Presserat spricht acht Rügen wegen Verstoßes gegen das Trennungsgebot aus
Archivmeldung vom 17.03.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.03.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats haben auf ihren Sitzungen am 13., 14. und 15. März 2007 in Bonn 13 öffentliche Rügen ausgesprochen.
Trennungsgebot
Gleich zwei öffentliche Rügen erhielt die Zeitschrift TV HÖREN UND
SEHEN für Artikel über medizinische Themen. In den Veröffentlichungen
wurde auf konkrete Produkte jeweils eines Herstellers hingewiesen.
Zudem wurden die Homepages der Pharmazieunternehmen genannt. Der
Ausschuss erkannte hierin Schleichwerbung.
Dies verstößt gegen Ziffer
7 Richtlinie 2:
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre
Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht
die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung
liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein
begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der
Leser hinausgeht. [...]
Auch die NORDWEST-ZEITUNG und BILD wurden wegen Schleichwerbung
gerügt.
Die NORDWEST-ZEITUNG hatte ausführlich darüber informiert,
dass in einer großen Marktkette erstmals Pkw zum Kauf angeboten
wurden. Dabei hatte sie die Aktion ausführlich beschrieben, den Preis
der Fahrzeuge genannt und einen Link zur Internetseite mit
Bestellmöglichkeit veröffentlicht. BILD hatte unter Angabe von
Preisen über das erstmalige Angebot von Reisen durch einen
Lebensmitteldiscounter berichtet und dabei auf eine telefonische
Bestell-Hotline und eine Internetseite hingewiesen.
Eine Rüge erhielt die Zeitschrift go longlife! wegen der
Veröffentlichung eines Beitrages über das touristische Reiseziel
Sultanat Oman. Der Artikel erweckte mit ausschließlich
schwärmerischen und lobenden Formulierungen den Eindruck, als sei er
einer Werbebroschüre entnommen. Diese reklamehafte Präsentation wurde
durch eine beigestellte Anzeige des Sultanats verstärkt. Ebenfalls
Schleichwerbung erkannte der Ausschuss in einem Artikel der
Zeitschrift SUGAR, in dem Fitness-Tipps gegeben wurden. Beigestellt
war ein Foto eines Models, das eine Getränkeflasche mit dem deutlich
erkennbaren Namen eines bekannten Herstellers in der Hand hielt.
Aufgrund dieses Product Placements sprach der Ausschuss eine Rüge
aus.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER wurde gerügt, weil der Ausschuss eine
Einflussnahme geschäftlicher Interessen Dritter auf einen
redaktionellen Artikel feststellte. In einem Gastbeitrag hatte der
Inhaber einer Hotelkette ein Hotel an der Côte d'Azur in höchsten
Tönen gelobt. Dieses Hotel hatte er kurze Zeit nach Erscheinen des
Artikels selbst übernommen.
Dies ist nach Meinung des Ausschusses ein
Verstoß gegen Ziffer 7:
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit
gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private
oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche
wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten
beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche
ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text
und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.
Öffentlich gerügt wurde RTV unter anderem wegen Verletzung des
Trennungsgrundsatzes. Die Zeitschrift hatte in einem Artikel eine
Parkinson-Heilmethode unter Angabe falscher Tatsachen werbend
dargestellt. Gleichzeitig wurden durch die Darstellung nicht belegter
Behandlungserfolge unbegründete Hoffnungen auf Heilung bei Erkrankten
geweckt.
Dies verstößt gegen Ziffer 14 des Pressekodex, die aussagt:
Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen
sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete
Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte.
Forschungsergebnisse, die sich in einem frühen Stadium befinden,
sollten nicht als abgeschlossen oder nahezu abgeschlossen dargestellt
werden.
Sorgfaltspflicht
Gegen die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 verstieß der
SCHWARZWÄLDER BOTE mit einem Artikel über einen Jugendlichen, dem
angeblich der Besitz "gefährlicher Sprengstoffe" vorgeworfen wurde.
Der Jugendliche wurde als "Bombenbastler" bezeichnet. Die Polizei
habe "kiloweise Sprengstoff" bei ihm sichergestellt. Die Darstellung
war jedoch durch Tatsachen nicht gedeckt. Der junge Mann hatte
lediglich Chemikalien in seinem Besitz, die zur Herstellung von
Sprengstoff geeignet waren.
Ziffer 2 besagt:
Zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten und Informationen in
Wort und Bild sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf
ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung,
Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht
werden. Dokumente müssen sinngetreu wiedergegeben werden.
Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche
erkennbar zu machen. [...]
Eine öffentliche Rüge erhielt das Motorradmagazin PS wegen einer
Notiz über eine Rückrufaktion eines Motorradherstellers. Der
Hersteller hatte bestimmte Motorräder zur Behebung eines technischen
Problems in die Werkstatt zurückgerufen und dabei in einer
Pressemitteilung mitgeteilt, dass dieses Phänomen nicht
sicherheitsrelevant sei. In der Notiz hatte die Redaktion dann
formuliert, dass keine Gefahr bestehe und die Händler dieses lästige
Problem beheben könnten. Der Ausschuss kritisierte, dass die
Zeitschrift sich damit die Aussage der Pressemitteilung ungeprüft zu
eigen gemacht hat. Es hätte eines Hinweises bedurft, dass die Aussage
ausschließlich auf Angaben des Herstellers beruht. Dies war ein
Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex.
