Tag der Ozeane - Kieler Forscher warnen vor nachhaltigen Veränderungen
Archivmeldung vom 08.06.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAnlässlich des Tages der Ozeane am heutigen 08. Juni warnen Wissenschaftler des Kieler Forschernetzwerks "Ozean der Zukunft" vor einschneidenden Veränderungen, die heute noch nicht absehbare Konsequenzen für den größten Lebensraum auf unserem Planeten haben könnten.
Schwerpunkt des Kieler Forschernetzwerks "Ozean der Zukunft" ist es, zukünftige Veränderungen im Ozean abzuschätzen und die damit verbundenen Chancen und Risiken für den Menschen zu identifizieren.
Der stetig ansteigende Kohlendioxidgehalt der Erdatmosphäre
führt nicht nur zu einer globalen Klimaerwärmung, die auch mit einer Erhöhung
des Meeresspiegels verbunden ist, sondern auch zu einer Versauerung des
Ozeanwassers. "Diese Veränderung in der Chemie des Meerwassers verursacht
nachhaltige Entwicklungsstörungen und Schäden an Kalkschalen bildenden
Kleinstlebewesen, deren Konsequenzen noch weitestgehend unbekannt sind", hebt
Prof. Ulf Riebesell, vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR)
hervor.
Weitere Risiken liegen in den Methanhydratvorkommen, die weite Teile
der Kontinentalabhänge bedecken. Ansteigende Ozeantemperaturen können in einigen
Bereichen dazu führen, dass Gashydrate instabil werden und sich auflösen. Dies
kann zum einen Sedimentablagerungen destabilisieren und Hangrutschungen
verursachen, die wiederum Tsuamis nach sich ziehen können. Zum anderen
beschleunigt das unkontrollierte Ausgasen von Methan den Treibhauseffekt
zusätzlich. "Solche "positive Rückkopplungen, die einen Prozess noch weiter
verstärken, gibt es im Klimasystem häufiger", betont Prof. Mojib Latif vom
IFM-GEOMAR. Auch das Abschmelzen von Eis und Schnee und die damit verbundene
Veränderung in der "Farbe" der Erdoberfläche birgt eine solche, schon lange
bekannte Rückkopplung. Eine dunkle Oberfläche (ohne Schnee) heizt sich stärker
auf als eine helle (mit Schnee), d.h. ist der Schnee erst einmal abgeschmolzen,
geht die Erwärmung in einem noch stärkeren Maße weiter.
Weitere unangenehme
Überraschungen aus den oft noch unerforschten Weiten der Ozeane sind rasche
Veränderungen von großräumigen Strömungssystemen wie z.B. dem Golfstrom. "Aus
der Klimageschichte wissen wir, dass es hier schon häufiger zu starken
Schwankungen in kurzen Zeiträumen von Jahrzehnten bis Jahrhunderten gekommen
ist", erläutert Prof. Ralph Schneider vom Institut für Geowissenschaften der
Christian-Albrechts Universität. Auch in Zukunft wird durch das Abschmelzen von
Eismassen eine Reaktion des ozeanischen Strömungssystems erwartet.
Die
Klimaerwärmung verschiebt auch das Angebot und die Nachfrage von Nahrung im
marinen Ökosystem. Fischlarven finden durch veränderte Umweltbedingungen nicht
mehr das Nahrungsangebot, das sonst zu diesen Zeiten zur Verfügung steht.
"Fischlarven können ja nicht wie Menschen ihren Nahrungsbedarf im Supermarkt
decken, sie müssen auf das Angebot zurückgreifen, dass die Natur ihnen bietet",
führt Dr. Uwe Piatkowski vom IFM-GEOMAR aus. Dies ist ein weiterer Prozess, der
die ohnehin schon durch Überfischung unter Druck geratenden Fischbestände, eine
wichtige Nahrungsquelle für die Menschheit, weiter reduziert. Neue Methoden in
der Fischzucht können hier helfen, auch hier bieten Kieler Meeresforscher mit
neuen innovativen Techniken Lösungen an.
"Bei allen Risiken, die unser Ozean
in Zukunft für uns bergen könnte, sollten wir aber auch die Chancen wahrnehmen",
betont Prof. Klaus Wallmann, Sprecher des Kieler Forschernetzwerk "Ozean der
Zukunft". Rohstoffe aus dem Ozean sind ein wichtiges Zukunftsthema, dabei denken
viele vielleicht an Öl, Kohle und Gasvorkommen. Kieler Forscher haben da ganz
unterschiedliche Dinge im Auge: Kann Methanhydrat ein zukünftiger fossiler
Energieträger sein?, wird unter Einbeziehung aller Risiken intensiv diskutiert,
Wirkstoffe mariner Mikroorganismen können zukünftig in hochwirksamen
Medikamenten Anwendung finden oder marine Erzlagerstätten, die eine Alternative
zu den schwindenden terrestrischen Ressourcen darstellen könnten.
Die
Abschätzung dieser Chancen und Risiken, die die Ozeane bergen, erfordert
intensive multidisziplinäre Forschung. Die Kieler Christian-Albrechts
Universität integriert im Rahmen des Forschernetzwerks "Ozean der Zukunft"
Aktivitäten in fünf Fakultäten und weiteren Einrichtungen wie dem Institut für
Weltwirtschaft, der Muthesius Kunsthochschule und dem Leibniz-Institut für
Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR).
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.