Internationale Klimaforschungsstation ZOTTO eröffnet
Archivmeldung vom 29.09.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn der sibirischen Taiga eröffnen Wissenschaftler des Jenaer Max-Planck-Instituts für Biogeochemie heute die internationale Klimaforschungsstation ZOTTO ("Zotino Tall Tower Observation Facility"). Dort untersuchen sie nun gemeinsam mit Kollegen des russischen Sukachev Forstinstituts in Krasnoyarsk und des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz, wie sich die steigenden Erdtemperaturen und die Treibhausgase gegenseitig beeinflussen.
Ein 300 Meter hoher Messturm ermöglicht es den Wissenschaftlern, die Treibhausgas-Konzentration sowohl lokal als auch über weiträumigen Gebieten zu bestimmen. Die sibirischen Wälder bilden eine wichtige Senke im globalen Kohlenstoffkreislauf: Insgesamt speichern sie etwa zehn Prozent des weltweiten Kohlenstoffs.
Abb.1: Messturm der Forschungsstation ZOTTO: Max-Planck-Forscher untersuchen in der sibirischen Taiga die Wechselwirkungen zwischen Erderwärmung und Treibhausgasen. Der 300 Meter hohe Turm ermöglicht Messungen in der "Mixed Layer", einer homogenen Luftschicht, welche die variierenden Treibhausgas-Aktivitäten der Bodenvegetation ausblendet und damit unverzerrte Messungen in der Atmosphäre erlaubt.
Die Ursache des Klimawandels ist umstritten - doch der Mensch
dürfte wesentlich für die Erderwärmung verantwortlich sein. Er setzt durch
Nutzung fossiler Energieträger und durch intensive Landwirtschaft große Mengen
der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas frei. Doch bislang fehlen
zuverlässige Untersuchungen über die langfristige Entwicklung der Treibhausgase
in großflächigen Gebieten. Wie sich die steigenden Temperaturen etwa auf den
globalen Kohlenstoffkreislauf auswirken und damit den Klimawandel verstärken,
ist deshalb heute noch nicht abzusehen.
Genau diese Wechselwirkungen
untersuchen zukünftig die Wissenschaftler aus den Max-Planck-Instituten für
Biogeochemie und Chemie sowie des russischen Sukachev Forstinstituts mit der
"Zotino Tall Tower Observation Facility" (ZOTTO). Die Forschungsstation liegt
abgeschieden in der sibirischen Taiga nahe dem Ort Zotino - in einer Region, die
der Mensch zunehmend beeinflusst, etwa durch Waldrodungen. Angrenzende Städte,
deren Treibhausgas-Emissionen die Messungen verzerren könnten, gibt es dort aber
nicht.
Die borealen und arktischen Landmassen Sibiriens gelten als
"Hotspot" im globalen Kohlenstoffkreislauf: In den sibirischen Nadelwäldern
binden etwa zehn Prozent des weltweiten Kohlenstoffs. Allerdings stiegen in den
vergangenen Jahrzehnten die durchschnittlichen Sommertemperaturen großer Gebiete
Sibiriens um bis zu zwei Grad Celsius - und Klimasimulationen prognostizieren
eine weitere Zunahme. Meteorologen rechnen damit, dass diese Erderwärmung den
sibirischen Kohlenstoffkreislauf allmählich verändert. Zotino eignet sich
deshalb besonders gut, um Wechselwirkungen zwischen Treibhausgasen und
Erderwärmung zu untersuchen.
Abb.2: Geographische Lage von ZOTTO: Die Messstation in der sibirischen Taiga liegt etwa 500 km nordwestlich von Krasnoyarsk, der nächstgelegenen größeren Stadt.
Mit dem 300 Meter hohen Messturm - dies entspricht der Höhe des
Eiffelturms ohne Antenne - stoßen die Max-Planck-Wissenschaftler dabei in eine
neue Sphäre der Erdatmosphäre vor: die "Mixed Layer", eine Luftschicht in etwa
200 bis 2000 Metern Höhe. "Dort können wir großräumige Änderungen von
Treibhausgasen erfassen und ihren Austausch nahe der Erdoberfläche beobachten",
sagt Ernst-Detlef Schulze, Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie, der
den Bau von ZOTTO in den vergangenen Jahren geleitet hat.
Die Höhe des
Turmes ermöglicht es den Forschern, verlässlichere Klimadaten zu erheben. Denn
die relativ homogene Luftschicht der Mixed Layer blendet das Hintergrundrauschen
der Bodenvegetation aus: Dort variiert die Kohlendioxid-Konzentration wegen
stark ausgeprägter Tag-Nacht-Zyklen der pflanzlichen Photosynthese. Die
verschiedenen Prozesse sind dann nur relativ schwer voneinander trennen. Ein
weiterer Vorteil hoher Türme: Sie erlauben Messungen im vertikalen Profil über
die Turmhöhe.
Mit ZOTTO können die Wissenschaftler also sowohl
weiträumige als auch lokale Austauschprozesse zwischen dem Ökosystem Sibiriens
und der Atmosphäre erforschen. Damit schließt die Station eine Skalierungslücke
im kontinentalen Messsystem. Bislang basierten Untersuchungen allein auf lokal
eng begrenzten Prozessstudien oder Fernerkundungen mit
Weltraumsatelliten.
Neben meteorologischen Parametern, etwa Wind und
Feuchtigkeit, misst ZOTTO vor allem die Konzentrationen und
Mischungsverhältnisse der verschiedenen Treibhausgase. Mit kurzfristigen
Ergebnissen rechnen die Wissenschaftler allerdings nicht. Denn das kontinentale
Klima Sibiriens unterliegt starken Temperaturschwankungen. Um die langfristigen
Wechselwirkungen zwischen Erderwärmung und Treibhausgasen zuverlässig
darzustellen, müssen die Forscher deshalb Daten über viele Jahre hinweg
erheben.
Bereits seit 1993 arbeitet der Max-Planck-Wissenschaftler
Schulze in Sibirien - mit den Planungen für den Bau einer festen
Forschungsstation haben er und seine Kollegen 1999 begonnen. Die abgeschiedene
Lage von ZOTTO stellte die Forscher vor besondere logistische Herausforderungen.
Dabei profitierten sie von der engen Zusammenarbeit mit dem Institut für
Forstwissenschaften der Russischen Akademie der Wissenschaften. Die
Max-Planck-Gesellschaft hat die Errichtung der Station, die der Wissenschaft in
den kommenden 30 Jahren als Langzeit-Observatorium dient, mit etwa 1,7 Millionen
Euro finanziert.
[MAY]
Quelle: Pressemitteilung Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.