Neue Froschgattung auf Madagaskar entdeckt
Archivmeldung vom 21.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittTsingymantis antitra heißt das Tier, dessen Entdeckung die Wissenschaftler auf Madagaskar jüngst zum Staunen brachte. Denn bei dem "alten Frosch aus dem Karstmassiv"- so die Bedeutung des wissenschaftlichen Namens - handelt es sich um eine bisher unbekannte Gattung, die einen alten Ast im Stammbaum der Frösche darstellt.
"Uns war sofort klar, dass wir etwas ganz Besonderes vor uns hatten", erklärt
Dr. Frank Glaw von der Zoologischen Staatssammlung München, "denn keine der 232
bekannten madagassischen Froscharten ähnelte diesem Tier." Nur vier Weibchen
fanden die Forscher von der neuen Gattung - und zwar nicht im triefenden
Regenwald, sondern in einer bizarren, von Höhlen durchzogenen trockenen
Kalkformation im Norden von Madagaskar. Diese Region hatten Dr. Glaw und
Professor Dr. Miguel Vences, Technische Universität Braunschweig, gemeinsam mit
Professor Dr. Noromalala Raminosoa von der Universität Antananarivo in
Madagaskar einer umfassenden Amphibien-Inventur unterzogen.
Ziel dieses
von der VolkswagenStiftung geförderten Projektes war und ist eine effektive
Unterstützung des Artenschutzes auf Madagaskar. Dort sind 55 Amphibienarten vom
Aussterben bedroht. Die Vielfalt der Tiere zu erkennen, ist eine der
Voraussetzungen für ihren wirksamen Schutz.
Heutzutage ist es für
Zoologen eigentlich keine große Sensation, neue Amphibienarten zu entdecken.
Moderne Untersuchungsmethoden wie Lautanalysen und DNA-Sequenzierungen sowie die
Suche in abgelegenen Regenwäldern haben den Wissenschaftlern geradezu einen
"Froschartenregen" beschert. Die Entdeckung von Tsingymantis antitra aber lässt
die Forscherherzen höher schlagen. Denn es handelt sich wahrscheinlich um den
ursprünglichsten Vertreter einer fast nur auf Madagaskar vorkommenden Gruppe von
Fröschen, der Unterfamilie Mantellinae. Dies wird auch durch genetische Analysen
bestätigt, die Simone Hoegg von der Universität Konstanz gemeinsam mit Miguel
Vences durchführte. Ein äußerst seltener Glücksfall, sind doch solche alten
Linien im Stammbaum entweder schon lange bekannt oder schon lange ausgestorben.
Die Entdeckung ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Zootaxa (1334;
27-43) publiziert. http://www.mapress.com/zootaxa/.
Wie lange die neu entdeckte Froschart noch überleben kann, ist ungewiss.
Nicht nur der Regenwald, sondern auch die Wälder in Madagaskars Trockenregionen
werden immer weiter abgeholzt.
Tsingymantis - ein lebendes Fossil?
Der
Fund gibt auch wichtige Hinweise auf die Klimageschichte Madagaskars. So fiel
den Zoologen auf, dass die ursprünglichsten Frösche Madagaskars meist in
Trockengebieten leben, obwohl heutzutage fast alle Frösche im dortigen Regenwald
vorkommen. Diese Beobachtung deckt sich gut mit neuen Hypothesen zur
Klimageschichte der Insel. Demnach könnte der madagassische Regenwald jünger
sein als gemeinhin angenommen - er bildete sich möglicherweise erst im Oligozän,
also vor etwa 30 Millionen Jahren, im Zuge der Kontinentaldrift. Nachdem Indien
von Madagaskar abgebrochen und nach Norden weggedriftet war, öffnete sich der
Indische Ozean und brachte die feuchten Passatwinde heran, die den Regenwald
sprießen ließen. Für Frösche, Chamäleons, Lemuren und unzählige andere Tierarten
entstand ein neues Paradies, in dem sich die heutige Artenfülle entwickelte.
Ihre Vorfahren waren jedoch möglicherweise darauf angewiesen, in einer
trockeneren Umgebung zu überleben. Der in kühlen Spalten und Höhlen des eher
trockenen Kalksteingebirges heimische Tsingymantis könnte damit ein lebendes
Fossil sein, das die Lebensweise der madagassischen Frosch-Urahnen beibehalten
hat.
Naturschutz auf Madagaskar
Obwohl Tsingymantis in einem
geschützten Gebiet vorkommt, stellt allein schon die geringe Größe seines
Verbreitungsgebietes eine Gefährdung dar. "Der Schutz dieser Art sollte daher
eine hohe Priorität erhalten", betont Miguel Vences. Immerhin: Die Zeit dafür
scheint ideal, denn die madagassische Regierung will die Naturschutzflächen in
den nächsten Jahren verdreifachen. Erst kürzlich sind die deutschen Zoologen von
einem Workshop aus der madagassischen Hauptstadt Antananarivo zurückgekehrt.
Unter der Schirmherrschaft der dortigen Regierung wurde hier eine Strategie zum
Schutz der einzigartigen Amphibienfauna des Landes entwickelt.
Die von der VolkswagenStiftung geförderte Forschung hat einen großen Beitrag geleistet, um abzuschätzen, wie viele Arten von Fröschen auf dieser Insel leben, wo sie vorkommen und wie sie sich unterscheiden lassen. "Diese Daten", erläutert Glaw, "bilden eine wichtige Grundlage, um zu entscheiden, welche Gebiete und welche Arten am dringendsten geschützt werden müssen."
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.