Jan Böhmermann sagt Auftritt bei Grimme-Preis-Verleihung ab
Archivmeldung vom 08.04.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittZDF-Moderator Jan Böhmermann hat angekündigt, nicht bei der Verleihung des Grimme-Preises am Freitagabend zu erscheinen. Das bestätigte ein Sprecher des Grimme-Instituts gegenüber der dts Nachrichtenagentur. Man bedauere seine Entscheidung sehr - eine Preisverleihung lebe schließlich von den Preisträgern, hieß es. Weder Herr Böhmermann noch einer seiner Mitarbeiter werde anwesend sein, so der Institut-Sprecher.
Zuvor hatte Jan Böhmermann selbst in einem Facebook-Post seine Absage begründet: "Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe. Mein Team von der Bildundtonfabrik und ich bitten um Verständnis, dass wir heute Abend nicht in Marl feiern können."
In seiner Sendung "Neo Magazin Royal" hatte Böhmermann in dem etwa 6-minütigen Sketch mit dem Satiriker Ralf Kabelka den Unterschied zwischen in Deutschland erlaubter Satire und unerlaubter Schmähkritik diskutiert. Zur Anschauung trug der Moderator ein knapp einminütiges "Schmähgedicht" vor, in dem der türkische Staatspräsident Erdogan unter anderem als homosexuell und pädophil bezeichnet wird. Gleichzeitig wurden türkische Untertitel gezeigt.
Das ZDF hatte den Beitrag aus der Mediathek entfernt und auch in Wiederholungen der Sendungen herausgeschnitten. Die Staatsanwaltschaft Mainz hat laut "Spiegel-Online" Ermittlungen gegen den ZDF-Moderator eingeleitet. Es gehe dabei um ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Beleidigung von Organen oder Vertretern ausländischer Staaten.
Kritik an Bundesregierung wegen Intervention in Böhmermann-Debatte
Der Berliner Historiker Hubertus Knabe hat die Bundesregierung dafür kritisiert, dass sie sich in die Debatte um ein Schmähgedicht des ZDF-Moderators Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eingemischt hat. "Ich kenne den Text des Gedichtes nicht. Aber ich finde es höchst problematisch, wenn die Bundesregierung strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Satiriker befördert oder gar initiiert. Das gibt es sonst nur in Diktaturen oder in Staaten, die auf dem Weg dorthin sind", sagte der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen dem "Handelsblatt". Auch die Grünen-Medienexpertin Tabea Rößner äußerte Kritik.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe "bewusst nicht wegen der `Extra 3`-Affäre den Kontakt zu Erdogan aufgenommen, und sich damit nicht persönlich vor unsere Grundrechte gestellt, sondern nur ihre Pressesprecher ritualisierte Bekenntnisse zur Pressefreiheit herbeten lassen", sagte Rößner dem "Handelsblatt". Im Falle Böhmermanns sei sie dann selbst aktiv geworden, obwohl das ZDF den Beitrag "als unpassend gelöscht" hatte und nun möglicherweise Gerichte verhandeln werden. "Wenn die Presse- und Kunstfreiheit für Merkel wirklich so wichtig wären, hätte sie diese Taten für sich sprechen lassen können, anstatt selbst zum Hörer zu greifen", sagte Rößner.
Gesine Lötzsch, Vorsitzende des Haushaltsauschusses im Bundestag und Mitglied im ZDF-Fernsehrat, hält das Vorgehen des ZDF gegen den Moderator überzogen. Böhmermann sei "mit der ZDF-Quotenmilch großgezogen worden", sagte Lötzsch dem "Handelsblatt". Bei dem Gedicht sei es weniger um Satire als um Quote gegangen. "Die ZDF-Reaktion auf das Gedicht ist jedoch unverhältnismäßig", so Lötzsch. Als ZDF-Chefredakteur Peter Frey im vergangenen Jahr "gegenüber der griechische Regierung ausfällig wurde" und sie in einem Beitrag für das Debatten-Magazin "The European" als "Chaostruppe in Athen" bezeichnet habe, habe das keine Konsequenzen gehabt. Merkel hatte das Böhmermann-Gedicht jüngst als "bewusst verletzend" bezeichnet und darüber auch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu telefoniert. Vor dem Telefonat hatte Medienberichten zufolge das Auswärtige Amt eine interne juristische Prüfung des Falls vorgenommen und war zu dem Ergebnis gekommen, dass sich Böhmermann höchstwahrscheinlich strafbar gemacht habe.
Böhmermann hatte das Schmähgedicht als Reaktion auf die Kontroverse um einen Satire-Beitrag des NDR-Magazins "Extra 3" vorgetragen, der sich kritisch mit Verletzungen der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei sowie mit dem Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen Kurden im Südosten des Landes auseinandergesetzt hatte. Ankara hatte wegen des "Extra 3"-Beitrags den deutschen Botschafter einbestellt und eine Löschung verlangt. Dies war aber zurückgewiesen worden.
Quelle: dts Nachrichtenagentur