Innovation als Reaktion auf den Klimawandel: Bordeaux lässt sechs neue Rebsorten zu
Archivmeldung vom 12.04.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićUmfangreiche weinbauliche Innovationen sind Bordeaux` Antwort auf den Klimawandel. Um den Stil der Weine trotz Klimaveränderungen wie steigende Temperaturen, länger andauernde Hitzewellen und kürzere Reifezyklen zu gewährleisten, wurden nun insgesamt sechs neue rote und weiße Rebsorten zugelassen. Die französische Weinregion ist damit eine der führenden im Umgang mit den Herausforderungen des Klimawandels.
Anbaumethoden und -techniken
Schon seit einigen Jahren wenden die Winzer in Bordeaux verschiedene önologische und landwirtschaftliche Praktiken an, um sich an den Klimawandel anzupassen. Dazu gehören Maßnahmen wie
- ein verzögerter Rebschnitt und die Erhöhung der Stammhöhe der Reben, um die Blattfläche zu reduzieren.
- Begrenzung des Ausdünnens der Blätter, um die Trauben vor der Sonne zu schützen.
- Anpassung der Parzellenstandorte, um Wasserstress zu minimieren.
- eine nächtliche Ernte bei kühleren Temperaturen
- Verringerung der Pflanzendichte
Nun dürfen die Winzer auch neue Rebsorten anbauen, um den Verbrauchern weiterhin aromatische, ausgewogene Qualitätsweine anbieten zu können. Das Institut National de l'Origine et de la Qualité (INAO) als Teil des französischen Landwirtschaftsministeriums hat die Verwendung von vier neuen roten und zwei neuen weißen Rebsorten in der Region Bordeaux genehmigt. Dies ist der Höhepunkt von mehr als zehn Jahren Forschung von Weinwissenschaftlern und Winzern aus Bordeaux. Ziel war es, das Verhalten unterschiedlicher Rebsorten unter den in Bordeaux herrschenden Bedingungen zu erforschen. Untersucht wurden 52 Sorten, zugelassen letztendlich nur sechs. Bei den Rotweinen handelt es sich um Arinarnoa, Castets, Marselan und Touriga Nacional. Die neuen weißen Rebsorten sind Alvarinho und Liliorila. In diesem Frühjahr beginnen die ersten Winzer damit, die neuen Reben anzupflanzen. Gemäß den überarbeiteten AOC Richtlinien (AOC Bordeaux und AOC Bordeaux Supérieur) wurden die sechs zusätzlichen Bordeaux-Rebsorten als "neue Sorten von Interesse für die Anpassung an den Klimawandel" bezeichnet. Es dürfen nur fünf Prozent der bestockten Rebfläche mit den neuen Rebsorten bepflanzt werden, in der finalen Cuvée dürfen nicht mehr als zehn Prozent vorhanden sein. Daher werden die neuen Rebsorten auch nicht auf den Bordeaux-Etiketten erscheinen. Bis die Weine auf den Markt kommen, wird es allerdings noch einige Jahre dauern.
Stil der Bordeauxweine soll erhalten werden
Den Winzern in Bordeaux steht nun eine erweiterte Palette an Rebsorten mit unterschiedlichen Wachstumszyklen und Reifezeiten zur Verfügung. Bisher waren laut AOC Richtlinien die Rotweinsorten Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot, Malbec, Carménère und Petit Verdot sowie die Weißweinsorten Sémillon, Sauvignon Blanc, Sauvignon Gris, Muscadelle, Colombard, Ugni Blanc, Merlot Blanc und Mauzac erlaubt. "Ziel der Einführung der neuen Rebsorten ist es, den Stil der Bordeauxweine, d. h. ihre Frische, Eleganz und Ausgewogenheit so weit wie möglich zu erhalten", erklärt Bernard Farges, Präsident des CIVB. "Wenn Bordeaux angesichts des Klimawandels nicht handelt, werden wir die Kontrolle über das aromatische Profil unserer Weine verlieren. Mit der Einführung der neuen Rebsorten können wir Klimaveränderungen antizipieren und den Wandel - auch langfristig - so gut wie möglich begleiten."
Die Assemblage der Zukunft
Eine Jahrhunderte alte Kunst bei der Weinerzeugung in Bordeaux - egal ob bei Rotwein oder Weißwein - ist die Assemblage, also die Vermählung mehrerer Rebsorten, Parzellen oder Terroirs. Durch dieses einzigartige Handwerk kommen die typischen Eigenschaften der Weine noch besser zum Ausdruck. Eine gelungene Assemblage unterstreicht die Besonderheiten des Terroirs und perfektioniert die Symphonie der einzelnen Aromen. Jetzt, da es offiziell ist, können die Winzer ihre Anpflanzungen anpassen und die zeitlose Kunst der Assemblage von Bordeaux-Weinen weiterentwickeln. Der Anbau der neuen Rebsorten ist ein Experiment, das auf zehn Jahre angelegt ist und anschließend ausgewertet werden soll. Dazu werden jedes Jahr Cuvées, die die neuen Rebsorten beinhalten, verkostet und bewertet.
