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Straße durch den Serengeti-Nationalpark gefährdet Wildtiere

Archivmeldung vom 30.10.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.10.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Karte Tansanias mit den Nationalparks. Bild: Bamse
Karte Tansanias mit den Nationalparks. Bild: Bamse

Dr. Joseph O. Ogutu von der Universität Hohenheim solidarisiert sich mit Petitionsunterzeichnern gegen Straßenbaupläne der Regierung Sollte die tansanische Regierung die geplante Straße bauen, könnten Abertausende Gnus, Zebras und Gazellen verdursten. Einmal im Jahr flüchten die Wildtiere vor der Trockenheit in den wasserreichen Nordwesten des Serengeti-Mara-Ökosystems.

Die neue Straße würde ihnen den Weg versperren, fürchten die Autoren einer Studie, die in der September-Ausgabe von „Nature“ veröffentlicht wurde. Einer der Autoren des Artikels ist Dr. Joseph. O. Ogutu vom Fachgebiet Bioinformatik an der Universität Hohenheim. Er spricht sich deutlich gegen das Straßenbauprojekt aus und stellt eine alternative Strecke vor.

Juni in Tansania: Durch die trockene Savanne trampeln über 1,5 Millionen Gnus, Zebras und Gazellen auf ihrem Weg nach Norden. Der Boden bebt unter ihren Hufen, die Wildtiere kreischen und röhren. Im November kehren die Tiere mit dem Ende der Trockenzeit in den Südosten zurück und bringen dort jedes Jahr insgesamt rund 500.000 Nachkommen zur Welt.

„Das Spektakel beginnt jedes Jahr im Juni neu“, sagt Dr. Joseph Ogutu, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet für Bioinformatik unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Peter Piepho. „Wenn im Südosten des Serengeti-Mara-Ökosystems die Trockenzeit beginnt, wandern mehr als eine Million Gnus, 200.000 Zebras und 400.000 Gazellen in den regenreichen Nordwesten im kenianischen Teil des Ökosystems“, erzählt Joseph Ogutu. Der Mara River dort sei die einzige Wasserquelle der Wildtiere während der Trockenzeit.

Seit den sechziger Jahren folgen die Tiere auf derselben Route dem Regen. Die UNSECO erklärte das Ökosystem auch wegen des einzigartigen Phänomens zum Weltkulturerbe. Safari-Touristen aus aller Welt strömen nach Tansania und Kenia. Doch wie lange noch?

Umweltorganisationen kritisieren Straßenbau

Die Regierung Tansanias plant den Bau einer Straße, die die tansanische Küste mit dem Victoria-See verbinden soll. 53 Kilometer davon sollen durch das Serengeti-Mara-Reservoir führen. Diese würde direkt durch die Wanderroute der Wildtiere durchschneiden und sie von den regenreichen Gebieten abhalten. Die Markierungen für den Bau der Straße sollen schon begonnen haben. 480 Mio. Dollar soll die Straße kosten.

Schon seit den 70er und 80er Jahren werde das ökologische Risiko durch die Straße als hoch eingeschätzt. Ein offizielles Gutachten der Regierung dazu stehe noch aus. Umweltorganisationen und Wissenschaftler weltweit schätzen die Auswirkungen des Straßenbaus auf das Ökosystem als dramatisch ein.

Das Ökosystem ist bedroht

Konkret befürchtet Joseph Ogutu Kollisionen, wenn die wandernden Viehherden in wenigen Wochen die Straße kreuzen: „Gutachten rechnen mit circa einem Auto pro Minute.“ Die Unfallgefahr sei hoch – mit Folgen für Mensch und Tier. Doch gerade Maßnahmen, um Kollisionen zu vermeiden, würden die Lebensbedingungen der Tiere verschlechtern.

Den Bau von Brücken und Unterführungen schätzt der Wissenschaftler als nicht realisierbar ein, denn sie könnten die Masse der Tiere nicht aufnehmen. „Eine Umzäunung würde die Wanderungsströme stoppen und damit das Ökosystem verändern. Weniger Artenvielfalt und eine niedrigere Produktivität wären die Folge“, meint Joseph Ogutu.

Das südöstliche Gebiet des Serengeti-Mara-Ökosystems allein biete laut Schätzungen des Wissenschaftlers einen Lebensraum für weniger als 300.000 Gnus. Damit seien über eine Million Gnus bedroht.

Mensch und Tier rücken enger zusammen

Die Anziehungskraft der Straße auf die Bevölkerung sei ein weiterer Faktor der Unsicherheit für das intakte Ökosystem, so Joseph Ogutu. Durch den Kraftfahrzeugverkehr auf der Handelsroute würden Pflanzensamen über die Landesgrenzen hinweg transportiert. So könnten neue Arten eingeschleppt werden.

Der Wissenschaftler rechnet damit, dass der Straßenbau auch Siedlungsbau nach sich zieht. Menschen könnten die Wildtiere mit Krankheiten anstecken – und umgekehrt. Und es könnte vermehrt zu Wilderungen kommen, denn illegalen Jägern würde das Geschäft durch die Straße erheblich erleichtert.

Tourismuswirtschaft muss mit Einbrüchen rechnen

Ein Sechzehntel der tansanischen Bevölkerung ist im Tourismus beschäftigt und die Branche trägt 8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes von Tansania. Doch Tourismus-Unternehmen weltweit solidarisierten sich schon jetzt mit den Gegnern des Straßenbaus. In den USA hat das Thema in den vergangenen Monaten eine hohe mediale Aufmerksamkeit bekommen. Die Ablehnung des Bauprojekts nimmt auch international weiter zu. „Wir rechnen mit einem starken Einbruch in der Branche. Schließlich sind schon die wandernden Gnus und Zebras eine Attraktion für sich“, ist sich Joseph Ogutu sicher.

Wissenschaftler bieten Alternative

Einen alternativen Vorschlag für das Straßenbauprojekt lieferten die Wissenschaftler schon, denn die ökonomischen Vorteile der Handelswege stellen sie nicht in Frage. Sie schlagen eine Route durch den Süden Tansanias vor: „Diese Route berührt das einzigartige Ökosystem des Serengeti-Nationalparks mit den sensiblen Wanderwegen der Tiere nicht und verbindet dennoch die Küste mit dem Victoria-See“, erklärt Joseph Ogutu. Diese Straße wäre dabei nur 50 Kilometer länger als die geplante, würde die ländliche Entwicklung vorantreiben sowie dem Tourismus nicht schaden, behauptet der Wissenschaftler.

Quelle: Universität Hohenheim

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