Pflanzenwurzel trifft auf eisernen Widerstand
Archivmeldung vom 21.04.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtPhosphat gehört zu den wichtigsten Bestandteilen jeder Zelle. Es spielt eine zentrale Rolle im Energiestoffwechsel aller Lebewesen und sorgt für die Stabilität der Erbsubstanz. Pflanzen reagieren auf einen ungenügenden Phosphatgehalt im Boden mit einer grundlegenden Umgestaltung ihrer Wurzelarchitektur. Warum und wie sie das tun, war für Experten lange ein Rätsel.
Wissenschaftlern des Hallenser Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB) ist es jetzt gelungen, die molekularen Mechanismen dieser pflanzlichen Anpassungsreaktion aufzuklären. Mit ihrer Publikation, die als Titelstory in Developmental Cell erschien, sorgen sie für einen Erkenntnisgewinn, der angesichts drohender, weltweiter Verknappung der Phosphatlagerstätten, von großer Bedeutung ist.
Pflanzen sind auf eine hohe Verfügbarkeit von Phosphat im Boden angewiesen. Ist der lokal erreichbare Vorrat verbraucht, geraten sie in einen Mangelzustand, der mit Wachstumsstörungen und Ertragseinbußen einhergeht. Die Anpassung an diesen Mangel erfolgt unterirdisch: Die Hauptwurzel verlangsamt ihr Wachstum in die Tiefe; stattdessen bildet sie vermehrt Seitenwurzeln mit unzähligen Wurzelhaaren aus. Durch dieses Wachstum in die Breite vergrößert die Wurzel ihr Einzugsgebiet in den oberen Bodenschichten und damit ihre Chancen, Phosphat aus verrottenden Pflanzenteilen und Mikroorganismen zu erschließen.
Interessanterweise hängt diese dramatische Umgestaltung des Wurzelsystems eng mit der Verfügbarkeit von Eisen zusammen. Im Experiment wiesen die Wissenschaftler um Dr. Jens Müller und Professor Steffen Abel nach, dass die Wurzelspitze unter Phosphatmangel vermehrt Eisen aufnimmt und dieses in der sogenannten Stammzellnische anreichert. Die Stammzellnische ist ein aus wenigen Zellen bestehendes Areal, von dem alle Wachstumsprozesse in der Wurzelspitze gesteuert werden. Eine Anreicherung von Eisen in dieser sensiblen Steuerzentrale führt zu einer lokal begrenzten Verdickung der Zellwände in diesem Bereich. Durch die Zellwandverdickungen werden auch die Verbindungstunnel zwischen den Zellen verengt, sodass Wachstumsfaktoren und Signalstoffe nicht mehr von der Steuerzentrale in die Stammzellen wandern. Bleibt das Wachstumssignal aus, stellen die Stammzellen ihre Teilung ein: Die Wurzelspitze wächst nicht mehr in die Tiefe. Stattdessen bilden sich Seitenwurzeln und Wurzelhärchen im oberen Wurzelstrang.
Eisen ist – im Gegensatz zum Phosphat – eher in den tieferen Bodenschichten anzutreffen. Bei unzureichender Phosphatzufuhr, nimmt die Wurzel zu viel Eisen auf und stoppt daraufhin ihr Tiefenwachstum, um in die Breite zu wachsen und die Phosphatquellen in den oberen Bodenschichten besser erschließen zu können. Auf diese Weise kann die Pflanze die Richtung ihres Wurzelwachstums beeinflussen und an die Verfügbarkeit dieser beiden Nährstoffe anpassen.
Phosphor wird als nicht erneuerbare Ressource auf der Welt immer knapper. Die kontinentalen Phosphatvorkommen reichen nach Meinung der Experten nur noch für wenige Jahrzehnte. 90 Prozent der jährlich weltweit geförderten 180 Millionen Tonnen Rohphosphate wird für die Produktion von Düngemitteln verwendet, ohne die ein ertragreicher Anbau von Kulturpflanzen nicht möglich wäre. Ein besseres Verständnis der pflanzlichen Nährstoffaufnahme könnte zur Entwicklung von neuen Sorten führen, die Phosphat besser erschließen. Das hätte auch eine Verringerung der Umweltbelastung durch Überdüngung zur Folge.
Quelle: Institut für Pflanzenbiochemie (idw)