Persönlichkeitsrechte
Die DRESDNER MORGENPOST erhielt eine öffentliche Rüge wegen Verstoßes
gegen Ziffer 8 Richtlinie 1 des Pressekodex. Sie hatte in einem
Bericht über einen tödlichen Autounfall identifizierende Merkmale der
Verunglückten, wie Vorname, abgekürzten Nachnamen und Wohnort
veröffentlicht. Dem Artikel beigestellt war auf der Titelseite ein
Foto des Unfallortes, auf dem der zertrümmerte Wagen sowie die
abgedeckte Leiche der Frau zu erkennen waren.
Ziffer 8 Richtlinie 1
sagt aus:
Opfer von Unglücksfällen oder von Straftaten haben Anspruch auf
besonderen Schutz ihres Namens. Für das Verständnis des
Unfallgeschehens bzw. des Tathergangs ist das Wissen um die Identität
des Opfers in der Regel unerheblich. [...]
Die MÜNSTERSCHE ZEITUNG erhielt eine öffentliche Rüge wegen der
Veröffentlichung eines Artikels über den Prozessauftakt im Verfahren
gegen einen ehemaligen Kommunalpolitiker. In dem Beitrag wurden
dessen Sohn und Tochter zwar ohne Namen, aber unter Angabe ihres
Alters und ihrer derzeitigen Beschäftigung erwähnt. Auch wenn die
Identifizierung des Kommunalpolitikers aufgrund seiner öffentlichen
Funktion nicht zu monieren ist, so ist die erkennbare Darstellung der
Kinder nach Auffassung des Ausschusses nicht zu akzeptieren. Sie
stehen in keinem Zusammenhang mit der angeklagten Tat.
Dies stellt
einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex dar.
"Kindergangster"
Öffentlich gerügt wurde die BILD-Zeitung für einen Artikel, der sich
mit der Nutzung eines Hauses als Heim für schwererziehbare Kinder und
der Bürgerbewegung gegen dieses Heim befasste. Die Zeitung hatte
unter der Überschrift "Ein Dorf hat Angst" und "Behörde will Heim für
Kindergangster im friedlichen [...] eröffnen" berichtet und zudem ein
ungekennzeichnetes Symbolfoto beigestellt, das einen mit einem Messer
bewaffneten Jungen zeigte. In der Kombination aus Bildern,
Überschrift und der Beschreibung der schwererziehbaren Kinder und
Jugendlichen als "Kindergangster" sah der Beschwerdeausschuss einen
Verstoß gegen die wahrhaftige Berichterstattung nach Ziffer 1 sowie
eine unangemessen sensationelle Darstellung (Ziffer 11) und
Diskriminierung (Ziffer 12) der demnächst dort wohnenden Kinder und
Jugendlichen. Die Zeitung hatte dadurch insgesamt den Eindruck
erweckt, als sollten in dem Heim gefährliche Kinder und Jugendliche
untergebracht werden. Durch die übertriebene Beschreibung der Ängste
eines Teiles der Bevölkerung wird die Situation unangemessen und
nicht wahrheitsgemäß berichtet.
Diskriminierung von Minderheiten
Alljährlich beschäftigt sich der Presserat mit einer am 7. Dezember
eingereichten Sammelbeschwerde des Zentralrats Deutscher Sinti und
Roma. So lagen ihm aktuell 51 in Serienbriefen abgefasste Beschwerden
gegen diverse Zeitungen, Zeitschriften und Presseagenturen wegen
angeblich diskriminierender Beiträge vor. Nachdem 21 Fälle bereits im
Vorverfahren als offensichtlich unbegründet bewertet und weitere 2
vom Zentralrat zurückgezogen worden sind, hatten die
Beschwerdeausschüsse noch 28 Fälle zu behandeln.
Die Ausschüsse erkannten zwei Beschwerden für unbegründet, weitere
17 für begründet. Sie sprachen dazu sechs Missbilligungen und fünf
Hinweise aus, bei sechs Beschwerden verzichteten sie auf eine
Maßnahme. In weiteren neun Fällen zog der Zentralrat dann im
laufenden Beschwerdeverfahren die Beschwerden zurück, da er sich mit
den beteiligten Zeitungen offenbar auf korrigierende Artikel
verständigt hatte. Diese Reaktionen der Zeitungen erfolgten dabei
ohne jede Mitwirkung des Presserats.
Die vom Zentralrat immer wieder geäußerte Behauptung, der Presserat komme seiner Pflicht zur Selbstkontrolle nicht nach, wies der Presserat ausdrücklich zurück. Alljährlich beschäftigen sich die Beschwerdeausschüsse auf Veranlassung des Zentralrats mit großer Sorgfalt sehr ernsthaft mit den Vorgängen. 108 Beschwerden behandelt Die beiden Beschwerdeausschüsse sowie der Beschwerdeausschuss zum Redaktions-datenschutz haben auf ihren drei Sitzungen vom 13. bis 15. März 2006 insgesamt 108 Beschwerden behandelt. Fünf Beschwerden wurden im Redaktionsdatenschutzausschuss bearbeitet. Dabei wurden drei Missbilligungen ausgesprochen. Eine Beschwerde war unbegründet. In einem Fall hatten sich zwei Beschwerdeführer gegen den gleichen Artikel gewandt. In den beiden allgemeinen Beschwerdeausschüssen wurden insgesamt 103 Beschwerden behandelt. Neben den 13 Rügen gab es 28 Missbilligungen und 17 Hinweise. Zehn Beschwerden wurden als begründet angesehen, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet, da die Redaktion ihren Fehler jeweils selbst berichtigt hatte. 33 Beschwerden wurden als unbegründet zurückgewiesen. Eine Beschwerde war nicht aufklärbar. In einem Fall hatten sich zwei Beschwerdeführer gegen die gleiche Veröffentlichung gewandt, die Maßnahme wird jedoch nur einmal gezählt.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Presserat