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Nicht nur die Oberfläche bestimmt, wie fest der Gecko an der Decke hängt

Archivmeldung vom 20.09.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.09.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Winzige Härchen an den Zehen ermöglichen es dem Gecko, an der Decke zu laufen. Foto: Kellar Autumn
Quelle:  (idw)
Winzige Härchen an den Zehen ermöglichen es dem Gecko, an der Decke zu laufen. Foto: Kellar Autumn Quelle: (idw)

Wie stark zwei Materialoberflächen aneinander haften, kann von der Materialzusammensetzung tief unter den Oberflächen abhängen. Das haben Physiker um Karin Jacobs und Peter Loskill von der Universität des Saarlandes gemeinsam mit Forschern um Kellar Autumn vom Lewis & Clark College in Portland (Oregon, USA) durch systematische Messung von Adhäsionskräften herausgefunden. Daraus entwickelten sie den neuen Begriff „subsurface energy“. Gegenstand der Forschung waren die Härchen von Gecko-Zehen. Die Arbeit wurde nun im „Journal of the Royal Society Interface“ veröffentlicht.

Der Gecko ist das größte Tier, das an der Zimmerdecke laufen kann. Dazu hat das Reptil unter seinen Zehen Millionen feiner Härchen, die an ihren Enden jeweils etwa hundert winzige, spatelförmige Verbreiterungen besitzen. Diese Spatel stehen in intensivem Kontakt mit der Oberfläche, die der Gecko berührt. Dabei werden sie von der Oberfläche durch molekulare Kräfte angezogen. Das Forscherteam aus Saarbrücken und Portland, das bisher die Haftkraft von Bakterien und Proteinen an Oberflächen untersucht hat, konnte nun nachweisen, dass sogar ein so großes Tier wie der Gecko spüren kann, wie das Material tief unter der Oberfläche zusammengesetzt ist.

Für ihre Experimente zur Tiefenempfindlichkeit entfernten die Wissenschaftler behutsam die Härchen von den Zehen eines Tokay-Geckos (Sie werden bei der folgenden Häutung des Tieres durch neue ersetzt). Sie bündelten die Härchen und klebten sie an die Spitze eines hochempfindlichen Kraftmessers. Anschließend wurde dieser über die Oberfläche von Siliziumscheiben gezogen, die unterschiedlich dick mit Siliziumdioxid beschichtet waren. Die dabei auftretenden Reibungs- und Anziehungskräfte konnten die Forscher mit hoher Genauigkeit messen.

Dabei zeigte es sich, dass die Härchenbündel umso stärker von der Siliziumoberfläche angezogen werden, je dünner die auflagernde Siliziumdioxid-Schicht ist. „Die molekularen Anziehungskräfte des Siliziums, die stärker sind als die des Siliziumdioxids, konnten die dünne Siliziumdioxidschicht problemlos durchdringen, obwohl diese mit zwei Nanometern immerhin etwa 20 Atomlagen dick war. Dagegen schwächte eine 150 Nanometer dicke Siliziumdioxidschicht die Anziehungskräfte des darunter liegenden Siliziums deutlich ab“, erklärt Physik-Professorin Karin Jacobs. Das gelte auch dann, wenn die ursprünglich hydrophilen, wasseranziehenden Scheiben durch eine zusätzliche dünne Beschichtung hydrophob, also wasserabweisend gemacht worden waren oder wenn die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit verändert wurden.

Auf diesen Beobachtungen aufbauend haben die Forscher um Karin Jacobs und Peter Loskill eine neue Beschreibung der Adhäsionskräfte von Oberflächen entwickelt, die erstmals auch den Materialaufbau unter der Oberfläche berücksichtigt. „Bisher hat man die Adhäsionskräfte von der Oberflächenenergie hergeleitet. Sie ist eine Eigenschaft der äußersten, oberflächennahen Atomlagen bis zu einer Tiefe von etwa einem Nanometer“, sagt Jacobs. „Unsere neue Beschreibung bezieht aber zusätzlich die molekulare van der Waals-Kraft ein, die aus tieferen Schichten resultiert.“

Die Experimente mit den Härchen der Gecko-Zehen haben gezeigt, dass sich durch die van der Waals-Kraft der atomare Aufbau im Innern eines Materials auch an der Materialoberfläche bemerkbar macht, und zwar durch makroskopisch nachweisbare Unterschiede der Adhäsionskräfte. Die Wissenschaftler aus Saarbrücken und Portland führen daher den neuen Begriff „subsurface energy“ ein, mit dem sie beschreiben, wie das Material unterhalb der Oberfläche zur Adhäsion beiträgt. Sie glauben, dass diese neue Herangehensweise sowohl für die Naturwissenschaften als auch für die Ingenieurwissenschaften von Bedeutung sein wird.

Quelle: Universität des Saarlandes (idw)

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