Rabattpunkte für leere Shampooflaschen
Archivmeldung vom 12.07.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakDer Preis für Erdöl klettert von einem Rekord zum nächsten, und mit ihm steigen die Preise für leere Joghurtbecher und Shampooflaschen, aus denen neuer Kunststoff entsteht.
Bald könnte sich dies auch für fleißige Müllsortierer auszahlen: Die Kölner Reclay-Gruppe will die Parkplätze deutscher Supermarktketten zu Sammelstellen für Plastikabfälle aufrüsten. Zwei Ketten hätten schon Interesse angemeldet, sagte Martin Schürmann, einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter von Reclay, der F.A.Z. Vor den Läden sollen große Rücknahmeautomaten aufgestellt werden, in denen die Kunden ihre Altverpackungen entsorgen können. Zur Belohnung winken Rabattgutschriften auf der elektronischen Kundenkarte und andere Anreize, zum Beispiel die Teilnahme an Verlosungen.
Das norwegische Unternehmen Tomra, Marktführer für automatische Rücknahmesysteme, soll die Maschinen liefern. „Unsere Gespräche sind auf gutem Weg; im kommenden Jahr könnte es losgehen“, so Schürmann. Bei Tomra Deutschland ist man noch etwas zurückhaltender. Ein Start 2009 ist denkbar. „Aber es gibt noch viele Fragen, die gelöst werden müssen“, sagte ein Sprecher. Ein vergleichbares System betreibt Tomra zusammen mit der Supermarktkette Tesco bereits in Großbritannien. In riesigen, mehr als 10 Meter langen Automaten können die Verbraucher dort - ebenfalls belohnt durch Gutschriften auf ihrer Payback-Karte - sowohl Glas- als auch Kunststoffverpackungen zurückgeben.
Wenn die Kunden wie erwartet mitspielen, könnte sich die Sache rechnen
„Wir müssen genügend Kunden davon überzeugen, dass sie die hochwertigen Kunststoffe nicht länger in den gelben Sack stecken, sondern in die Automaten“, meinte Raffael Fruscio, der zweite geschäftsführende Gesellschafter von Reclay. Die Tomra-Maschinen sollen die Kunststoffabfälle gleich in verschiedene Sorten vorsortieren, um die spätere Aufarbeitung zu erleichtern und die Kosten zu senken. Je nach Bedarf könnten bis zu neun unterschiedliche Fraktionen abgetrennt werden, sagte der Tomra-Sprecher. Interessant wird die neue Konkurrenz zur gelben Tonne durch eine Änderung der deutschen Verpackungsverordnung. Die Novelle verpflichtet die Hersteller, sämtliche Verpackungen, die an Endverbraucher verkauft werden, bei einem dualen System für die spätere Entsorgung anzumelden. Die dafür fälligen Gebühren lassen sich jedoch nachträglich um diejenigen Mengen drücken, die nachweislich am Ort des Verkaufs eingesammelt und ordnungsgemäß verwertet worden sind.
ie Kölner wollen die Organisation dieser Dienstleistungen übernehmen und dafür neben den Verwertungserlösen möglichst auch einen Teil der eingesparten Lizenzgebühren als Honorar einstreichen. Wenn die Kunden wie erwartet mitspielen, könnte sich die Sache rechnen: Da sie den Müll selbst zu den Sortierpunkten karren, sinken auf jeden Fall die sonst anfallenden Sammelkosten. Noch günstiger würde das Kalkül, wenn es zusätzlich gelingt, nur besonders „hochwertige“ Kunststoffabfälle anzulocken. Mit weiter steigenden Preisen setzt Reclay daneben auf die Erlöse aus der Verwertung des Kunststoffmaterials. In der Anlaufphase werde sich der Handel aber zusätzlich mit einer kleinen Miete an den Kosten der Maschinen beteiligen müssen.
Alternative zur gelben Tonne
Gigantische Mengen kämen mit der neuen Sammelvariante nicht zusammen. Aber sie bilde eine möglicherweise entwicklungsfähige Alternative zur gelben Tonne, meinte Schürmann. Mit ihrem bundesweit zugelassenen dualen System „Redual“ haben sich die beiden Unternehmensgründer in wenigen Monaten ein dickes Stück vom Entsorgungskuchen abgeschnitten. Der Marktanteil liege bei mehr als 5 Prozent; rund 50 Millionen Euro Umsatz würden dieses Jahr aus dem Systemgeschäft erwartet. Schon 2009 wollen sie ihren Marktanteil auf 8 bis 10 Prozent steigern. Der frühere Monopolist Duales System Deutschland (DSD) kommt noch immer auf knapp 60 Prozent des Marktes und scheint sich nach Einschätzung von Fruscio und Schürmann dort auch zu halten. Die Wechselbereitschaft der beim DSD verbliebenen Kunden sei jedenfalls sehr gering. Umso heftiger tobt der Wettbewerb zwischen den übrigen Anbietern dualer Systeme. Insgesamt neun sind auf dem Markt, doch mehr als eine Handvoll wird wohl nicht übrig bleiben. Schürmann glaubt, dass noch in diesem Jahr die ersten Konkurrenten aufgeben werden, weil sie im Preiskampf nicht mehr mithalten können.
Redual ist der jüngste Spross der Reclay Holding GmbH, die wiederum aus einem vor sechs Jahren gegründeten Beratungsunternehmen für Entsorgungsfragen hervorgegangen ist. Die Tochtergesellschaft Liz AG übernimmt für Unternehmen der Konsumgüterindustrie die komplette Abwicklung ihrer gesetzlichen Entsorgungsverpflichtungen und den Einkauf der dafür benötigten Leistungen. Als Curanus firmiert bei Reclay die Sparte Selbstentsorgung: Mit Schwerpunkt in der Lebensmittelindustrie organisiert sie die Entsorgung von Verpackungsabfall, der im Gewerbe und bei Großverbrauchern anfällt. Das junge Unternehmen ist seit der Gründung dynamisch gewachsen. Für 2008 wird eine Steigerung des Umsatzes von 64 auf 90 Millionen Euro erwartet; 2009 sollen es 120 Millionen Euro sein. Den Betriebsgewinn vor Steuern (Ebit) geben Fruscio und Schürmann mit 20 Millionen Euro für 2007 an. Knapp 90 Mitarbeiter verdienen ihr Geld inzwischen bei der Reclay-Gruppe, die meisten davon am Hauptsitz in Köln, für den gerade eine weitere Etage in einem Bürohaus am Messekreisel angemietet worden ist.
Fruscio und Schürmann denken über den Einstieg in mehrere neue Geschäftsfelder nach. Vor allem zieht sie der Preisanstieg in den Handel mit Sekundärrohstoffen. Rund die Hälfte der Mengen, die über das eigene duale System anfallen, würden schon jetzt in eigener Regie vermarktet, statt sie den Entsorgungspartnern zu überlassen. Als Plattform für den internationalen Rohstoffhandel dient das Schweizer Unternehmen Waste & Energy Management AG (WEM) mit Sitz in Rotkreuz. Fruscio und Schürmann hatten es im April mehrheitlich übernommen. Jetzt richtet sich der Blick auf eigene Sortier- und Verwertungsanlagen. „Wir prüfen intensiv den Kauf von mehreren Anlagen“, sagte Schürmann. Die Finanzierung ist offenbar kein Problem. „Das wird aus dem Cashflow gemacht“, meint Schürmann dazu nur.