung (idw)

Pflanzen wachsen und gedeihen nur, wenn sie an lösliches Phosphat im Boden herankommen. Gebundenes Phosphat können sie nicht ohne fremde Hilfe nutzen. Die meisten Pflanzen halten sich deshalb eine Mykorrhiza, - ein Pilzgeflecht an der Wurzel, das sie mit wichtigen Nährstoffen versorgt und im Gegenzug dafür Kohlenstoffe aus der Fotosynthese erhält.

Arabidopsis gehört zu den wenigen Pflanzen, die keine Mykorrhiza haben. Stattdessen unterhält diese Art eine Symbiose mit dem Bodenpilz Colletotrichum tofieldiae. Dieser Pilz besiedelt Arabidopsis über die Wurzel, wo er sich in und zwischen den Wurzelzellen aufhält. Im Boden überführt er unlösliches Phosphat in lösliches Phosphat und gibt es über das Pilzgeflecht in der Wurzel an seinen Wirt ab, der es für das Pflanzenwachstum nutzt. „Das gedeihliche Miteinander von Arabidopsis und Colletotrichum hat uns zunächst überrascht, weil diese Pilzfamilie fast überall als Krankheitserreger auftritt sagt Paul Schulze-Lefert, Direktor am Kölner Max-Planck-Institut. Allein beim Mais verursacht ein Verwandter Ernteeinbußen in Milliardenhöhe. Wir wollten daher wissen, warum Colletotrichum tofieldiae Arabidopsis nicht krank macht.“

Immunsystem passt sich an Phosphat-Versorgung an

Weil Schulze-Lefert und sein Team den Pilz aus einer Arabidopsis-Pflanze im spanischen Hochland isoliert haben und er an anderen Standorten nicht zu finden war, vermuteten sie von Anfang an, dass die Symbiose etwas mit den Standortbedingungen zu tun hat. Im spanischen Hochland ist nämlich kaum lösliches Phosphat im Boden vorhanden. Die Kölner Wissenschaftler konnten zeigen, dass das angeborene Immunsystem an der Symbiose beteiligt ist und den Pilz nur dann als Untermieter in der Wurzel akzeptiert, wenn Arabidopsis nicht alleine an Phosphat herankommt. Bei guter Phosphatversorgung initiiert sie eine massive Immunantwort. „Das ist ein fantastisch reguliertes System“, sagt Schulze-Lefert. „Fremd ist also nicht immer fremd, sondern nur unter bestimmten Umständen. Das ist eine ganz neue Sicht auf das Immunsystem.“

Die Wissenschaftler konnten des Weiteren zeigen, welche Prozesse dafür verantwortlich sind. Einer ist die sogenannte „Phosphat Starvation Response“. Mit diesem Regelwerk misst die Pflanze die Verfügbarkeit von Phosphat im Boden und gibt diese Information an einen Schaltkreis weiter, der das Pflanzenwachstum beschleunigt oder bremst. Wenn das lösliche Phosphat bei Arabidopsis knapp wird, stellt es dem Bodenpilz eine Eintrittskarte in die Pflanzenwurzel aus.

Der zweite beteiligte Prozess ist der Syntheseweg zur Bildung von Senfölglykosiden. Bei den Kreuzblütlern, zu denen Arabidopsis, Raps, Senf und Meerrechtich gehören, sind diese für den scharfen und bitteren Geschmack verantwortlich und Teil des angeborenen Immunsystems. Schulze-Lefert und seine Kollegen konnten zeigen, dass Colletotrichum tofieldiae für Arabidopsis zum lebensbedrohlichen Schädling wird, wenn dieser Syntheseweg ausfällt. Die gebildeten Glykoside sind also Teil der gedämpften Immunabwehr, die dem Pilz seine Grenzen als Untermieter aufzeigt.

„Arabidopsis-Pflanzen entscheiden über ihr anstehendes Verhältnis zu ihrem Untermieter, indem sie ihr Immunsystem mit dem Messfühler für die Phosphatversorgung verbinden“, sagt Schulze-Lefert. „Das ist eine elegante Lösung, mit der die Aufgabenbereiche des Immunsystems um den Bereich der externen Nährstoffversorgung unter Mangelbedingungen erweitert werden. Das ist bisher so noch nicht im Pflanzenreich beobachtet worden.“

Helfer für den einen, Krankheitserreger für den anderen

Die Max-Planck-Forscher wollen als Nächstes klären, welche Moleküle die Kommunikation zwischen Nährstoffversorgung und Immunsystem steuern und wie dieser Entscheidungsprozess organisiert wird. Die einzige Art unter den Kreuzblütlern, die keine Senfölglykoside bildet – das Hirtentäschel – kann den Pilz nicht tolerieren. Für das Hirtentäschel ist er ein tödlicher Krankheitserreger. Mit dem Fortfall des Synthesewegs fehlt dieser Art offensichtlich die molekulare Grundlage für das gedeihliche Miteinander.

Die Ergebnisse sind aber auch in anderer Hinsicht bemerkenswert. Während gesunde Pflanzen von einer bakteriellen Lebensgemeinschaft mit geordneten Verwandtschaftsverhältnissen besiedelt werden, scheint es bei den Pilz-Untermietern wenig Abstimmung zu geben. Man könnte sogar glauben, dass die einzelnen Pilz-Arten rein zufällig in den Pflanzen vorhanden sind, weil sich keinerlei Systematik erkennen lässt. „Wir haben jetzt gezeigt, dass ein Pilz den wir zufällig gefunden haben, sich dort nicht zufällig aufgehalten hat“, sagt Schulze-Lefert. „Er dient Arabidopsis als Ersatz für die fehlende Mykorrhiza. Ohne ihn würde Arabidopsis auf Phosphat-Mangelböden nur geringe Überlebenschancen haben. Das wechselseitige Miteinander ist für beide ein Vorteil, aber nur so lange es die Bedingungen hergeben.“

Quelle: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. (idw)

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