Wir haben einige Winzer gefragt, was sie sich von den neuen Rebsorten versprechen:
Jean-Marie Mado (Château Morillon, Campugnan/Blaye)
"Wir haben uns für den Anbau von Marselan entschieden, aufgrund seiner geschmacklichen und qualitativen Eigenschaften. Wir planen eine spezielle neue Cuvée mit dieser Rebsorte. Die Einführung der neuen Rebsorten zeigt deutlich, wie sich die Weinindustrie von Bordeaux stetig weiterentwickelt."
Marielle Baissas (Château Haut-Rigal, Le Pian-sur-Garonne/Entre-deux-mers)
"Für meine Generation, ich bin 34, ist es eine großartige Gelegenheit, unsere erfolgreichen Anbaumethoden durch die neuen Rebsorten voranzutreiben. Ich habe mich für den Anbau von Marselan entschieden, weil er den Stil von Bordeaux widerspiegelt: weiche, fruchtige und reiche Weine. Ich freue mich, dass ich meine Weine mit Marselan veredeln kann. Wir werden die Entwicklung der Reben auf unserem Terroir genau beobachten. Bisher wissen wir schon, dass Marselan dank der späten Reifung widerstandsfähiger gegen Wasserstress ist.
Anne-Cécile Ribas-Rozier (Château des Arras, Saint-Gervais/Blaye)
"Wir haben uns entschlossen, im Jahr 2022 auf 1,5 Hektar Marselan oder Castets zu pflanzen. Diese Rebsorten gedeihen sehr gut auf unseren Ton- und Kalkböden. Die neu zugelassenen Rebsorten haben besondere sensorische Fähigkeiten. Durch ihre Anpassungsfähigkeit kommen sie gut mit der Sommerhitze zurecht. Wir werden mit den neuen Rebsorten eine ganz neue Cuvée kreieren."
Was können die neuen Rebsorten?
Arinarnoa wurde 1956 vom Französischen Nationalen Institut für landwirtschaftliche Forschung (INRA) gezüchtet und ist das Ergebnis einer Kreuzung zwischen Tannat und Cabernet Sauvignon. Die Rebsorte ist resistent gegen Graufäule. Sie passt sich gut an Klimaveränderungen an und zeichnet sich durch niedrige Zuckerwerte und einen guten Säuregehalt aus. Die Weine sind gut strukturiert, farbintensiv und tanninhaltig mit komplexen, anhaltenden Aromen.
Castets stammt ursprünglich aus Südwestfrankreich. Diese historische, lange vergessene Bordeaux-Rebsorte ist weniger anfällig für Graufäule und Mehltau und deshalb unter den neuen Bedingungen besonders interessant. Sie ist äußerst farbintensiv und hat ein sehr gutes Reifungspotenzial.
Auch Marselan ist eine Kreuzung, die 1961 vom Forschungsinstitut INRA aus Cabernet Sauvignon und Grenache gekreuzt wurde. Sie reift spät, ist daher recht beständig gegen Frühlingsfrost und somit gut an den Klimawandel angepasst. Ein weiterer Vorteil ist die geringe Anfälligkeit für Graufäule, Mehltau und Milben. Darüber hinaus sind die Weine von hoher Qualität, farbintensiv mit einem unverwechselbaren Aroma und einem sehr guten Alterungspotenzial.
Touriga Nacional stammt ursprünglich aus Portugal und ist eine sehr spät reifende Sorte, die eine spätere Lese ermöglicht. Sie ist daher wenig anfällig für Frühlingsfrost und viele Pilzkrankheiten. Die Weine sind von ausgezeichneter Qualität, komplex, aromatisch, körperreich, strukturiert, farbintensiv und von enormem Reifepotenzial.
Alvarinho ist eigentlich die weiße Rebsorte in Portugal. In Bordeaux soll sie genutzt werden, um den normalerweise durch Hitze verursachten Geschmacksverlust auszugleichen. Alvarinho ist sehr anpassungsfähig und wenig anfällig für Graufäule. Sie hat einen relativ geringen Zuckeranteil, ist sehr aromatisch und verleiht den Weinen Ausdrucksstärke und eine gute Säure.
Liliorila kann ebenso wie Alvarinho verwendet werden, um den Geschmacksverlust auszugleichen, der normalerweise durch heißes Wetter verursacht wird. Die Kreuzung aus Barock und Chardonnay ist weniger anfällig für Graufäule. Die Weine sind blumig, kraftvoll und aromatisch.
Quelle: Verband der Bordeauxweine (CIVB) (ots)