7 mal Ziffer 7 - Trennungsgrundsatz erneut im Brennpunkt Presserat spricht zehn Rügen aus
Archivmeldung vom 30.11.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm 27. und 28. November 2007 tagten die beiden Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats in Bonn. Eine öffentliche Rüge erhielt das Magazin COSMOPOLITAN für den redaktionellen Hinweis auf Produkte eines Kosmetikherstellers. Sie wurden am Ende eines Interviews mit einem Juror der Casting-Show Germany's next Topmodel genannt und mit Text und Bild hervorgehoben.
Für die Heraushebung dieser Produkte aus einer Palette ähnlicher
Pflegemittel sah der Beschwerdeausschuss keinen redaktionellen
Anlass. Die Darstellung hat werblichen Charakter und überschreitet
damit die Grenze zur Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2. Diese
besagt:
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre
Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht
die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung
liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein
begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der
Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte
Vorteile belohnt wird.
Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet
besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material.
Das Gremium kritisierte zudem, dass der Leser nicht darüber
informiert wird, dass eine Kooperation zwischen COSMOPOLITAN und
Germany's next Topmodel besteht.
Ein solcher Hinweis auf ein
Eigeninteresse des Verlages wäre nach Ziffer 7 notwendig gewesen.
Ziffer 7 besagt:
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit
gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private
oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche
wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten
beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche
ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text
und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen,
die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar
sein.
Ebenfalls wegen eines Verstoßes gegen den Trennungsgrundsatz wurde
die Zeitschrift RUBIN gerügt. Diese hatte in zwei Beiträgen eine
Wund- und Heilsalbe sowie eine Fußcreme vorgestellt. Bei diesen
Produkten erkannte der Beschwerdeausschuss kein Merkmal, das ihre
exklusive Erwähnung im redaktionellen Teil gerechtfertigt hätte. Die
Pflegemittel wurden ohne Begründung aus einer Palette gleichartiger
Wettbewerbsprodukte hervorgehoben. Auch dies überschreitet die Grenze
zur Schleichwerbung.
Aufgrund derselben Richtlinie gerügt wurde die Zeitschrift
MATADOR, die ein Model vor einem geöffneten Kühlschrank zeigte. In
dem Kühlschrank war deutlich eine Vielzahl von Verpackungen einer
einzigen Eissorte zu sehen. Dieses Product-Placement ist
Schleichwerbung. Gleiches gilt für diverse Veröffentlichungen in
UMBAUEN UND MODERNISIEREN und DAS EINFAMILIENHAUS, die ebenfalls
gerügt wurden. Die Zeitschriften hatten in mehreren Artikeln jeweils
über die Produkte eines einzigen Herstellers berichtet. Diese
Veröffentlichungen besitzen eindeutigen PR-Charakter.
Wegen nicht ausreichend gekennzeichneter Werbung wurden DAS NEUE
BLATT und eine Extraausgabe der ELTERN FAMILY-Beilage QUIX! gerügt.
Die Zeitschriften hatten Anzeigen veröffentlicht, die für den Leser
nicht als solche erkennbar waren. Hiermit wurde gegen Richtlinie 7.1
des Pressekodex verstoßen, die besagt:
Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als
Werbung für den Leser erkennbar sind. Die Abgrenzung vom
redaktionellen Teil kann durch Kennzeichnung und/oder Gestaltung
erfolgen. Im Übrigen gelten die werberechtlichen Regelungen.
Die beiden Vorsitzenden der Beschwerdeausschüsse, Peter E. Tiarks
und Manfred Protze, wiesen angesichts der Vielzahl an Verstößen gegen
die Ziffer 7 des Pressekodex erneut auf die Bedeutung des
Trennungsgrundsatzes hin. Nur die Presse, die frei von
Werbeeinflüssen ist, wahrt ihre Glaubwürdigkeit bei den Lesern.
Persönlichkeitsrechte
Eine nicht-öffentliche Rüge wegen einer
Persönlichkeitsrechtsverletzung erhielt die Zeitung REVIERSPORT. Sie
hatte im Rahmen eines Zivilprozesses gegen eine Stalkerin deren
vollen Namen, ihren Beruf und den Arbeitsplatz genannt. Die
Bekanntgabe dieser Details war nicht durch ein öffentliches Interesse
gedeckt und verletzte die Privatsphäre der betroffenen Frau.
Richtlinie 8.1 des Pressekodex lautet:
(1) Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten,
Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (s. auch Ziffer 13 des
Pressekodex) veröffentlicht die Presse in der Regel keine
Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern
und Tätern ermöglichen würden. Mit Rücksicht auf ihre Zukunft
genießen Kinder und Jugendliche einen besonderen Schutz. Immer ist
zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem
Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse
allein können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht
begründen.
Sorgfaltspflicht und Ansehen der Presse
Gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstieß der EXPRESS Köln.
Die Zeitung wurde für eine Veröffentlichung über einen Reitunfall
eines Mädchens gerügt. Der Beitrag enthielt Mutmaßungen über den
Unfallhergang, die als Tatsachen dargestellt wurden. Die Redaktion
stützte sich dabei ausschließlich auf Angaben von Rettungskräften,
die das Mädchen in ärztliche Obhut gebracht, den Unfall selbst aber
nicht beobachtet hatten. Die Zeitung hätte hier entweder Mutmaßungen
als solche darstellen oder weiter recherchieren müssen. Auf
Zeitmangel wegen der Nähe zum Redaktionsschluss kann sich die Zeitung
hier nicht berufen. Ziffer 2 des Pressekodex gebietet:
Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer
Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild
und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf
ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben.
Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung
weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen,
Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.
Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar
gemacht werden.
Das Ansehen der Presse verletzt sah der Beschwerdeausschuss durch
eine Berichterstattung von PC PRAXIS. Diese hatte unter anderem über
"illegale" sowie "halb-legale" Software berichtet und die
entsprechenden Programme genannt. Weiterhin wurde auf der Titelseite
darauf hingewiesen, dass dem Heft eine DVD mit "30 halb-legalen
Top-Tools" beiliege. Diese ausführliche Darstellung nicht legaler
Software entspricht nicht den journalistischen Grundsätzen. Das
Ansehen der Presse zu wahren verlangt sowohl die
Ziffer 1 des Pressekodex als auch die Präambel, die besagt:
[...] Herausgeber und Journalisten müssen sich bei ihrer Arbeit
der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und ihrer
Verpflichtung für das Ansehen der Presse bewusst sein. [...]
Statistik
Insgesamt wurden in den beiden Beschwerdeausschüssen 86 Beschwerden behandelt. Dabei wurden neben den zehn Rügen 18 Missbilligungen und zehn Hinweise ausgesprochen. In 37 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet erachtet. Drei Fälle waren begründet, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet, da die Redaktion ihren Fehler jeweils selbst berichtigt hatte. In einigen Fällen gab es mehrere Beschwerdeführer gegen gleiche Veröffentlichungen.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Presserat