Retter der Kokosnuss - ein taxonomischer Streitfall
Archivmeldung vom 27.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittErbinformation des Virus, das Palmen-Nashornkäfer tötet, wird untersucht. Korrekte Klassifizierung von Insektenviren ist Voraussetzung, um Wirksamkeit biologischer Pflanzenschutzverfahren besser zu verstehen.
Vor mehr als 40 Jahren trat ein an der Biologischen Bundesanstalt für Land- und
Forstwirtschaft (BBA) entdecktes Virus seinen Siegeszug gegen den gefürchteten
Palmen-Nashornkäfer (Oryctes rhinoceros) an. Der Käfer schädigt Kokospalmen, die
in Tropengebieten für Lebensunterhalt und Export von großer Bedeutung sind.
Während das Virus in der Natur seinen Platz als Gegenspieler des
Palmen-Nashornkäfers gefunden hat, ist sein Platz im Stammbaum der Viren bisher
ungewiss. Die Untersuchung der kompletten Gene des Oryctes Baculovirus soll nun
Aufschluss darüber geben. Dr. Johannes Jehle vom Dienstleistungszentrum
Ländlicher Raum Rheinpfalz in Neustadt a.d.W. leitet ein von der DFG
finanziertes Forschungsprojekt. Das Institut für biologischen Pflanzenschutz der
BBA in Darmstadt unterstützt ihn mit dem schwer zu gewinnenden
Probenmaterial.
Im Labor der BBA-Wissenschaftlerin Dr. Regina Kleespies
schwebt der süßliche Geruch des Todes. 26 mutmaßlich infizierte Käfer trafen in
den vergangenen Wochen aus Malaysia bei ihr ein. Da sich die Viren im Darm der
lebenden Käfer entwickeln, präparierte sie nach dem Ableben der Käfer den
Darmtrakt heraus und untersuchte die Proben am Elektronenmikroskop auf Viren.
"Leider sind wir nur bei sechs Tieren fündig geworden und wissen nicht, ob die
Virusmenge unserem Kollegen in Neustadt ausreicht", sagt Dr. Kleespies.
Vorsichtshalber hat die Wissenschaftlerin Nachschub aus Malaysia angefordert,
dem Land, in dem 1963 der Ur-Virustyp entdeckt wurde.
"Das Virus ist
nicht nur für die Bekämpfung des Nashornkäfers in den Tropen wichtig", betont
Dr. Jehle. "Das -Virus ist ein fehlendes Glied - eine Art missing link -
zwischen verwandten Viren, die Grillen, Moskitos, Blattwespen und schädliche
Schmetterlingsarten befallen und bei uns als biologische Pflanzenschutzmittel
eingesetzt werden. Die korrekte Klassifizierung dieser Insektenviren ist eine
Voraussetzung, um die Wirksamkeit von Insektiziden besser zu verstehen. Dies ist
für die Zulassung der Viren als biologische Pflanzenschutzmittel von Bedeutung
und nützt mittelbar dem Landwirt, dem Verbraucher und der Umwelt. Nachdem
bereits ein Drittel der Gene des Nashornkäfervirus sequenziert wurde, zeichnet
sich ab, dass die Wissenschaftler vermutlich einer neuen Virusfamilie auf der
Spur sind.
Hintergrundinformation zum Nashornkäfer-Virus:
Seit nunmehr
35 Jahren sorgt Oryctes Baculovirus in Kokospalmenanbaugebieten dafür, dass der
Nashornkäfer unter der wirtschaftlichen Schadensschwelle bleibt. Da sich das
Virus im Darm des Käfers vermehrt, werden die erwachsenen Käfer selbst zu
fliegenden Virusfabriken. Sie verbreiten im Schneeballverfahren das Virus mit
ihrem Kot weiter. Das Virus war 1963 von dem BBA-Wissenschaftler von Dr. Alois
Huger im Darm der Käferlarven entdeckt worden. Der Virus-Entdecker entwickelte
in den Folgejahren ein wirtschaftliches und effizientes Bekämpfungsverfahren. Es
gilt heute als Meilenstein der biologischen Bekämpfung von Schadinsekten.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.