Plagiatsvorwurf: Star-Kolumnist unter Beschuss
Archivmeldung vom 16.09.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.09.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNach Plagiatsvorwürfen ist nun eine Untersuchung der Machenschaften des preisgekrönten Independent-Journalisten Johann Hari abgeschlossen. Der ehemalige Chefredakteur und Mitbegründer des Independent, Andreas Whittam Smith, hat die Umstände, die im Juni zu Haris Suspendierung geführt hatten, untersucht. Chris Blackhurst, der neue Chefredakteur, entscheidet anhand des nun vorliegenden Abschlussberichts über Haris journalistische Zukunft bei der britischen Qualitätszeitung.
"Wenn ein Anspruch auf Qualitätsjournalismus besteht, gibt es keine Plagiate", gibt sich Hannes Schopf vom Verband österreichischer Zeitungsverleger (VÖZ) im Gespräch mit pressetest unbeirrbar. "Ein Plagiat kann nie Qualitätskriterien entsprechen. Schwarze Schafe gehören aus der Branche eliminiert." Gerade wegen des klaren und eindeutigen Statements von Schopf erscheint das Zögern und Drucksen in der britischen Plagiatsaffäre seltsam.
Bis Juni war Johann Hari ein hochangesehenes Mitglied der Redaktion des Independent. Dann beschuldigten Blogger den Träger des Orwell-Preises für politischen Journalismus 2008 http://theorwellprize.co.uk , Interviews von Artikeln und sonstigen Texten abgeschrieben zu haben. Die Interviews hätten nie stattgefunden. Hari beschloss daraufhin, mittels eines Synonyms zurückzuschlagen und schmierte unter anderem seine Kollegen Nick Cohen und Cristina Odone an.
Orwell-Preis könnte aberkannt werden
Gerade als Vermutungen über diese Praktiken bekannt wurden, verlor Hari einen wichtigen Veteidiger: Der langgediente Chefredakteur Simon Kelner übergab an Chris Blackhurst, der nun den Bericht von Whittam Smith zu beurteilen hat. Hari wurde vorerst für zwei Monate suspendiert. Whittam Smith hat in seinem Bericht ebenfalls um Gnade für den Gestrauchelten gebeten, sagen Insider. Die schiefe Optik eines Fälschers, der keine Kritik verträgt, bleibt.
Die Entscheidung Blackhursts ist auch ausschlaggebend für die Jury des Orwell-Preises: Sie will sich bei ihrer Entscheidung, ob Hari der Preis aberkannt werden soll, nach dem Independent-Chefredakteur richten. Solange die zeitungsinterne Entschließung aber ausbleibt, werden keine weiteren Schritte gesetzt.
Blackhurst kommentiert die Angelegenheit bisher nur insofern, als er bestätigt, den Bericht von Whittam Smith erhalten zu haben. Ähnlich zugeknöpft gibt sich die Familie des Eigentümers der Zeitung, des russischen Oligarchen Alexander Lebedew: Sie überlassen die Entscheidung dem Chefredakteur, weil sie sich nicht in interne Angelegenheiten einmischen wollen.
Quelle: www.pressetext.com / Clemens Plasser