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Alpine Urwiesen und Felsfluren europaweit gefährdet

Archivmeldung vom 09.01.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.01.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Alpine Pflanzen wie die Nevadensia purpurea könnten in wenigen Jahrzehnten von manchen europäischen Gipfeln verschwunden sein.
Quelle: (Bild: Harald Pauli) (idw)
Alpine Pflanzen wie die Nevadensia purpurea könnten in wenigen Jahrzehnten von manchen europäischen Gipfeln verschwunden sein. Quelle: (Bild: Harald Pauli) (idw)

Der Klimawandel verändert großräumig die Gebirgsvegetation. In der ersten paneuropäischen Studie zum Vegetationswandel im Hochgebirge zeigt ein internationales Team unter der Leitung von ForscherInnen der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), dass die Auswirkungen des Klimawandels auf die alpine Vegetation stärker sind als ursprünglich angenommen. Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Nature Climate Change" veröffentlicht.

Alle 32 AutorInnen der Studie benutzten die gleiche Untersuchungsmethodik für den ersten europaweiten Vergleich, hier am österreichischen Hochschwab.
Quelle: (Bild: Harald Pauli) (idw)
Alle 32 AutorInnen der Studie benutzten die gleiche Untersuchungsmethodik für den ersten europaweiten Vergleich, hier am österreichischen Hochschwab. Quelle: (Bild: Harald Pauli) (idw)

867 Probeflächen auf 60 verschiedenen Gipfeln in allen größeren europäischen Hochgebirgen – etwa am österreichischen Hochschwab oder im schweizerischen Wallis – untersuchten die WissenschafterInnen. Im Vergleichszeitraum 2001 bis 2008 fanden sie auf kontinentalem Niveau deutliche Anzeichen, dass kälteadaptierte Pflanzen von wärmeliebenden Arten zunehmend aus ihren Lebensräumen verdrängt werden.

Zunahme wärmeliebender Pflanzenarten

"Wir haben eine Zunahme wärmeliebender Pflanzenarten in größeren Höhen erwartet, aber nicht in diesem deutlichen Ausmaß und in so kurzer Zeit", sagt Michael Gottfried vom Department für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie der Universität Wien und leitendes Mitglied des Forschungsprogramms GLORIA (Global Observation Research Initiative in Alpine Environments), das von WissenschafterInnen des Instituts für Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt (IGF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Wien koordiniert wird.

BiologInnen aus 13 Ländern untersuchten im Rahmen von GLORIA unter der Leitung der Wiener ForscherInnen die alpine Vegetation, also niedrigwüchsige Pflanzengemeinschaften im Hochgebirge oberhalb der Baumgrenze. "Viele kältetolerante Arten wandern buchstäblich in den Himmel. In einigen der niedrigeren europäischen Gebirge können wir beobachten, wie die offene alpine Graslandschaft verschwindet, und Zwergsträucher den Lebensraum in wenigen Jahrzehnten erobern werden", warnt Michael Gottfried, der auch Erstautor der nun in "Nature Climate Change" veröffentlichten Studie ist.

Europaweite Entwicklung

Diese Studie ist weltweit die bislang breitest angelegte Untersuchung ihrer Art. Sie bestätigt den direkten Zusammenhang zwischen erhöhten Sommertemperaturen und der Veränderung alpiner Lebensgemeinschaften. "Regionale Untersuchungen haben diesen Vorgang bereits aufgezeigt. Unsere Ergebnisse demonstrieren diese Entwicklung erstmals für den gesamten europäischen Kontinent", sagt Gottfried.

Indikator entwickelt

Dieses Phänomen, von den GLORIA-ForscherInnen als Thermophilisierung bezeichnet, wurde erstmalig quantitativ erfasst und als messbarer Indikator definiert. Alle 32 an der Studie beteiligten AutorInnen wandten die selbe Methodik auf genau dokumentierten Probeflächen an, wodurch eine europaweite Vergleichbarkeit erst möglich wurde. "Wir hoffen, dass unser Thermophilisierungs-Indikator von anderen Forschungsgruppen weltweit übernommen und auf diese Weise ein globaler Vergleich möglich wird", sagt Harald Pauli vom Institut für Gebirgsforschung der ÖAW und Netzwerk-Koordinator von GLORIA.

Selbe Effekte von Schottland bis Kreta

Die ForscherInnen zeigen auch, dass dieser Effekt von der Seehöhe unabhängig ist – er findet von der Baumgrenze bis zu den höchsten Gipfeln statt – und ebenso von der geographischen Breite – von Schottland bis zu den Gebirgsregionen Kretas. "Unsere Arbeit belegt, dass der Klimawandel auch die entlegensten Winkel der Biosphäre beeinflusst", sagt Georg Grabherr, stellvertretender Direktor des ÖAW-Instituts und Leiter von GLORIA. "Die Thermophilisierung im Hochgebirge kann nicht vor Ort begrenzt werden. Menschliche Anpassungsstrategien sind also keine Option. Wir müssen uns dringend auf die Vermeidung noch stärkeren Klimawandels konzentrieren, um den biogenetischen Schatz der Natur zu wahren".

Quelle: Universität Wien (idw)

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